nachgeschrieben am 14.11.2019 von 12:20 bis 13:15
Ein weiterer Schrei durchbrach die Stille der Nacht, doch riss er keinen Menschen aus dem Schlaf. Unhörbar für die Sterblichen, lagen sie weiter in ihren Betten und schlummerten friedlich.
Draußen vor den Toren der Stadt dagegen riss der Schrei selbst die Toten aus ihren Gräbern. Er öffnete die Augen nur, um zu sehen, wer sich zum Festmahl aufmachte.
»Kommst du nicht mit?«
»Nein«, antwortete er, seinen Kopf auf seinen Grabstein ablegend, während sein Nachbar über der Wiese davonschwebte. Er blickte ihm und allen anderen nach und seufzte angesichts der Massen, die sich auf die Reise begaben.
»Nur, weil jemand zum Festmahl ruft, muss man noch lange nicht hingehen.«
Ihm tat die arme Seele leid, die ahnungslos weitere Schreie in der Ferne ausstieß. Nach dieser Nacht war kaum mehr als ein Funken mehr von ihr übrig, und der wurde eingesperrt in einen Stein.
Er hatte schon oft der Erschaffung von Seelensplittern beigewohnt. Jedes Mal hatte er die Menschen verachtet, die mit sich mit ihnen weitere Jahre Leben erkaufen wollten. Dabei handelte der Tod nicht mit Seelen. Er war nicht interessiert an Fragmenten eines menschlichen Geistes, denn diese auf die andere Seite zu bringen, war ein unnützes Unterfangen. Eine Seele musste immer vollständig sein. Ein Teil davon war kein Ersatz. Es war wertlos.
Die Menschen gaben den ruhelosen Geistern nur wertvolle Erinnerungen. Gefühle, zu denen sie nicht mehr fähig waren und sie aalten sich regelrecht darin, bis sie glaubten, diese Wahrnehmungen waren echt. Ein trügerisches Spiel, bei dem keiner gewann.
»Trotzdem«, seufzte er, »geht es immer so weiter.«