27.11.19 von 18:00 bis 19:00
»Gratuliere, du hast deine große Liebe erfolgreich getötet.«
Die Beine übereinandergekreuzt blickte ich von meinem Fels, der mir im Moment als Thron diente, auf mein neuestes Opfer hinunter. Er hielt seine Frau in den Armen, noch immer den mit Blut getränkten Dolch in der Hand, den ich ihm letzte Nacht überreicht hatte.
Was Menschen für eine Gottesgabe alles taten, erstaunte mich jedes Mal aufs Neue. Dabei war es mehr ein Fluch als ein Geschenk, aber soweit dachten diese dummen Geschöpfe für gewöhnlich nicht.
»Du wolltest eine Seele«, raunte er ins blutverklebte Haar seiner Geliebten, ehe er sie zu Boden gleiten ließ. Ähnliche Szenen wie diese hatte ich in den letzten Jahrtausenden schon oft gesehen, wenn das einst Kostbarste in ihrem Leben fortgeworfen wurde wie ein dreckiger Lumpen. Es hatte ja seinen Zweck erfüllt.
»Nun ja, eigentlich bekam ich heute zwei davon«, gestand ich nach einer kurzen Bedenkzeit, ob ich ihm das wirklich offenbaren sollte. Am Ende sprang er für nichts und wieder nichts die Klippe hinter ihm hinunter und ich musste mich um den Unrat kümmern. Aber für nichts auf der Welt ließ ich mir das Grauen im Blick des Mannes mit nun kreidebleichen Gesicht entgehen, der mit zitternden Lippen reglos neben seiner Frau verharrte.
Auf ein Fingerschnippen hin gab ich ihm, wonach er all die Jahre gesucht hatte.
»Zwei Seelen bedeuten zwei weitere Leben für dich.«
Dass er keine Unsterblichkeit damit erlangte, verheimlichte ich ihm an dieser Stelle. Schlecht fürs Geschäft, wenn ich jedem reinen Wein einschenkte. Ich war kein Heiliger, sondern das Gegenteil, und trotzdem kamen sie wieder und wieder zu mir. Eine schier endlose Schlange an gutgläubigen Narren, die einzig und allein meine Macht nährten.
Wie erwartet, blickte dieser Dummkopf auf seine Hände, als müssten sie jetzt Blitze davonschießen oder dergleichen. Die Menschen waren allesamt gleich, dass ich mir ein Gähnen nicht verkneifen konnte.
»Es ist keine Magie, die dich sichtbar verändert. Es hat funktioniert, glaub mir.«
»Sollte man dir trauen?«
Er sah mich nur an, als er seine Arme wieder an seine Seiten sinken ließ. Es verletzte meinen Stolz, wenn ich den Hauch von Misstrauen erschnupperte, nachdem ich dieses undankbare Pack beschenkt hatte.
»Ich darf nicht lügen«, entgegnete ich gelangweilt und verstimmt zugleich, »jetzt gehe, bevor ich ungemütlich werde.«
Auf mein Fingerschnippen hin verbrannte der Leichnam seiner Frau und der geliehene Dolch befand sich wieder in meiner Obhut. Mehr brauchte der Wicht nicht, um das Weite zu suchen.
»Schau nie zurück. Vergaß ich zu erwähnen.«
Wer einen Blick über seine Schulter zurückwarf, wurde vom Blitz erschlagen. Mein Bruder sah es als Schuldeingeständnis der eigenen Tat an, als wüsste der, was das überhaupt bedeutete. Er nutzte das nur als Ausrede, damit niemand auf Erden etwas von einem verlängerten Leben hatte.
»Solange es nicht meine Macht schmälert, kann es mir egal sein.«
Im Gegensatz zu all den Menschen sah ich niemals zurück. Warum sollte ich das auch tun? Ich wusste um die Leichenberge, auf denen ich thronte wie ein König. Ich log und betrog die Menschen, weil ich dazu erschaffen worden war. Sie selbst hatten dafür gesorgt. Wenn sie jemandem die Schuld geben wollten, dass sie mein Geschenk nicht auskosten durften, suchten sie die am besten bei sich.
Diese Narren.