„Psst“, zischte Tim und reichte mir die Schokoladentafel nach hinten, während Lara den Prof mit einer Frage ablenkte. Flink beugte ich mich über den Tisch und nahm die Sorte ‚Alpen Milch‘ der Marke mit der lila Kuh entgegen und ließ mich dann wieder auf meinen Stuhl fallen. Geschickt fummelte ich aus der offenen Verpackung den Spicker heraus, der die Lösungen für die Anatomie-Klausur enthielt, die ein befreundeter Student eines höheren Semesters unserer Truppe hatte zukommen lassen. Marks Kumpel Steffen war ein absoluter 1,0-Kandidat und hatte bei seiner Einsichtnahme irgendwie sein Handy eingeschmuggelt und die Lösungen abfotografieren können.
Nun hatte unsere Kohorte es sich zum Plan gemacht, jeden von uns durch diese gefürchtete Klausur zu schustern. Also hatte Freya – das Statistik-Genie unserer Gang – ausgeklügelt, wer wie viele Scheinfehler an welcher Stelle einbauen musste, damit auch alles glaubwürdig blieb und dennoch jeder mindestens mit einer 1,7 davon kam. Damit auch nicht auffiel, dass jeder Student plötzlich gesteigertes Interesse an zart schmelzender Schokolade zur Nervenberuhigung entwickelt zu haben schien, hatte Mark mit einem „Viel Glück, ihr Lieben! Hier, ich habe allen als moralische Unterstützung eine Tafel Schokolade mitgebracht!“ jedem von uns die exakt gleich verpackte Tafel ausgehändigt, die nun vor uns an genau derselben Stelle lag und zu verabredeten und von Freya errechneten Zeiten um ein Stückchen erleichtert wurde, damit die eigentlich interessante Version unauffällig weitergereicht werden konnte. Der Prof drehte sich von Lara fort und blickte grob in meine Richtung. Schnell steckte ich mir ein Stück der süßen Verführung in den Mund und grinste ihn an.
Uff, gut gegangen.
Ich notierte die Lösungen, baute die verabredeten Fehler ein und wartete drei Minuten. Dann kippelte ich leicht nach hinten, als Mark sich meldete.
„Lenny“, flüsterte ich und schob grinsend die Schokolade über den Tisch zum nächsten Studenten.