„Wenn du also eine Tangente berechnen willst, dann musst du was beachten?“
Mischa brummte, als er und Lali durch die Flure des altehrwürdigen Internates liefen. Seine Freundin war eine wahre Naturwissenschaftsgöttin. Für ihn waren Formeln und Zahlen nur böhmische Dörfer.
„Also?“
„Tangente, huh?“, hakte er nach, „kannst du das buchstabieren?“
„Sehr witzig, Mikail! So wird das nie was mit dem Test morgen. Also, dann eben anders. Der Cosinus …“
Nun wurde es Mischa endgültig zu bunt. Wenn seine Freundin sich nicht mit dummen Sprüchen ablenken ließ, dann musste er eben auftrumpfen. Todesmutig zog er sie in einen Kuss. Drängte sie an sich, taumelte mit ihr gegen die Wand. Eine Hand in ihrem Nacken, tastete die andere um Halt suchend umher, fand einen Türknauf. Mit einem ‚Klack‘ öffnete sich das Schloss und er bugsierte sie rückwärts hinein. Zärtlich wanderte seine Hand nun ihren Hals hinab, die Knopfleiste ihrer Bluse hinunter. Verspielt ließ er es sich nicht nehmen, seine Lippen folgen zu lassen.
„Mischa“, keuchte Lali, „der Test, du wirst durchrasseln. Wir sollten üben.“
„Ach was“, hauchte er, sein Atem streifte karamellfarbene Haut, „mir glüht schon dir Birne. Lösen Sie nach n auf. Bestimmen Sie das Intervall unter der Kurve, suchen sie x. Haben sich die Lehrer schon mal gefragt, ob x eigentlich gefunden werden will?“
Gerade, als er sich daran machte, sie auf den Lehrerpult zu heben, ging flackernd eine Glühbirne über ihnen an.
„Mr. Petrow, ich muss doch sehr bitten! Sie waren ja schon immer ein Lausbube, aber ich kann doch zumindest erwarten, dass sie es fertig bringen, sich gegenüber einer Lady ansatzweise gentlemanlike zu verhalten.“
Mit hochrotem Kopf rutschte Lali vom Pult, richtete sich die Bluse, während er Konrektor Strout schuldig anblinzelte.
„Ihnen ist schon klar, dass Sie den Analysis-Test morgen so sicherlich nicht bestehen werden? Wenn das Ihre Definition von Nachhilfe ist, wird Ihnen niemals ein Licht aufgehen. Nun marsch raus, aus meinem Klassenzimmer!“