„Aber ich liebe dich doch! Spürst du es nicht“, schreit John seine Freundin Mary an. Er sinkt vor ihr auf die Knie, nimmt ihre Hand und küsst sie inbrünstig. Tränen laufen über sein Gesicht, Tränen der Verzweiflung, die sich hart in seine Gesichtshaut brennen. Die Spuren, die sie dort hinterlassen, sieht man nicht. Die verbergen sich in seinem Herzen, das vor eifersüchtiger Liebe zu Mary entbrannt war.
Doch Mary entzieht ihm ihre Hand und versucht zu flüchten. Sie kennt diesen Blick in Johns Augen, diesen wirren, gefährlichen Blick, wenn er zu entschlossen ist, etwas durchzuziehen, wovon er überzeugt ist. Sie hat in solchen Momenten Angst vor ihm. Heute ist es ganz besonders schlimm. Seit sie ihm eröffnet hat, einen anderen Mann kennengelernt zu haben und sie ihn, John, deswegen verlassen will, fürchtet sie sich noch mehr vor ihm. Sie entreißt ihm erneut ihre Hand und rennt zur Tür.
John springt auf und läuft ihr nach. Er ist zu allem bereit, nur um Mary sein Eigen zu nennen. Doch diese Liebe ist gefährlich. Brutale Gewalt, die er Liebe nennt. Wenn er sie nicht besitzen kann, dann soll das auch kein anderer Mann können.
„Liebst du mich nicht mehr?“, kommen jetzt fast stotternd Worte über seine schmalen Lippen. Er starrt sie an, seine Augen sind vor Wut tränenverschwommen.
„Liebe? Was ist das?“, fragt Mary leise. Ihre Stimme versagt beinahe, als sie diese Worte ausspricht. Nun ergreift sie Johns Hand, die, die sie eben weggestoßen hat. „Bitte, mache es uns doch nicht so schwer“, bettelt sie nahezu. Mary blickt John an, der sie immer noch wie wirr anschaut.
„Aber warum dann?“, John sieht Mary an. „Bitte, sprich mit mir“, fordert er erneut. Instinktiv weiß er, Mary lässt nicht mehr mit sich reden.
„Lass mich einfach nur in Ruhe“, sagt Mary eiskalt und dreht sich um. Sie will nur noch die Flucht ergreifen.
Doch nun ist John vollends davon überzeugt, Mary dazu zu bringen, ihn nicht zu verlassen.
„Sag mir was los ist“, schreit er sie wutentbrannt an. Wieder fasst er sie am Arm und hält sie davon ab, das Zimmer zu verlassen. Fest packt er zu, Mary stöhnt schmerzerfüllt auf. Als er sie auch noch schüttelt und sie mit dem Kopf gegen die Tür knallt, ist es mit Marys Geduld am Ende.
„Genau deswegen“, schreit sie zurück. „Du versuchst durch Gewalt zu bekommen, was du willst. So geht das nicht! Nicht mehr mit mir. Ich will das nicht. Deshalb werde ich dich verlassen. Zu viel Schlechtes ist geschehen.“ Mary reibt sich ihren schmerzenden Arm, der sich langsam blau verfärbt hat. „Hier!“, stieß sie hervor. „Schau dir das an!“ Sie hält ihm ihren Arm vor die Nase, damit er seine Handabdrücke genau sehen kann. Ihr Kopf dröhnt vom Aufprall gegen die Tür. Vor Angst klopft ihr Herz schneller.
Als John erneut nach ihr greifen will, reißt sie die Haustür auf. Der Fluchtweg ist frei. Sie rennt wie von Teufeln gehetzt los.
„Du sollst hierbleiben!“, schreit John ihr nach und ballt wütend seine Hand zur Faust.
„Niemals! Ich will dich nicht mehr. Vergiss mich einfach“, keucht Mary, während sie sich immer weiter von John entfernt. „Nur raus aus seinem Dunstkreis, weg von dieser gefährlichen Liebe“, denkt sie und läuft noch schneller.
© Sandy Reneé / 20.05.2021