„Wie kannst du nur so schusselig sein und diesen wichtigen Termin verpassen?“, schimpfte Arnolds Chef Wilfried. Kopfschüttelnd schaute er seinen Mitarbeiter an. „Du wusstest doch, wie wichtig dieser Kunde für unsere Firma ist! Dessen Auftrag hätte uns für die nächsten Monate über Wasser gehalten. Das können wir nun vergessen.“
Arnold stand mitten im Raum und sah bedröppelt auf den Teppich, als hätte er sich in die Hose gemacht. „Ich weiß auch nicht“, erwiderte er leise. „Irgendwie habe ich die Zeit vergessen.“ Dabei zuckte er mit den Schultern, dass sein abgewetztes Jackett wie eine Fahne um seinen Körper schlackerte.
„Du willst damit sagen, dass es Zufall war?“, fragte Wilfried, der seinen Mitarbeiter gut genug kannte. Seit Jahren schon schob er ihn in die Schublade „Träume mal wieder“, wo er vor sich hindümpelte und so manche Krise einfach übersah. Inzwischen ging ihm Arnolds Verhalten auf den Geist. Er liebäugelte bereits damit, ihn zu entlassen. Arnold war halt ein Träumer vor dem Herrn. So richtig böse sein konnte er ihm allerdings nicht. Außerdem war Arnold schon dabei, als Wilfrieds Vater noch die Zügel in der Hand hatte. Daher konnte er ihn nicht einfach entlassen, ohne mit seinem Vater aneinanderzugeraten.
Nachdenklich schritt Wilfried hin und her. Er musste die Lage abschätzen, ehe er Taten folgen ließ. Was sollte er nur mit Arnold tun. Wenn er so weitermachte und ständig Kundentermine verpasste, konnte er bald seinen Laden schließen. Noch mehr Kunden zu verlieren, konnte er sich nicht leisten. Drei Kunden waren, nachdem Arnold wichtige Verhandlungstermine einfach verschusselt hatte, schon abgesprungen. Das Geld fehlte nun und er musste zusehen, wie er seine Leute jeden Monat bezahlen konnte. „Wir sind hier nicht bei Alice im Wunderland, um tun zu können, was wir wollen“, dachte sich Wilfried und sah Arnold erneut streng in die Augen. „Anderseits“, überlegte Wilfried weiter, „Arnold ist mein bester Verkäufer. Er ist zwar etwas schusselig, hat aber bisher meine besten Aufträge an Land gezogen.“
„War das alles?“, fragte Arnold plötzlich, dem es sichtlich unangenehm war, vom Chef die Leviten gelesen zu bekommen. Er trat längst von einem Bein aufs andere. Lange stehen war er nicht mehr gewohnt. Außerdem musste er dringend zur Toilette. Er musste vorhin so schnell zum Gespräch erscheinen, dass er keine Zeit mehr hatte, sich zu erleichtern. Das rächte sich nun. Der Topf stand kurz vorm Überlaufen.
„Was?“, schrak Wilfried hoch. Er war so in Gedanken versunken, dass er Arnolds Frage nicht verstanden hatte.
„Ob das alles wäre, fragte ich“, wiederholte Arnold.
„Ja, du kannst gehen. Aber vorerst wirst du im Büro die Stellung halten, keine Außentermine mehr.“
„Aber Chef…“, wollte Arnold widersprechen.
„Das ist mein letztes Wort“, schnitt Wilfried ihm das Wort ab.
Arnold taumelte fast aus dem Raum. Wilfried sah ihm nach. „Halt“, rief er ihm hinterher, bevor Arnold die Tür schließen konnte. „Wie siehst du heute eigentlich aus. Was sind das für komische Fusseln auf deinem Anzug?“
Arnold kam zurück. „Ach, das sind nur Hundehaare. Meine Wilma fand es bequemer, auf meinem Anzug zu nächtigen als in ihrem Körbchen. Ich sah es leider erst, als ich hier war.“
„Schon gut, schon gut. Geh endlich“, unterbrach Wilfried erneut den Redefluss seines Mitarbeiters. Sonst hätte dieser zum x-ten Male Geschichten um seine geliebte Hündin zum Besten gegeben.
Arnold ging endlich, froh, mit heiler Haut davon gekommen zu sein.
© Milly B. / 30.05.2021