Die Schlange vor Liesbeth schien schier endlos zu sein. Da hatte sie sich endlich dazu durchgerungen, eine Traumreise mit ihrem Traumboy zu buchen, und dann das… wie bei einem Laternenumzug reihte sich Auto an Auto vor ihr ein. Nur dass es bei diesem Umzug keine Laternen gab, sondern die Rücklichter der Fahrzeuge. Ein Ende war nicht in Aussicht.
Liesbeth hatte lange keine Ambition, mit ihrem Schatzi in den Urlaub zu fahren. Sie war sich nicht sicher mit ihm. Aber seit er ihr gestanden hatte, sie wäre seine Traumfrau, ging sie immer mehr aus sich heraus. Nun hatte sie neben ihrem Traumjob auch noch ihren Traumboy. Jetzt schwebte sie wie auf Wolken im siebten Himmel.
Viele sagten, er wäre ein Scharlatan, würde die Frauen nur verarschen und dann bei Erfolg bei Nacht und Nebel das Weite suchen. Aber für Liesbeth waren das alles nur Unkenrufe. Sie sah nur das Gute in ihm. Und davon hatte er mehr als genug. Dachte sie jedenfalls.
Nun wollten sie zusammen in den Urlaub fahren, den ersten gemeinsamen. Liesbeth hatte lange dafür gespart. Eigentlich wollte sie anfangs allein in die Ferien fahren. Aber seit sie ihren Schatzi hatte, kam das für sie natürlich nicht mehr in Frage. Jetzt galt nur noch: ausnahmslos zu zweit!
„Bist du dir sicher, alles bezahlen zu wollen? Ich gebe natürlich meinen Anteil dazu“, säuselte ihr der Liebste am Vorabend nach dem Liebesspiel ins Ohr.
„Aber Schatz! Was soll die Frage“, echauffierte sich Liesbeth. „Ich spendiere dir den Urlaub gerne. Du hast doch kein Geld.“
„Wenn du meinst“, gab er klein bei und fügte sich.
Die Zeit bis zum Urlaub verging schneller als gedacht. Liesbeth hatte alle Hände voll zu tun. Da musste viel vorbereitet werden. Wer sollte sich um die Katze kümmern? Die beste Freundin hatte abgesagt, nachdem Liesbeth beleidigt gewesen war, als sie ihr die Meinung über den vermeintlichen Freund geigte. Die Nachbarin nebenan lag im Krankenhaus, da blieb nur Schatzis bester Freund. Der sagte zu. „Für deinen Liebsten tu ich alles“, tönte er lauthals bei einer Flasche Bier.
Am Abend vor der Reise war alles bereit und Liesbeth aufgeregt wie schon lange nicht mehr. Ihr Liebster saß vor dem Fernseher und genoss das Abendbier.
„Ach komm, Schatz. Jetzt gibt mal Ruhe und setz dich zu mir“, lockte er Liesbeth. „Trinken wir einen Absacker und dann ab ins Bett. Morgen früh müssen wir zeitig auf.“ Schnell war eine Flasche Sekt geöffnet und sich zugeprostet.
Am Abreisetag erwachte Liesbeth mit einem riesigen Kater. Neben ihrem Bett saß die beste Freundin und schaute sie besorgt an.
„Wieso bist du hier?“, fragte Liesbeth.
„Die Nachbarin von unten rief mich an“, bekam sie als Antwort. „Sie machte sich Sorgen, als dein Freund in Herrgottsfrühe mit vollen Koffern verschwand.“
„Wie? Was?“, stotterte Liesbeth…
„Deine Geldkassette fehlt auch“, berichtete die Freundin.
Liesbeth sprang aus dem Bett, torkelnd versuchte sie, das Gleichgewicht zu halten. Ihr Kopf brummte. „Ich weiß von gestern Abend gar nichts mehr“, stellte sie fest. „Da war wohl…“
„… was im Sekt und nun bist du pleite und schachmatt“, beendete die Freundin den Satz.
© Milly B. / 06.11.2022