Dieses Jahr sollte Silvester für Claudia etwas ganz besonderes werden. Nur wusste sie noch nichts davon. Francesco, ihr langjähriger Freund machte ein großes Geheimnis daraus. So sehr Claudia auch drängelte und bettelte, Francesco blieb stur. Er meinte nur, sie solle sich für den Silvesterball so richtig gut aufbrezeln.
Der letzte Tag des Jahres war gekommen. Claudia war im Bad und machte sich für den Abend schön.
Francesco kam eben nach Hause. Er hätte noch ein paar Besorgungen zu machen, meinte er vorhin, als er die Wohnung mit für Claudia unbekannten Ziel verließ.
Claudia hörte ihren Freund die Wohnungstür öffnen. Sie schaute aus dem Bad heraus und begrüßte ihn. „Da bist du ja wieder“, rief sie. „Konntest du alles erledigen?“, fragte sie noch.
„Ja, alles erledigt“, antwortete Francesco.
„Was musstest du denn noch so dringend besorgen?“, versuchte sie die Kurve gekonnt zu umschiffen. Doch Francesco fiel nicht darauf hinein.
„Nur was für heute Abend“, ging er Claudias Frage aus dem Weg. Zu mehr ließ er sich nicht verlocken.
So musste Claudia weiter auf den Abend hoffen, wo dann die angebliche Überraschung stattfinden sollte.
„Was ziehst du zum Silvesterball an?“, fragte Francesco.
„Das lange, schwarze Kleid mit den Pailletten“, antwortete Claudia und ging zurück ins Bad.
***
Das Taxi, das Francesco gerufen hatte, um sie zum Ball zu bringen, war pünktlich vor Ort. Francesco führte seine Liebste nach unten und hielt ihr die Wagentür auf, damit sie gut einsteigen konnte. Erst danach setzte er sich hinten in den Fond zu ihr.
„Du machst heute aber auf Gentlemen“, feixte Claudia, die solch Anwandlungen von ihrem Lebensgefährten gar nicht kannte.
„Mit einer schönen Frau muss man ja auch galant umgehen“, schmeichelte er ihr.
So ging das Geplänkel der Beiden weiter, bis das Taxi vor der großen Stadthalle hielt, wo der jährliche Silvesterball stattfinden sollte. Francesco bezahlte die Fahrt und dann gingen er und Claudia in den festlich geschmückten Saal.
Der Saal glänzte, als wäre er mit Goldstaub bestäubt worden. Die kristallenen Lüster, die an der Decke hingen, erhellten die Örtlichkeit. Auf den Tischen, die einzeln oder auch paarweise für mehrere Leute an den Seiten aufgestellt waren, waren mit edlem Geschirr gedeckt. Weiter vorne war eine Bühne aufgestellt worden, wo sich schon die ersten Musiker warm spielten.
Inzwischen waren nach Claudia und Francesco immer mehr Menschen angekommen. Der Saal füllte sich. Francesco führte seine Liebste an den von ihm bestellten Tisch und ließ sie da Platz nehmen.
„Ich bin gleich wieder da“, sagte er zu ihr, als sie sich hingesetzt hatte.
Ehe Claudia etwas erwidern konnte, war Francesco auch schon in Richtung Ausgang verschwunden. Sie konnte nur noch den Kopf schütteln.
Nach wenigen Minuten war Francesco wieder an ihrer Seite. Als er sich neben sie setzte, lächelte er das schönste Lächeln, das er aufsetzen konnte.
„Hast du mir was zu sagen?“, fragte Claudia, der Francescos Gehabe heute schon fast unheimlich war.
„Nein, gar nichts“, erwiderte Francesco. Doch war ihm die Unruhe anzumerken.
„Meine Damen und Herren“, ertönte es plötzlich von der Bühne her. Der Bürgermeister der Stadt persönlich eröffnete den Ball. „Ich freue mich sehr, sie zu unserem diesjährigen Silvesterball begrüßen zu dürfen. Wie jedes Jahr singt eine Live-Band ein ausgewähltes Repertoire weltbekannter Songs. Am Büffett kann sich nach Belieben bedient werden, auch Getränke sind reichlich vorhanden. Kurz vor Mitternacht bitte ich sie, sich draußen auf dem Vorplatz zum Feuerwerk zu versammeln“, sprach der Herr auf der Bühne weiter, „und nun wünsche ich ihnen viel Vergnügen“, beendete er seine Rede.
Applaus erscholl und gleich darauf begann die Band zu musizieren. Im Saal begann wieder das Geplauder der Gäste. Auch Claudia und Francesco vergnügten sich.
„Darf ich die Dame zum Tanz bitten?“, fragte Francesco seine Begleitung mit einer höflichen Verbeugung.
„Aber gerne“, ging Claudia auf sein Spiel ein. Sie erhob sich und reichte Francesco ihre Hand, damit er sie auf die Tanzfläche führen konnte.
Gleich darauf wiegten sich beide im Takt der Musik. Sie waren ein eingespieltes Team beim Tanz und schon bald wurde rund um sie geklatscht. Rufe erklangen, doch mehr ihres Tanzes zu zeigen, was die beiden gerne taten.
Nach einigen Runden schnellen Tanzes wechselte die Band den Takt. Langsame Weisen wurden gespielt. Claudia schmiegte sich an Francesco und genoss den langsamen Tanz mit ihm.
Als der Song beendet war, löste sich Francesco von Claudia, verbeugte sich wieder vor ihr und sagte: „Ich muss dich kurz verlassen. Warte bitte hier auf mich“, sprach er und verschwand.
Claudia sah sich um und entdeckte ihren Liebsten vorne auf der Bühne. Sie sah, wie er mit den Musikern diskutierte. Nach einiger Zeit schienen sie sich geeinigt zu haben.
Francesco nahm das Mikrofon in die Hand, räusperte sich kurz und begann dann, nachdem der der Band ein Zeichen gegeben hatte, zu singen. „Tears in Heaven“, sang Francesco. Dabei sah er Claudia an, die wie erstarrt in den Massen stand und ihn anschaute. Dann sah sie, wie er die Stufen der Bühne herunter und auf sie zukam.
Genau vor ihr blieb er stehen, sang aber weiter, ohne auf die Menschen um ihn herum zu achten. Er sang nur für seine Claudia, der Frau seines Herzens. Francesco beendete sein Lied. Er kniete vor seiner Herzensdame nieder, nahm ihre Hand und küsste diese. „Schatz meines Lebens, willst du meine Frau werden?“, fragte er sie, laut und deutlich sprach er die Worte ins Mikrofon. Alle Leute im Saal konnten es hören.
Kreidebleich stand Claudia mitten im Saal. Die Gäste im Saal starrten sie an, sie erwarteten gespannt ihre Antwort. Die ersten Rufe Sag ja!, waren zu hören. Ihr Herz schlug heftig vor Aufregung.
„Ja, ich will“, kam endlich über ihre zitternden Lippen.
Jubel ertönte um sie herum und ehe sich Claudia versehen konnte, war Francesco aufgesprungen. Aus seiner Smokingjacke zog er einen Ring hervor, den er Claudia auf den Finger steckte. Dann umarmte und küsste er sie innig.
„Ich liebe dich“, flüsterte er, als sich seine Lippen von den ihrigen lösten und sie mit glänzenden Augen ansah.
Den Applaus, der wieder erscholl, schienen sie nicht mehr zu bemerken. Es gab nur sie.
© Sandy Reneé / Dezember 2011