Geschrieben für die Weihnachtsfeier meiner Umschulungsklasse 2012 – 2014 im BDI Gera
Es war einmal ein Weihnachtsmann, den nannte man Nummer Sieben. Der war ein ganz besonders garstiger Typ. Anstatt den Menschen am Heiligen Abend die Geschenke zu bringen, machte er sich einen Spaß daraus, ständig falsche Dinge oder sogar gar nicht auszuliefern. Auch seine Kollegen waren vor seinen schlimmen Späßen nicht gefeit.
Dabei war seine Aufgabe laut seinem Arbeitsauftrag eine ganz andere. Ständig verstieß er gegen den mit dem Oberweihnachtsmann abgeschlossenen Dienstvertrag, kam zu spät, erledigte die Aufträge falsch. Wenn er schlechte Laune hatte, dann tat er auch einmal gleich gar nichts und ließ den lieben Gott einen frommen Mann sein.
Der Oberweihnachtsmann war deswegen schon sauer. Er wollte Nummer Sieben bereits abmahnen, ja sogar kündigen. Doch was sollte er machen? Es herrschte akuter Weihnachtsmannmangel. So sehr er sich auch bemühte, einen anderen Weihnachtsmann als Ersatz zu finden, es gelang ihm einfach nicht. Dabei hatte er schon so viele Annoncen in Tageszeitungen, ja sogar in der Dlibzeitung aufgegeben. Er hatte sich nicht einmal gescheut, bei der Stadtverwaltung eine Ausschreibung zu machen und einen Aufruf bei dem beliebten Privatsender TAS 1 senden zu lassen. Sogar beim Amt der Himmlischen Jobvermittlung sprach er vor, damit die ihm helfen. Doch die Bewerber, die von dort geschickt wurden, hatten weder Ahnung vom Geist der Weihnacht noch waren sie motiviert genug, die schwere Arbeit zu übernehmen.
Übermorgen war es nun wieder soweit, der Heilige Abend stand bevor. Es war noch viel zu tun. Alle Weihnachtsmänner arbeiteten von früh bis spät, um den Menschen alle Wünsche zu erfüllen, die über das Jahr hinweg im Weihnachtsmannbriefkasten gelandet waren. Nur einer schoss wieder einmal quer und lag nur auf der faulen Haut: Weihnachtsmann Nummer Sieben.
Während seine Kollegen sich den Arsch aufrissen, saß er nur Kaffee schlürfend an seinem Schreibtisch und drehte Däumchen. Dabei dachte er sich neue Streiche aus, mit denen er die Menschen ärgern wollte, surfte verbotenerweise während der Arbeitszeit im Internet und chattete bei Facebook, was laut Betriebsvereinbarung strikt verboten war. Oft schleuste er sogar eine ganze Batterie Flachmänner mit an seinen Arbeitsplatz und besoff sich dann so sehr, dass er nicht einmal mehr in der Lage war, den Computer zu bedienen und seine Arbeit wieder einmal liegen bleiben musste.
Plötzlich hörte Nummer Sieben ein Räuspern hinter sich. Als er sich umdrehte, sah er den Oberweihnachtsmann hinter sich stehen, der ihn die ganze Zeit beobachtet hatte, was er im Chat für Sauereien schrieb.
„Weihnachtsmann Nummer Sieben“, brüllte der Oberweihnachtsmann los. „Wie lautet heute dein Arbeitsauftrag?“
Weihnachtsmann Nummer Sieben war solch ein Gehabe von seinem Chef gar nicht gewohnt und schrak auf.
„Ich sollte die Briefe sortieren, zu denen wir noch Geschenke machen müssen und auflisten, was wir dafür noch brauchen“, antwortete er wahrheitsgemäß. „Dazu sollte ich eine Excel-Tabelle erstellen, die mit Wenn-, Und- und Oder-Funktionen genau die benötigte Menge anzeigt.“
„Und was ist mit den Serienbriefen, die du gestern schon schreiben solltest?“, fragte der Oberweihnachtsmann, ahnend, dass auch dieser Auftrag nicht erledigt wurde.
Nummer Sieben wurde blass. Die Serienbriefe hatte er ganz vergessen.
„Ich hatte gestern so viel zu tun, dass ich das nicht mehr geschafft habe“, log er dass sich die Balken bogen. Jedoch sagte er aber nicht, dass er wieder einmal nur Unsinn gemacht und die Kollegen geärgert hat, indem er perverse Bilder mit deren Konterfei verziert und ins Internet gestellt hat.
„Dann erledige zuerst die Serienbriefe, die müssen heute unbedingt noch raus, damit sie auch pünktlich ankommen. Danach erstelle die Excel-Tabelle. Ich muss wissen, was wir noch dringend brauchen“, raunzte der Oberweihnachtsmann Nummer Sieben an. „Mach hin, es eilt, übermorgen ist schon Weihnachten!“
„Chef, kann die Serienbriefe nicht deine Weihnachts-Elfe Eins schreiben. Die kann das viel besser als ich“, versuchte Sieben die Arbeit von sich abzuwälzen. „Die Excel-Tabelle kann sie doch auch gleich mit übernehmen. Ich habe noch so viel zu tun, dass ich das nicht ohne Hilfe schaffen kann.“ Dabei dachte er an den Feierabend, den er am liebsten vorziehen würde.
„Was bist du nur für ein Faulpelz!“, schrie der Oberweihnachtsmann Nummer Sieben an. Langsam aber sicher hatte er die Nase voll von diesem Mitarbeiter.
„Chef, das ist eine Behauptung“, motzte Sieben rum. Er ließ sich ungern als Faulpelz beschimpfen, dabei war er der größte Faulpelz unter allen Weihnachtsmännern.
„Das ist keine Behauptung, sondern eine Feststellung. Ich beobachte dich schon einige Zeit, es wird immer schlimmer mit dir. Lange lasse ich mir das nicht mehr gefallen. Von den Kollegen kommen auch viele Beschwerden über dich. Ständig ärgerst du sie und störst sie beim Geschenke basteln“, schimpfte der Oberweihnachtsmann weiter. „Nun troll dich und erledige flugs deinen Arbeitsauftrag. Ansonsten muss ich endlich andere Saiten aufziehen, damit du mal mitbekommst, wer hier der Chef ist!“ Damit drehte er sich um und ging zurück in sein Büro, fest darauf hoffend, Nummer Sieben genug eingeschüchtert zu haben, dass er endlich tat, was er sollte und nicht das, was er wollte. Sein Entschluss, sich von Nummer Sieben zu trennen, war gefasst.
„Oh, weh“, seufzte der Oberweihnachtsmann, als er in sein Büro kam. „Wenn (Nummer Sieben gleich arbeitsunlustig; dann Weihnachten steht auf der Kippe; wenn (nicht arbeitsunlustig; dann gut für uns; sonst großer Mist und die Menschen traurig.)) Was mache ich nur mit ihm? Wenn (oder (er gleich so weitermacht; Streiche ausheckt; dann ganz schlecht für uns; wenn (nicht; dann natürlich gut; sonst ich muss ich ihm kündigen.)))
Inzwischen raffte sich Nummer Sieben auf, die Serienbriefe an die Lieferanten zu schreiben. Es war schon eine Herausforderung für ihn, die gestellten Aufgaben zu lösen. Dabei hatte er Bürokaufmann gelernt und hätte so etwas mit links erledigen können. Was sollte er hier tun? Lieferant Geschenkbänder sollte etwas nicht lesen können, was Lieferant Geschenkpapier lesen sollte. Diese blöden Wenn-Funktionen in Word machten ihn ganz kirre. Wenn nur Weihnachts-Elfe Eins helfen würde. Doch die hatte er ja mit dem gefakten Sexbild, das er von ihr bei Facebook eingestellt hatte, ganz vergrault. Jetzt war sie mehr als sauer auf ihn und hatte ihn sogar bei der Polizei angezeigt. Trotz der Vorlage für Geschäftsbriefe nach der neuen DIN 5008 quälte sich Nummer sieben noch lange mit den Briefen herum. Die Excel-Tabelle, die er dann noch erstellen sollte, machte ihm noch mehr Sorgen. Denn gerade damals, als er das lernen sollte, musste er mit seinem Banknachbarn schwatzen und die anderen in der Klasse stören. Nur lernen tat er nicht. So verpasste er viele wichtige Dinge, die er jetzt in seinem Berufsleben benötigte.
Genervt kratzte sich Nummer Sieben am Kinn und überlegte. Auf die anderen Weihnachtsmänner konnte er auch nicht mehr zählen. Mit denen hatte er sich ebenfalls überworfen, als er im letzten Jahr ihre Rentierschlitten manipuliert hatte. Das gab einen Trubel, als die Schlitten nicht wo sie sollten zu Stehen kamen und die Rentiere überfahren hatten. Gerade noch so konnte er sich in einen Schornstein retten, sonst hätten ihn seine Kollegen gelyncht. Seitdem schaute ihn keiner mehr auch nur mit dem Hinterteil an.
Weihnachtsmann Nummer Sieben kam ins Grübeln. Excel-Formeln und Wenn-Funktionen schwirrten ihm durch den Kopf und veranstalteten ein wahres Chaos. War es richtig, was er tat? Nach längerem Überlegen kam er zu dem Schluss:
Wenn (Ich gleich schlecht mit den Kollegen bin; dann sie schauen mich nicht mehr an, meiden mich und sind böse mit mir; dann bin ich immer alleine und habe keine Freunde mehr.) Aber: wenn (Ich gleich zuverlässig, kollegial und immer höflich bin; dann sind meine Kollegen bestimmt sehr erfreut; dann bin ich auch zufrieden und glücklich; sonst ist alles Mist.)
„Ja“, sagte Nummer Sieben laut zu sich selbst, „so ist es!“, und nahm sich vor, ab sofort ein fleißiger, hilfsbereiter und kollegialer Weihnachtsmann zu sein.
Und die Moral von der Geschicht?
Das, was ich auch nicht will, das tu ich nicht.
Das, was ich mag, das leg ich an den Tag.
Doch Freunde und Kollegen, die sind ein wahrer Segen,
wenn man wandelt zusammen auf denselben Wegen.
© Sandy Reneé / Dezember 2012