Unterdessen hatten sich die ältesten Mitglieder des Feuervogelclans in einem geheimen Tempel versammelt. Dieser Tempel war nur den Auserwählten bekannt und Kasper blickte sich erstaunt sowie hilflos um. Er wusste von diesem Tempel nichts, und als seine Mutter, die Witwe des verstorbenen Feuervogels ihm gesagt hatte, dass sie sich im Tempel treffen wollte, war Kasper der Meinung, dass das Treffen im ›heiligen Tempel‹ stattfand.
»Nun ...«, begann die alte Frau zu reden an. »Ich habe euch rufen lassen, weil etwas eingetreten ist, was nicht hätte, eintreten dürfen sollte. Ihr alle wisst, was ich meine, zumal Werner uns schon vor Jahren den Rücken gekehrt hat. Und nach neuen Informationen hat er sich nun mit den Vampiren verbündet, anstatt seinen Sohn uns zu überlassen, damit wir das Geschwür von einem Werwolf aus unserer Blutlinie entfernen können. Nun mutiert unser Stolz ... unser Blut zu diesem ... Ding! Das ist eine Schande für unseren Clan ... für unser Blut!«
Eröffnete Hildegrad die heutige geheime Sitzung. Bennys Witwe war dafür bekannt, alles für den Clan des Feuervogels zu geben, auch wenn der Clan an letzter Stelle in der magischen Welt stand und ihr waren die Methoden egal, solange ihre Familie in der magischen Welt aufstieg. Was wohl immer unterging, weil es immer nur einen Feuervogel gab und deshalb der Clan Willms nicht einmal unter den Top 100 gelistet war, obwohl die magische Kraft dieses einen Feuervogel um einiges höher war, als die des Vampirkönigs. Nicht umsonst wurde der Feuervogel Phönix genannt und als Legende angesehen, weil er eine Macht besaß, die Planeten zerstören konnte.
Aus diesem Grund lebten die Erben des Feuervogels auch im verborgenen und hielten sich zurück, denn es gab viele Organisationen und Weltherrschaften, die sich an seiner Macht bereichern wollten. Wenn der Feuervogel seine Magie nicht zeigen musste, so war das in Ordnung, aber Hildegrad sah es anders. Sie sah es schon anders, als Benny der letzte Feuervogel noch am Leben war und jetzt sah sie ihre Zeit gekommen.
Sie war nicht machthungrig. Sie war mit ihrem bisherigen Leben wirklich zufrieden, aber sie sah es auf einer Seite nicht ein ... das ihr Clan ... Dass der Feuervogel nie eine anerkannte Stellung bekam, obwohl er das stärkste magische Wesen auf der Welt war. Sie konnte die bedauernswerte Tatsache dem zuschreiben, weil wie gesagt, der Clan des Feuervogels nur aus normalen Menschen bestand und nur der Feuervogel selbst ein magisches Wesen war.
»Deshalb sage ich, und so leid es mir tut ... der Sohn von Werner Willms muss vernichtet werden, damit unser Blut rein bleibt! Wir können uns so ein Bastard-Ding nicht leisten. Unser Clan wäre dem Untergang geweiht ...« Hildegrad sprach noch einige Minuten und gab viele verschiedene Gründe an. Zum Beispiel, wie vorhin erwähnt, das das Blut nun dreckig war und das sie sich zu 100 % sicher war, dass die Erbrangfolge wohl nicht mehr funktionieren würde, wenn dieser Werwolf dazwischenfunkt und das nun der große und erhabne Phönix seine Kraft verlor und das ihr Ansehen, welches eh schon sehr niedrig war, nur noch weiter sank und noch so einige negativen Dinge. Als sie schließlich mit ihrer Rede fertig war, hob Kasper seine Hand. Sie nickte ihm zu.
»Mutter mir stellt sich die Frage, woher du das weißt. Dr. Talfon hat es so erklärt, dass der Feuervogel komplett und bis zu 100 Prozent vollständig in Gary erwacht ist und die Magie sich soweit in ihm stabilisiert hat, dass nichts im Weg steht.«
»Du glaubst also diesen kleinen Arzt mehr, als unsere jahrhundertelangen Aufzeichnungen?«, fragte sie spitz zurück.
»Also gab es wohl schon einmal so einen Fall?«, fragte er zurück und sie stockte kurz. Sicherlich gab es Aufzeichnungen, wie in jedem Clan, aber so etwas kam noch nie vor. Kurz schüttelte sie den Kopf. »Nun können wir also annehmen, dass wenn Gary stirbt, die Magie des Feuervogels wie gewohnt an dem nächsten letztgeborenen übergeht?«, fragte er weiter und sie atmete tief ein.
»Ja ...«, antwortet sie knapp.
»Also warum, willst du dann Gary umbringen lassen, wenn dem nichts im Weg steht? Ich mein ... er ist ein Teil unserer Familie, mein Neffe und dein Enkel und laut Dr. Talfon, der ein Spezialist für magische Wesen ist, wird, wenn Gary mal Nachkommen bekommt, nur der Werwolfteil weitergegeben und nicht den Feuervogel ...«
»Und genau da liegt das Problem!«, ging Hilde ein. »Was ist wenn Garys Sohn oder die nachfolgenden Söhne, die Letztgebornen sind? Wie du weißt, geht der Feuervogel nur auf den Jüngsten über und dass können wir nicht dulden, wenn ein Mischlingsbastard in unserer Familie ist. Das Risiko ist einfach zu groß!« Einige nickten und andere waren mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt.
»Ich kann es dennoch nicht gutheißen. Immerhin kann Gary nichts dafür, dass es passiert ist! Er ist noch ein Teenager und hat sein ganzes Leben noch vor sich!«, sagte Kasper.
»Das tut nichts zur Sache, der Feuervogel muss die Verantwortung über seinen Clan tragen und das beinhalte auch, dass seiner Reinheit nichts im Weg steht!«
»Glaubst du wirklich, dass Gary freiwillig in den Tod geht, oder das die Vampire dies zulassen?«, fragte Kasper.
»Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen ... heute haben wir uns nur versammelt, um eine Abstimmung zu erzielen, was nun mit dem Feuervogel passieren soll. Wer also dafür ist, dass Gary der jetzige Träger des Feuervogels sich seiner Verantwortung stellen soll, der hebe nun die Hand!«, forderte Hildegrad auf und nicht einmal die Hälfte hob die Hand. Allein diese Abstimmung, zeigte der alten Frau, wie es um den Clan stand.
»Wie ich es mir dachte!«, dachte Hildegrad und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. »Der Clan ist zerfallen. Schon damals als ich Benny kennengelernt hatte. Er war damals schon der Feuervogel, war die ganze Willms-Familie bereits auseinandergebrochen. Nur seine Eltern und die engeren Verwandten kümmerten sich um ihn. Von den Entfernteren kam nichts, obwohl selbst ihr eigener jüngster Sohn der nächste Feuervogel werden konnte. Es gibt keine Ehre mehr, keine Zugehörigkeit, kein STOLZ nichts ist mehr vorhanden!«
»Was ist mit euch allen los? Unser reines Blut wird vermischt werden ... das ist inakzeptabel!«, rief sie in die Runde und eine Frau die ihre Hand vorher nicht gehoben hatte, stand vom Stuhl auf.
»Ich sehe das anders ... Auch aus diesem Grund weil mein Gefährte ein magisches Wesen ist. Aber sehen wir es mal aus der männlichen Perspektive an. Ich wäre ein männlicher Nachkomme und meine Frau ein magisches Wesen. Was wäre, wenn meine Frau einen Sohn auf die Welt bringen würde? Der nun der letztgeborene ist? Wird er dann auch aussortiert? Weil, wie gesagt meine Frau ein magisches Wesen und kein Mensch ist? Oder bei anderen Müttern? Müssen wir dann mit der Angst leben, dass unser Kind, unser Fleisch und Blut, dafür sterben muss? Müssen wir alle mit der Angst leben, dass unsere Söhne umgebracht werden, nur damit die ›Reinheit‹ des Feuervogels bestehen bleibt? Der Arzt hat es doch gesagt, dass dem nichts im Weg steht. Und was ist schon dabei, wenn ein Mischling zum Feuervogel wird? Ich sehe darin kein Problem und diese Denkweise ... ist tiefstes Mittelalter. Es gibt viele verschiedene magische Wesen, die vermischt sind. Auch Menschen sind untereinander gemischt und magische Wesen sind mit Menschen vermischt ... oder gibt es noch einen einzigen Menschen auf der Welt der ›rein‹ ist? Vielleicht bei einem unentdeckten unterentwickeltem Stamm im tiefsten Dschungel, der noch der Meinung ist, dass die Welt eine Scheibe ist und ihre Nachrichten mit Trommelschlägen verschicken ...«, sagte sie und nahm ihre Handtasche. »Ich werde dieser Versammlung nicht mehr weiter beiwohnen! Und Tante Hilde ... Mein Beileid für den Tod deines Mannes. Er war mir ein sehr lieber Onkel. Dennoch gebe ich dir einen guten Rat, verfolge diesen Plan nicht weiter, vor allem, weil Gary Willms dein Enkel ist und ich weiß, wie viel dir Familie bedeutet!«, sagte sie und atmete tief ein. »Ich habe es euch nicht erzählt, weil dazu noch nicht der richtige Moment war, aber ich bin die neue Direktorin für gesellschaftliche und rechtliche Verfolgung und für so etwas, ›wie geplanter Mord‹, stehen 10 Jahre Freiheitsstrafe an und nach Härte des Falls kann auch noch lebenslange Verwahrung dazukommen«, die Frau war auf dem Weg zur Tür und drehte sich noch einmal um. »Das war eine Warnung und seid euch doch mal selbst ehrlich ... Es ist doch scheiß egal, wer der Feuervogel ist. Wenn keine globale Gefahr besteht, wird er auch nicht zum Vorschein kommen und schlummert seelenruhig in Gary, bis er an Altersschwäche stirbt und er zum nächste springt!«, sagte sie noch und stieß die Tür auf.
Als sich die Tür hinter ihr schloss, nahm sie ihr Handy zur Hand. »Esther Willms, Direktorin für gesellschaftliche und rechtliche Verfolgung, Code Jako00237, benötige Protokoll 12. Wiederhole: Benötige Protokoll 12!«, sagte sie und schon meldete sich jemand an der anderen Leitung.
»Jou hier ist Jako00118, nenn mich ruhig 118. Du hast Protokoll 12 angefordert. Ist genehmigt. Ich brauche nur noch einige kleine Details, um wem es sich handelt, ob er oder sie womöglich, Schutzhaft benötigt! Hintergründründe und sonen Zeugs ... das Übliche halt und natürlich, wenn vorhanden, Informationen über die potenzielle Gefahr ...«
»Danke ... und es überrascht mich, dass Sie so schnell sind. Eigentlich hätte ich auf eine Antwort nicht vor morgen Früh gerechnet!«
»Jau ... es kommt daher, weil du eine hohe prioritäre Nummer besitzt ... und Vorrang hast, solltest du irgendein Protokoll jemals einfordern ... es steht da ... Also 237 ... ich befolge nur Befehle ... Sag an, ich mach ...«
Esther war vor 6 Monaten zur Direktorin gewählt worden und im Moment, hatte sie immer noch das Gefühl die Eingewöhnungsphase zu spüren. Aber als sie das Protokoll anrief und sie so schnell antworteten und es auch noch bestätigten, erkannte sie, dass ihre Eingewöhnungsphase nun vorbei war. Es war wirklich Zeit, sich wie eine Direktorin zu verhalten und atmete tief ein.
Sie brauchte auch nicht lange zu überlegen und übermittelte 118 alles, was er wissen wollte.
»Jou meine Liebe, ist gebongt. Im Normalfall habe ich die Informationen in weniger als einer Stunde. Bis dahin und ich ruf dich an, bye 237!« 118 legte auf und rieb sich die Augen.
»Tzz die Alte hat echt Nerven!«, murrte er.
»Welche Alte?«, wurde er von Kendrick gefragt.
»Die Witwe von Benny dem vorhergehenden Feuervogel. Echt, das ist doch nicht wahr, dass wir uns auch noch um so einen unbekannten Clan kümmern müssen?«
»Was beschwerst du dich ... du bist ein Teil von diesem Clan ... oder sehe ich da was falsch!«
»Hätte ich nur nichts gesagt ... ich Idiot und NEIN ich bin kein Teil von dem Clan. Meine Gefährtin ist ein Teil von dem Clan ... ich nicht ...«
»Und diese Gefährtin ist diese Frau, die soeben angerufen hat, mit dieser fabelhaften und sinnlichen Stimme! Wie kommt´s, dass sie dich nicht anhand deiner Stimme erkannt hat?«
»Hauptmann ...«
»Alles Gut, alles gut. Dennoch Clarins ... du weißt, dass du wegen deiner Zugehörigkeit zu diesem Clan, deine Befehle erhalten hast!«
»Ich gehöre dem Clan nicht an. Ich gehöre dem Clan der grauen Hornpferde an ...«
»Und deine Gefährtin dem Clan des Feuervogels ... ihr solltet mal eine Entscheidung treffen!«
»Hauptmann ...«
»Schon gut, schon gut!«, hob Kendrick entschuldigend die Hand und machte sich grinsend vom Acker. »Tzzz, ich möchte wissen, wie weit Shay alles durchdacht hat. Seine Intelligenz macht mir echt langsam angst!«, dachte er und zückte sein Handy.
»Jo Dornröschen ...«
»Nenn mich nicht Dornröschen!«
»Sei nicht so griesgrämig, du bist erst vor ein paar Stunden erwacht ... Dornröschen!«
»Halt die Klappe ... was gibts!«
»Die alte Willms hat ihren ersten Schritt getan, wie du es vorhergesagt hast, und Clarins wartet ein paar Stunden und übermittelt dann die angeforderte Information, wie du es gesagt hast!«
»Gut!«
»Jeahhh Cavon führt mit einem Hot-Dog ...!«, hörte Kendrick den Vize-Hauptmann der Bruderschaft Ian im Hintergrund schreien.
»Sag mal, was ist da bei euch los!«, fragte er.
»Hat dich nicht zu interessieren ... Ralf ... los ...!« Schon war aufgelegt und Kendrick lächelte fies. Sollte Shay sich nicht nach seinem ›ewigen Schlaf‹ erholen?
Nach ungefähr einer halben Stunde klingelte Kendrick an der Mitteltür und war in legeren Alltagsklamotten gekleidet. Er begrüßte Miriam und überreichte ihr eine Flasche Wein.
»Für was ist das?«
»Eine kleine Anerkennung ... Miri sag mal, was veranstaltet ihr da?«
»Oh nicht Weltbewegendes, es ist nur ein kleines Wettessen, was Ralf und Cavon immer gegeneinander machen.«
»So? Na dann bin ich mal gespannt!«, sagte er und trat in den Gang.
Shay kam aus Lans Zimmer, weil er schnell nach dem Rechten geschaut hatte und schloss die Tür leise. Ihre Blicke trafen sich und Shay schmunzelte leicht.
»Ich hätte nicht gedacht, dass es wirklich eintritt!«, murmelte Shay sehr leise, dass es nur Kendrick hören konnte.
»Ich frage mich, wie du das wissen konntest?«
»Hab ich nicht ... es war nur eine alternative Situation ... was passieren könnte.«
»Manchmal bist du echt unheimlich! Echt ... die alte Willms ... ich kapier es nicht! Wie hast du das gewusst?«
»Alte Willms? Wer auch immer ... es gibt immer noch welche, die sehr auf ihre Abstammung schauen und dies auf andere Projizieren wollen«, sagte Shay und Kendrick blickte ihn fragend an. Er verstand es nicht, wie Shay überhaupt auf so einen Gedanken kommen konnte, zumal er diesen Gedanken erst erwähnt hatte, als Gary von einem Werwolf gebissen wurde.
»Nun das mal beiseite, warum hast du Spaß? Solltest du nicht über deinen Donar wachen?«, fragte Kendrick. Leider bekam er keine Antwort. »Ist ja klar, dass er schweigt!«, dachte er, doch als sie das Wohnzimmer der Talfons betraten, musste Kendrick unwillkürlich schmunzeln. Es war nicht nur die kleine Familie versammelt. Er sah Akame, wie sie die Wettenden anfeuerte, Gary, der gerade herzhaft in ein Hot Dog biss und bei der Anfeuerung sich beinahe verschluckt hatte, den Vize-Hauptmann Ian, der Beverly auf dem Schoss sitzen hatte und Lan, der sich den schmerzenden Bauch, vor Lachen hielt. Aber das war nicht alles, als er zu seinem Bruder blickte, überkam ihm ein seltsames und friedliches Gefühl. »Diesen Ausdruck habe ich bei ihm schon ewig nicht mehr gesehen. Endlich ... endlich habe ich meinen Bruder wieder!«, dachte er und lächelte in sich hinein. »Willkommen zurück!«