Am nächsten Morgen begleiteten Sally und Mia ihren aussergewöhnlichen Gast wieder zum Park und versprachen, sich gegen Abend wieder dort einzufinden.
«Und du bist auch sicher, dass du gut alleine zurechtkommst?»
«Ganz sicher!» Sol lächelte und winkte dann ihren neuen Freundinnen nach, nachdem sie sich herzlich voneinander verabschiedet hatten. Ein warmes Gefühl breitete sich in ihr aus – sie hatte es bis anhin nicht gekannt.
Versonnen setzte sie sich auf eine Bank, schloss die Augen, genoss die Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht und spürte dieser Empfindung nach.
«Ob es das ist, was die Menschen Freundschaft nennen?»
Ein leises Rascheln liess sie aufzublicken.
Doch da war niemand zu sehen.
Dafür stand ein Korb voller Blumen neben ihr auf der Bank. Wunderbar blühende, duftende Blumen.
«Denkt daran, Wunder sind möglich!»
Sol lächelte. Und wieder wurde ihr warm ums Herz.
Innerlich dankte sie den Geschwistern, welche ihr dieses prächtige Geschenk gebracht hatten – in Seinem Namen.
Sorgfältig nahm sie eine Blume und steckte sie sich ins Haar.
Eine ältere Frau näherte sich ihr.
Entzückt bewunderte sie die Farbenpracht in Sols Korb.
«Kann man dieses Blumen kaufen? Oder zumindest ein paar? Sie sind so wunderschön!»
Sol lächelte und nickte.
«Bitte bedienen Sie sich!»
Zögernd blieb die Frau stehen. Dann fasste sie sich ein Herz und begann zu reden. Die ersten Worte kamen stockend, doch dann war es, wie wenn sich eine Schleuse geöffnet hätte.
Sol hörte aufmerksam zu, ohne die Frau zu unterbrechen.
Mit der Zeit beruhigte sich deren Redeschwall. Ein paar Tränen suchten sich ihren Weg durch ihr abgehärmtes Gesicht, dann wurde sie still. Tief atmete sie durch. Ein entspanntes Lächeln begann sich breitzumachen, ihre Augen fingen an zu leuchten.
«Sie sind ein Engel! Vielen Dank für Ihr offenes Ohr! Nun geht es mir viel besser!»
Sprach's, legte einen Geldschein in den Korb, nahm sich eine Blume und verschwand.
«Blumenfrau … hast DU das gemeint damals?»
Sol wandte sich nach innen.
Doch sie hatte keine Zeit, sich wirklich mit IHM zu unterhalten. Ein Schatten vor ihr liess sie aufblicken.
Ein junger Mann stand da, knetete verlegen seine Hände.
«Eigentlich habe ich mit Blumen nichts am Hut … aber …»
Er brach ab, blickte Sol hilfesuchend an.
Sie lächelte ihn aufmunternd an.
«Nun, es ist so … Meine Freundin erwartet ein Kind und ich … weiss nicht, was ich jetzt tun soll.»
Zusehends sicherer breitete der angehende Vater seine Sorgen vor Sol aus.
Still sass sie da und hörte ihm zu.
Dann schien er zu einem Entschluss zu kommen.
Erleichtert wandte er seinen Blick dem Blumenkorb zu.
«Bitte geben Sie mir einen Strauss. Ich möchte ihn meiner Freundin bringen und ihr damit zeigen, dass ich zu ihr stehe.»
Geschickt band Sol ein paar Blumen zu einem bunten Strauss zusammen.
Dankbar nahm ihn der junge Mann entgegen und drückte ihr dafür eine Geldnote in die Hand.
«Ich komme wieder», versicherte er, «und bringe dann meine Freundin mit.»
Als Sally und Mia am Abend in den Park kamen, fanden sie eine müde, aber zufriedene Sol neben einem leeren Blumenkorb sitzen.
«Den ganzen Tag kamen Leute», erzählte Sol ihren Freundinnen.
«Und alle hatten sie etwas auf dem Herzen. Die Not bei euch Menschen scheint sehr gross zu sein.»
«Die Frau hatte recht. Du bist ein Engel.» Mia strahlte Sol an. Sally strich ihrer Tochter über den Kopf und nickte.