Jeden Morgen begleiteten Sally und Mia nun ihren Gast, welche längst eine Freundin geworden war, in den Park.
Es hatte sich herumgesprochen, dass dort eine Frau die Gabe des Zuhörens besass und allen, die zu ihr kamen, eine Blume oder gar einen Blumenstrauss mitgab. So war es nicht verwunderlich, dass Sol manchmal bereits erwartet wurde, sobald sie mit ihren Freundinnen den Park betrat.
Dankbar öffneten die Menschen der aufmerksamen Zuhörerin ihr Herz und gingen dann getröstet und manchmal mit einer Blume im Haar oder in den Händen zurück in ihren Alltag.
Eines Tages, Sol ruhte sich gerade etwas aus, setzte sich jemand neben sie, sprach aber kein Wort. Sie spürte sogleich, wer es war, liess sich aber Zeit.
Dann öffnete sie die Augen und blickte ihren Gast ruhig an.
Er atmete schwer, nestelte nervös an seiner Jacke herum, liess seinen Blick unruhig herumschweifen.
Sol wartete ruhig.
Endlich räusperte sich der etwas korpulente Mann und begann dann leise zu sprechen.
"Ich … ich wollte mich entschuldigen. Sie wissen schon …
Ich … habe Sie äusserst unhöflich behandelt, als Sie neu in der Stadt waren. Unterdessen sprechen alle von Ihnen und dass Sie vielen helfen konnten."
Unruhig rutschte der Mann auf der Bank hin und her.
"Nun … ich habe nachgedacht. Der Herbst ist nicht mehr fern und dann können Sie nicht mehr den ganzen Tag hier sitzen, ohne sich zu verkühlen. Im Winter erst recht nicht. Also ...ich meine … wenn Sie meinen Laden immer noch wollen … Sie können ihn haben. Zu einem Spezialpreis.
Ich habe mit meinem Sohn gesprochen. Er wäre bereit, alle Wände neu zu streichen – auf meine Kosten, selbstverständlich. Wir müssten bloss wissen, in welcher Farbe.
Er – also mein Sohn – würde sich auch darum kümmern, dass die Heizung repariert wird. Mir wurde das alles schon lange zu viel … aber er ist jung und hat Kraft.
Und wenn Sie nicht genug Geld haben sollten … ich bin kein Unmensch … es gibt immer eine Lösung!"
Tief atmete der Mann aus, zog ein grosses Taschentuch hervor und wischte sich damit über seine schweissnasse Stirne.
Still ergriff Sol seine breite Hand und nickte lächelnd.
Als sie spürte, dass er sich von seiner Rede etwas beruhigt hatte, sagte sie leise: "Ich danke Ihnen von Herzen und nehme Ihr Angebot gerne an."
Dann band sie ihm einen Blumenstrauss und drückte ihn dem verlegen wirkenden Mann in die Hand.
Rasch stand dieser auf. Er schien über neue Kräfte zu verfügen.
"Ich komme wieder. Aber jetzt … jetzt will ich mit meinem Sohn sprechen. Und mit meiner Frau. Sie … wird sich über die Blumen freuen!"
Sprach’s - und weg war er.
Glücklich und dankbar blieb Sol noch einen Moment sitzen, bevor sie aufstand und Sally und Mia entgegenging, welche am Parkeingang auf sie warteten.
"Heute Abend wird gefeiert!" lächelte sie, während ihr Tränen der Freude übers Gesicht liefen.
"Juhuu! Feiern! Gibt es ein Eis?" Mia war begeistert.
Sally schloss ihre Freundin bewegt in die Arme.