Abermals standen sie vor der ihnen bekannten Trauerweide nahe Kathrins Zimmer.
Es war ... unheimlich still.
Nichts schien sich zu rühren.
Ihr Umfeld erbot sich sichtlich befremdlich. Die Jugendlichen spürten es auf der Haut. War es Furcht, der ihrer selbst entsprang, oder fühlte sich so die Gegenwart - die Feindseligkeit - DEABRUS an?
Es drang kein Laut an ihre Ohren. Kein Zirpen der Grillen, noch das übliche rauschen des Windes, der durch den Baum strich.
Kathrin und Jona spürten eine Hand auf der Schulter, welche sie drängte. Voraus. Näher an diesen vermaledeiten Baum heran, dessen Äste nun wie lustlos herabhingen. »Geht. Geht, solange er ruht. Seine Macht wächst mit jeder Minute, die ihr zaudert. Spürt ihr es denn nicht?« Die Stimme des alten Druiden mahnte eindringlich, doch schwang in dieser noch etwas anderes, als die Sorge um eben jene Welt, in welcher sie lebten.
Mira begann am gesamten Leibe zu zittern, als der Mann sie weiter drängte. Sie stand direkt vor ihm und konnte nirgends ausweichen.
Egal was die Drei gedachten anzustellen, nichts dergleichen wäre ihnen je gelungen. Laut schreien vielleicht? Niemand hätte dies jemals mitbekommen.
Weglaufen stand ebenso wenig zur Wahlmöglichkeit. Wenn nicht der Druide, so dann Es. Einer würde sie aufspüren - finden und mit ihnen anstellen, was ihm beliebe. Wer von beiden gefährlicher geworden wäre, schien nicht gänzlich geklärt.
Eines hingegen kroch ihnen deutlichst ins Bewusstsein. Der alte Mann. Dieser ominöse Druide war nicht nur anders als alle ihnen bekannten Menschen. Zeigte er sich anfangs einfühlsam gar väterlich, spürten sie nunmehr eine Wesensart gänzlich andersartiger Natur.
»Bitte«, stammelte Mira, als sie vergebens versuchte sich gegen die Kraft in ihrem Rücken zu erwehren. »Ich kann das nicht ...« Ihre Stimme barg deutlich Entsetzten, welches sie in sich trug.
»Stelle dich deinen Ängsten und du wirst als Gewinnerin hervorgehen«, trotzte ihr druidischer Meister ihren Worten und schob sie einfach weiter. Immer näher in die Reichweite der zu erwartenden Umarmung.
»NEIN, nein, nein ...« Ihr Kopf wog von rechts nach Links, als sie begann, mit den Armen zu rudern.
»Was wehrst du dich Subalterne! Stelle dich deinem Bruder. Er ist der Schlüssel«. Erbot er schroff und schubste sich vor sich her. »Er ist dein Schlüssel zur Ewigkeit!«
Mira stolperte vor, fiel beinahe auf alle viere.
Jona sah alarmiert auf. »Bruder?« Er sah irritiert hinüber zu dem Baum und zurück. Er erblickte in sich verdüsternde Züge. So war das also?
Ehe er sich versah, griff die Hand des was auch immer, wie ein Schraubstock zu. Fest und unbeirrbar hob er Jona und Kathrin wie kleine Kinder in die Höhe.
Mit strampelnden Beinen trug er beide zu Mira, die verängstigt in der Hocke auf und ab wippte. Er sprach Worte unbekannten Tonals wie Sprache. Sie klang Gutural. Brachial, fast schon schmerzend in den Ohren.
Sie schrien. Aus Leibeskräften pressten sie ihre Furcht heraus, als Hände nach ihnen griffen, die nicht hätte da sein dürfen.
Die Welt um sie herum veränderte sich. Zusehend und begleitend von hämischem Gelächter.
Eine Stimme erklang. Eigenartig beruhigend. Diese vermittelte bei dem Anblick von Blut, zerfließenden Runen und sich windenden Extremitäten, so etwas wie einen heimlichen Pol der Vernunft. »Er tat es abermals. Um mich zu binden, meinen Hunger zu stillen, gereicht er mir erneut Funkenträger. Anstatt euch zu bilden, zu führen und zu lenken, entzieht er sich der unausweichlichen Konfrontation.« Diese Stimme glich Ähnlicher, die Jona bereits zu hören glaubte, nur schien dieser nicht ganz so erzürnt wie zu jener Situation.
»Ja. So und nicht anders Jona. Es sind die Künste der Verleitung. Böse und niederträchtig. Er zwang mich, um die Perioden zu überdauern, mich von dem zu nähren, was ich seit Zeiten gedenken verabscheue. Er verändert Gedanken, sobald die Epoche der Auseinandersetzung naht. Es tut mir leid. Niemand wird euch jemals finden. Kein lebender wird sich erinnern. Ihr werdet sein. Ich werde sein. Ihr werdet mich nähren.«
Wie aus weiter ferne erscholl abermals das ihnen begleitende Gelächter des seltsamen Druiden, der nur vorgab zu sein was der andere war. Er war es. Die gesamte Zeit über. Jener, der hätte sein sollen, wo sie nun waren. »Bruder! Bruder, du warst stets der Schwächere. Selbst mit untertan der Christen konntest du mich nicht fesseln. Ich ergötze mich an dem, was dich am Leben erhält. Friste, wo du und deinesgleichen mich hattet fesseln wollen. Friss, was ich dir biete. Ich nehme mir von den Lebenden - in Ewigkeit, denn ich bin DEABRU!«