Du bist Arthrax Sundergeer.
Du machst ein paar Schritte vor und bleibst dann stehen. Nur einen Augenblick später hält Elred dich am Oberarm fest und zischt: „Nicht!“
Mit einem leisen Knurren schüttelst du die Hand des Elfen ab, den Blick auf die Bühne gerichtet, wo der Priester soeben ein Kind nach vorne führt. Dort hebt er den gezackten Dolch in die Höhe.
Du siehst, wie die Schultern des Kindes beben. Die Gemeinschaft der Wissenssammler stimmt einen monotonen, murmelnden Gesang an, doch trotzdem hörst du, wie das Kind vorne fleht: „Nein, bitte nicht! Bitte! Mama! MAMA!“
Der Priester senkt den Dolch auf das Brustbein des Kindes und drückt die Waffe ganz langsam nach unten in das Fleisch des Jungen.
Dieser schreit und greift nach dem Arm des Priesters, doch richtig wehren kann das Kind sich nicht. Du siehst das Blut hervorsprudeln und presst die Kiefer so fest aufeinander, dass deine Zähne knirschen.
„Solche Barbaren!“, flüstert Elred entgeistert, der einen halben Schritt hinter dir steht.
Du kannst den Blick nicht abwenden, als die Gegenwehr des weinenden Kindes langsam erschlafft. Sein Blut rinnt durch Kanäle im Boden.
Dir ist schlecht. Doch die Wissenden hören nicht auf. Weitere Opfer werden nach vorne geholt, jedes davon tötet der Priester mit einem langsamen Stoß von oben in den Bereich zwischen Hals und Brustbein. Die gesamte Zeit über erklingen diese seltsamen Gesänge, von denen dir langsam schwindelig wird, und dringen seltsame Gerüche durch den Raum. Doch das seltsamste sind die Opfer: Zehn weitere Priester bewachen sie und führen sie nacheinander nach vorne. Doch obwohl viele der Säuberungsopfer flehen, weinen und betteln, so wehren sie sich nicht. Als ob sie unter einem Bann stehen würde. Ein Schauer läuft dir über den Rücken.
Gemeinsam mit Elred verhältst du dich still und wartest ab, während die Zeit verrinnt. Ihr seid bestimmt schon eine Stunde hier unten. Hast du dich für das falsche Gebäude entschieden? Habt ihr noch eine Chance, den Schöpferstein zu finden?
Du willst Elred gerade danach fragen, als die Wissenssammler die Intensität ihres Gesangs plötzlich erhöhen. Ein Knirschen ertönt und der Boden vibriert. Offenbar wurde ein Mechanismus aktiviert.
Du und Elred seht euch nervös um, doch es hebt sich nur ein breites Stück der vorderen Steinwand in die Höhe. Die verborgene Pforte schloss so nahtlos mit der restlichen Wand ab, dass du die Ritzen nicht bemerkt hattest. Nun öffnet sich eine Kammer, in der vielleicht zehn Priester eng gedrängt Platz finden würden. Darin erhebt sich eine schmale Statue. Sie zeigt einen Mann in den Gewändern der Wissenden, doch auf jeder Bandage ist in feinsten Reliefs etwas eingemeißelt – Szenen von Kriegen und Verhandlungen, Jagdgruppen oder Wanderungen, doch auch Landschaften und einzelne Waffen und Gegenstände. Soweit du es erkennen kannst, werden dort wichtige Ereignisse aus der Geschichte der Jenseitslande und von Kalynor dargestellt: Historische Ereignisse genauso wie bahnbrechende Erfindungen.
Doch das ist es nicht, was deine Aufmerksamkeit fesselt, sondern das, was die Steinfigur vor dem Bauch in den hohlen Händen trägt: Ein moosgrüner, glatter Halbedelstein, eingefasst in eine silberne Halterung mit einer daran befestigten Kette.
„Der Schöpferstein!“, haucht Elred wie verzaubert.
Du …
- … stürmst auf den Schöpferstein zu. Lies weiter bei Kapitel 20.
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- … wartest lieber noch ab, was passiert. Lies weiter bei Kapitel 21.