Hausarbeit und besonders Wäsche waschen kann schon recht ätzend sein, aber was macht man oder auch frau nicht alles, um zum einen gut auszusehen und zum anderen gewisse gesellschaftliche Normen zu erfüllen. So bestückte ich die meinige Höllenmaschine mit leidlich verschmutzter Kleidung, gab ein gewisses Quantum der von mir bevorzugten Reinigungs- und Waschmittel hinzu, sprach hernach die notwendigen Beschwörungsformeln, die auf ein gutes Gelingen hinwiesen, und ließ die Waschmaschine ihr zugedachtes Werk, nämlich waschen, vollbringen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass mich meine Nachbarin für reichlich absonderlich hält. Das kann sie gerne tun und ich lasse auch nichts unversucht, sie in diesem Irrglauben zu bestärken.
Es war nun wieder einer dieser Tage, da ich mit einer mir eigenen kühnen Miene unverständliche Worte in Richtung Lavamat sprach, als mir dieses Blatt Papier auffiel. Es war schon ein überaus seltsamer Zettel, der wie aus dem Nichts sanft wiegend zu Boden glitt. Als ich ihn denn greifen wollte, bäumte er sich tatsächlich noch einmal auf und flatterte vorwitzig in den Korb, den ich im allgemeinen zum Transporte der Wäsche nutzte. Dort konnte er sich einem Zugriff meinerseits nicht mehr weiter entziehen und nun war es mir möglich, ihn näher in Augenschein zu nehmen.
Da war sie wieder, diese äußerst feine und geschwungene Handschrift, die ich bereits von der vortrefflichen Einladung zu dieser erfreulichen Veranstaltung der Tanzlustbarkeit her kannte. Jedoch im dämmrigen Lichte der hauseigenen Waschküche war es zunächst recht mühselig, die mir zugedachten Worte zu entziffern. Aber ich wäre nicht ich, wenn es mir nicht doch noch gelungen wäre.
Friede und Wohlergehen.
Ich entbiete Euch meinen Gruß mit der Bitte, alsbald in das Land Shambala zu reisen, um uns gegen allerlei Ungemach zu unterstützen.
Oberster Schamane
Shambala. Da war etwas in meinem Hirn abgespeichert und ich erinnerte mich wieder an das Land der Schamanen und Tierwesen. Vor etlichen Jahren hatte ich dort mit den Herren Vier Winde und Allibastor einige spektakuläre Abenteuer erlebt. Jetzt sollte ich erneut dort hinreisen, da man meine Hilfe benötigte? Es schien mir reichlich seltsam, denn normale Con-Einladungen erreichten mich früher via E-Mail oder gar über ausgelegte Flyer in den Tavernen. Manchmal sprachen mich auch Freunde an, um mich zum Larp mitzunehmen. Wieder betrachtete ich dieses Blatt, diese Einladung oder gar Hilferuf, der mich quasi aus dem Nichts heraus in meiner Waschküche gefunden hatte.
Mir kam es so vor, wie in diesen Fantasy-Filmen, in den die Helden durch einen Spiegel oder durch ein magisches Portal in eine andere Welt eintraten. Sollte mir gerade jetzt so etwas widerfahren? Wenn dem tatsächlich so wäre, dann müsste ich meiner Nachbarin recht geben, ich wäre dann seltsam und absonderlich, vielleicht auch skurril oder vermutlich schrullig. Aber eines wäre ich gewiss nicht, normal. Erleichtert atmete ich auf, als dies endlich geklärt war.
So war ich frohen Mutes und hub an, mich für mein Abenteuer in Shambala zu rüsten. Beschwingt nahm ich die Stufen hinauf in meine Wohnung, um die notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Zuerst natürlich Kleidung, die einem Abenteuer angemessen war, deshalb entschied ich mich für Hose und Tunika aus groben Leinen, dazu den wollenen Mantel und filzenen Hut gegen das launische Wetter. Hernach legte ich den Gürtel, auf den ich Taschen, Schwertscheide, Hornhalter fädelte, dazu, und natürlich daneben mein Schwert und das Trinkhornli. Schnell schaute ich in die Beutel am Gürtel, damit ich auch alle Utensilien, die ich benötigte, dabei hatte. Noch Kräuter und Tränke gepackt, falls die Heilmagie sich als tückisch erweisen sollte, was in Shambala mitunter passieren konnte.
Zum Schluss kam die für mich wichtigste Tasche, die mit dem Kleinkram, dem Firlefanz, dieses vermeintlich unnütze Gedöns, das uns das Leben als Magier durchaus erleichtern oder auch uns einfach nur erfreuen konnte. Nun ja, ich gebe zu, dass meist Zweiteres zutraf. Aber meine Tasche war ja auch schon legendär in den Mittellanden, da ich wirklich alles dabei hatte, was man zum Lösen des Abenteuers oder zum Vertreiben der Langeweile benötigte. Und so war ich als Spaßmacherin weithin bekannt, dass mich die Unholde, und natürlich auch die ernsthaften Helden, oft unterschätzten, dass sie nicht wussten, wie ihnen geschah, wenn sie es mit mir zu tun bekamen. Es erklärt sich von selbst, dass ich derlei Missverständnisse und Fehleinschätzungen grundsätzlich nie aufklärte. Warum auch. Es war mein kleiner persönlicher Spaß, den ich mir mit allen erlaubte, in der Gewissheit, dass sie mir den oft derben Scherz vergäben.
Als nahezu fast alles vorbereitet war, überlegte ich, wo denn die Stätte des Abenteuers wäre. Shambala war ja klar, aber wo war der Ort? Oder sollte es gar wie bei der Einladung zum Feste sein, dass ich auf wundersame Weise in die Aventüre gezogen werde und in Form und Gestalt Tanuky zu Tanabe sei? Wenn dies geschehen sollte, dann führte der Weg nach Shambala mit allergrößter Wahrscheinlichkeit durch meine eigentlich gänzlich unmagische Waschküche, quasi vorbei an der Höllenmaschine von Lavamat, der mit viel Radau und Geklapper den Übergang begleitete oder vielleicht sogar erst ermöglichte.
Als ich dann für das Abenteuer gekleidet und ausgerüstet, wir nannten es damals spaßhaft aufgerödelt, war, nahm ich meinen Proviant und gürtete mein Schwert und schritt wohlgemutes und voller Tatendrang in die Waschküche, selbstredend ignorierte ich die verstörten Blicke meiner Nachbarin. Ein fröhlich Liedlein summend grüßte ich sie zum Abschied und ging den Aventüren in Shambala entgegen. Gerne hätte ich davon berichtet, wie ich in den roten Sonnenuntergang ritt, aber dies ist nicht so eine Geschichte und außerdem nenne ich kein Pferd mein eigen. So begnügte ich mich damit, durch den Schleier zu treten, um das verzauberte Land Shambala zu erreichen.
Irgendwann war das Klappern und Randalieren der Waschmaschinen in weiter Ferne verklungen und machte neuen Geräuschen platz. Zwitschern von Vöglein hätte ich als erbaulich empfunden, doch vernahm ich keinen Laut, den sonst die Tiere in Wald und Flur von sich zu geben pflegten. Dies kam mir schon recht absonderlich vor, schien doch das Klagen und Heulen des Windes von dem nahenden Unbill zu künden. Während ich den Pfad entlangschritt, hörte ich alsdann Stimmen, die mir seltsam vertraut waren. Kaum bog ich um den Felsen, stand dort der Herr Vier Winde, wie er einem vermutlich einheimischen Bauern die Welt erklärte.
„Sanfte Grüße auch dir“, rief ich erfreut aus.
„Nuknuk, meine Lieblingsfüchsin“, entgegnete er, „was verschlägt dich hier her?“
Noch ehe ich antworten konnte, war ich im Schraubstock seiner Umarmung, die mir jegliche Luft zum Atmen raubte. Als er mein gequältes Lächeln sah, lockerte er seinen Griff, dass ich endlich etwas erwidern konnte.
„Mich erreichte eine magische Botschaft des Obersten Schamenen. Vermutlich haben wir ein PAL.“ Ich schenkte ihm mein schönstes Grinsen.
Seine Augen weiteten sich.
„Gewiss, ich erhielt ebenso eine Nachricht. Es schien gar dringlich, da sich Unholde oder übles Gezücht hier herumtreiben.“ Berichtete er von seinem Grund für die Reise.
„Doch was ist ein PAL?“ Fragte er dann.
Oh, verdammt. Da war ich doch noch zu sehr ich und nicht ganz mein Tanuky ich. Wie konnte mir das nur passieren? Insgeheim tadelte ich mich für ein derart sträfliches Verhalten. Schnell suchte ich nach einer Ausführung, die die Zweifel des Herrn Vier Winde zerstreuten.
„Oh, auf meinen Reisen hörte ich derlei“, hub ich an zu erklären, „in den Tavernen spricht man davon. Es ist die Bezeichnung für das, was uns Abenteurer und Helden meist umtreibt, die Probleme anderer Leute oder eben kurz PAL genannt.“
Verstehen war in seinen Augen und er nickte eifrig.
„Oh ja, gewiss, es handelt sich hier bestimmt um eines dieser PAL.“ Er war scheinbar hocherfreut, einen neuen Ausdruck erlernt zu haben, da er sich mitunter von den eloquenten Abenteurern ausgeschlossen fühlte. Er war ja auch eine ach so simple Seele und von geringer Geburt und Stand, doch wohlwollend von Charakter und Gemüt.
Vier Winde brachte seine Belehrung des Einheimischen zu Ende, um sich dann mit mir gemeinsam auf den Weg zum Obersten Schamanen zu machen. Während der Wanderung beratschlagten wir darüber, was es wohl mit dem Hilfeersuchen auf sich hatte. Natürlich spekulierten wir auch darüber, welche anderen Helden und Abenteurer sich ebenfalls hierher bewegten, um tat- und schlagkräftig die Schamanen zu unterstützen. Auf der anderen Seite gab es gewiss allerhand zwielichtiges Gesindel, das durch vermeintliche Schätze angezogen wurde.
Die Sonne stand schon tief, als wir endlich den Cearn, das zentrale Heiligtum der Schamanen, erreichten, doch statt einer freudigen Begrüßung erwartete uns eine angespannte und gedrückte Stimmung. Irgendetwas stimmte hier nicht, doch keiner der Anwesenden konnte uns genau erklären, was Ursachen des allgegenwärtigen Ungemachs war. Mittlerweile war eine Menge an fahrendem Volk und mehr oder weniger berühmter Helden an der Stätte eingetroffen. Sogar die Herren Allibastor von Azul und Lorian Talingor, seines Zeichens Schamane mit Wolftotem, beteiligten sich an den Gesprächen, die jedoch an diesem Abend nicht zur Klärung der Situation führten.
So begaben wir uns zur wohlverdienten Ruhe in die uns zugewiesenen Gemächer, da uns die Reise mehr angestrengt hatte, als wir zuerst vermutet hatten. Nach einem traumlosen Schlaf erwachte ich am nächsten Morgen, doch war ich weit weniger erfrischt, als ich es sonst von mir gewohnt war. So war ich auch etwas unleidlich, als ich die anderen in der Taverne zum Morgenmahl traf. Gerne hätte ich ein stärkendes Getränk zu mir genommen, doch bedauerlicherweise gab es nur heißes gefärbtes Wasser, denn den Namen Tee verdiente diese Brühe bei bestem Willen nicht. So schlimm stand es also um das herrliche Land Shambala.
Es waren natürlich die Herren Lorian und Vier Winde die als bald loszogen, das hereingebrochene Unheil zu ergründen, um hernach ein geeignetes Mittel zur Bekämpfung des selbigen zu ersinnen. Demnach gab es für mich erst einmal nichts Wichtiges zu tun, sodass ich mich mit dem Herrn Allibastor in einen Diskurs um allerlei magischen Kram begeben konnte. Wir erdachten den einen und natürlich auch anderen Zauber, den die Welt gewiss nicht brauchte, um ihn dann im gegebenen Moment zur Belustigung aller zu offenbaren. Denn wir hatten auf unseren Abenteuern erkannt, dass es gerade die nutzlosen Zauber waren, die uns der Lösung eines PALs, um das handelte es sich hier eindeutig, ein gewaltiges Stück näher brachten.
Unser Zauberkunststück war schon derart weit gediehen, dass wir es an einem ungewollt Freiwilligen hätten probieren können, als die Herren Lorian und Vier Winde wieder zu uns stießen, um uns Kunde über ihre Forschungen zu bringen. Sie faselten etwas von Insekten und was diese mit der Situation zu tun hätten. Mir erschloss sich leider nicht die Logik, warum gerade die Insekten immer die Bösen in der Geschichte waren. Vermutlich lag es daran, dass sie nur halb so niedlich wie pelzige Tiere waren, aber stellte das einen ausreichenden Grund dar, um garstig zu werden und anderen ihr Glück zu neiden. Wie auch immer, so lauschten wir mit dem notwendigen Ernst den Ausführungen des Herrn Vier Winde und ebenso dem Vorschlag des Herrn Lorian, was wohl als Nächstes zu tun sei. Obwohl selbst Schamane, hatte dieser keinerlei Bedenken oder gar Skrupel mit der notwendigen Gewalt ans Werk zu gehen.
Nun denn, die geplante Schlacht war denn eher er Scharmützel und entpuppte sich in seinem Ergebnis als Fiasko. Üble Scharten, diverse verrenkte Glieder und einen gebrochenen Zeh hatten wir zu beklagen, also nichts, was nicht mit ein wenig Spucke und vielleicht auch Heilmagie zu richten gewesen wäre. Da der glorreiche Plan Lorians nicht wirklich aufging, griff man dann doch auf die Theorien eines Herrn Allibastors zurück, die ich natürlich in meiner unverbesserlichen Art ein wenig, und wirklich nur ein kleines Bisschen, mit beeinflusst hatte.
So wurde ein erneuter Plan ersonnen, der die Besonderheiten Shambalas und die damit verbundenen vormaligen Schwierigkeiten aufs Genauste berücksichtigte. So waren die Helden und natürlich Herr Allibastor davon überzeugt, dass es nur die Schamanen als solche und gar im Speziellen es vollbringen vermochten, das PAL in adäquate Art und Weise zu lösen. Nun denn, als es dann Mitternacht wurde, hatte das schamanische Ritual sein Ende gefunden und die Bemühungen wurden alsbald von Erfolg gekrönt.
Eingedenk des glorreichen Ergebnisses gönnte ich mir selbstverständliche das eine oder andere stärkende und auch geistreiche Getränk, welches mir half, die ach so köstlichen Speisen standesgemäß herunterzuspülen. Oh ja, mit dem neu erdachten Zauber, den ich dann mit dem Herrn Allibastor an den unterschiedlichen Helden vollführte, wurde es noch ein gelungenes und ausgelassenes Fest. Irgendwann fand ich natürlich den Weg in mein weiches Bett, ja wie immer alleine, denn auch wenn die Herren etwas anderes wünschten, wollte ich keinen in meinen Gunstbezeugungen vorziehen.
Wie war ich dann doch verwundert, als ich des morgens erwachte, nicht darüber, dass ich weiterhin alleine in den Kissen lag, sondern vielmehr, dass ich mich scheinbar in meiner mir eigenen heimischen Wohnung befand. Meine Ausrüstung lag, wie es meine Art auf Abenteuerfahrt war, fein säuberlich neben dem Bett auf einem Stuhl drapiert, das Schwert natürlich griffbereit. Auch meine Kleidung war sorgsam zusammengelegt, wie es sich allgemein gehörte. Etwas unschlüssig kramte ich in meinen Hirnwindungen, ob das Aventüre nun ein Traum oder gar doch in Wirklichkeit und natürlich in Farbe stattgefunden hatte. Aber es wollte sich kein befriedigendes Ergebnis einstellen. Nun denn, irgendetwas wird schon der Wahrheit entsprechen und so werde ich mich mit Freuden an die schöne Zeit mit meinen Helden und Freunden in Shambala erinnern.