Da saß ich nun und die Augen aller waren auf mich gerichtet. Gerne hätte ich gesagt, dass mir einer der anwesenden Personen vertraut vor kam, aber dem war leider nicht so. Verdammt, was machte ich nur hier. War es der Kick des Abenteuers, das ich der unverschämten Einladung gefolgt war?
„Du bist also Tanuky“, sprach mich der Typ hinter dem massigen Schreibtisch an. Er musterte mich aus Augen von unergründlicher Farbe. Er griff nach einem Plex, das er dem Hünen reichte, damit ich es mir wohl anschauen sollte. Irritiert bemerkte ich seine Hand, an der mehr Finger waren, als es sein sollten. Außerdem waren sie unnatürlich lang.
„Weißt du, was das ist?“ Wollte er dann wissen und riss mich so aus meinen Betrachtungen. Fasziniert starrte ich auf das Plex. Es schien völlig normal und harmlos. Sacht strich ich mit dem Finger darüber, als ich eine kaum wahrnehmbare Elektrizität registrierte. Unwillkürlich musste ich lächeln.
„Wer das hergestellt hat, ist ein wahrer Künstler“, sagte ich voll Anerkennung.
„Aber was ist es?“ Der Typ hinter dem Schreibtisch wurde langsam ungeduldig.
„Gemach“, beschwichtigte ich ihn. So setzte ich meinen Hut ab und die Ledermaske auf. Oh ja, nun konnte ich die Magie im Innern genau sehen. Was mich jedoch über die Maßen erstaunte, war die Tatsache, dass die sichtbare Schrift mit der magischen Einbettung übereinstimmte. Reichlich seltsam.
„So wie es aussieht, ist es ein Rezept für vorzügliche Plätzchen“, gab ich das Ergebnis meiner Untersuchung an.
„Das sehe ich auch“, der Typ wurde nun ziemlich ungeschmeidig, „erzähle mir, was ich noch nicht weiß. Was ist es?“
„Es ist soviel Magie eingebettet“, fuhr ich dann fort, „dass es vermutlich kein normales Plätzchenrezept ist.“
Ich schaute ihm direkt in seine Augen. „Hat das schon jemand gebacken? Ich meine nach diesem Plex und nicht von einer Kopie.“
Die Anwesenden schauten mich, gelinde gesagt, reichlich blöde an.
„Macht das denn einen Unterschied?“ Fragte mich nun der Kerl im anderen Sessel, von der Stimme her hatte er mich wohl hierher gelotst.
„Das Ding ist so magisch“, belehrte ich ihn, „dass es sehr wohl einen Unterschied machte. Vermutlich wird durch die Zubereitung der Zauber erst ausgelöst.“
„Und? Was ist es?“ Wollte der Typ am Schreibtisch wieder wissen.
Langsam hatte ich das Gefühl, dass seine Platte hakte oder einen Sprung hatte, dass er keine andere Frage stellen konnte.
„Ein Plätzchenrezept“, wiederholte ich meine Einschätzung. „Wenn du mir etwas Zeit lässt, könnte ich noch einige Analyse durchführen.“
Seine Augen färbten sich langsam rot, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Nettes Gimmick, dachte ich nur.
„Was brauchst du dafür?“, fragte er nur knapp, aber ich merkte, wie er langsam reichlich ungehalten wurde. Vermutlich war dies auch noch sehr geschmeichelt, denn eigentlich war er deutlich angepisst.
„Zeit und Ruhe“, erwiderte ich. „Natürlich könnte ich es auch ausprobieren und sehen, was dann geschieht.“
Ich lächelte ihn sanft an.
„Dann benötige ich zu dieser Liste“, ich deutete auf das Plex, „eine funktionstüchtige Küche.“
Doch er schnaubte nur verächtlich. Dann schaute er zu meinem Kumpel, wahrscheinlich war er es, wenn ich auch noch nicht genau wusste welcher, aber egal.
„Wie verrückt ist sie?“ Wollte der Typ dann wissen, während sich seine Augen purpur färbten.
„Auf einer Skala von 1 bis 10?“, mein Kumpel grinste süffisant, „möglicherweise 17.“
Oh, er kannte mich wirklich zu gut. Fieberhaft überlegte ich aus welchem der vielen Abenteuer. In Gedanken ging ich die Namen und Personen durch, mit denen ich schon einen Run veranstaltet hatte, doch kam ich nicht zu einem befriedigenden Ergebnis. Ein Umstand, der mich über die Maßen fuchste, um im Bilde zu bleiben.
Kurze Zeit später fand ich mich in der Küche eines der kleinen Cafés in der Mall wieder. Alle benötigten Zutaten waren in einer Kiste und standen für mich bereit. Von einem Haken nahm ich mir eine Schürze, setzte wieder die Maske auf und machte mich ans Werk. Sorgfältig wog ich die Zutaten ab und bemerkte dabei, dass sich die Aura des Plex veränderte. Das war wahrlich interessant. Als ich zu kneten begann, konnte ich mit meiner Maske das Pulsieren der magischen Energien erkennen.
„Und?“, fragte mein Kumpel, „geschieht schon irgend etwas?“
Erstaunt blickte ich ihn an. Wenn er nichts sah oder bemerkte, war das Wirken der Magie für Unbeteiligte nicht sichtbar. Sehr perfide.
„Eigentlich ja“, meinte ich nur.
„Du siehst wirklich nichts?“ Wollte ich zur Vorsicht dennoch wissen.
Er schüttelte seinen Kopf, als der Typ mit den verrückten Augen und Händen zu uns kam.
„Was ist es nun?“ Stellte er zum xten Mal dieselbe Frage.
„Das weiß ich erst, wenn es fertig ist“, versuchte ich ihn zu beruhigen.
„Es sieht aus, wie vorher auch“, meinte er dann nur gelangweilt, als wenn diese Aktion vollkommen sinnlos wäre.
„Nein Fred“, widersprach mein Kumpel, „sie meint, dass da die ganze Zeit was passiert.“
Skeptisch beobachtete er mein Werkeln, wobei seine Augen wieder einen Stich ins Rötliche bekamen und seine Augenbrauen verdächtig zuckten.
„Ich denke“, versuchte ich eine Erklärung, „dass durch die Zubereitung die Magie in das Produkt fließt, also das Gebäck magisch aufgeladen wird. Wenn es dann verzehrt wird, löst das anscheinend den Zauber aus.“
„Verstehe ich das dann richtig“, sprach er gedehnt, „dass du dann quasi im Selbstversuch einen Keks verspeisen wirst?“
„Genau das“, bestätigte ich ihm und lächelte ihn euphorisch und voller Tatendrang an.
„Aber es sind keine Kekse, es sind Plätzchen“, konnte ich mir ein Klugscheißen nicht verkneifen.
„Sie ist noch verrückter“, seufzte Fred und mein Kumpel kicherte nur irre.
Flink rollte ich den Teig aus und stach mit meinem Lieblingsfuchsausstecher kleine Plätzchen aus. Im Augenwinkel bemerkte ich Freds missbilligenden Blick. Nun denn, so nahm ich natürlich auch noch eine weniger extravagante Form und füllte ein weiteres Blech damit. Hernach verschwanden die Rohlinge im Backofen und ich konnte die Magie beobachten, wie sie im Gebäck zu wirken begann. Erwähnte ich, dass ich den Erschaffer des Plex für einen Künstler hielt? Oh es war ein phantastischer Zauber, so wohldurchdacht und einfach anzuwenden. Es erfreute wahrlich mein Herz. Kurz stutzte ich, Moment, eigentlich war der Zauber einfach nur cool, voll krass oder doch fett, so simpel und trotzdem genial. Was war eigentlich gerade das korrekte Wort dafür?
Schon bald war die Küche von einem herrlichen Duft erfüllt, der mich an die alten Erzählungen über das Julfest erinnerte. Auch hatte ich das Gefühl, als wenn geradewegs ein etwas dicklicher älterer Herr in roter Kleidung durch den Raum liefe und permanent Ho-Ho-Ho riefe. Aber dies war offensichtlich nur eine Halluzination. Oder doch nicht, wie mich der etwas irritierte Blick meines Kumpels glauben ließ.
„Oh, das ist neu“, meinte auch Fred, der auf den durchscheinenden Mann starrte.
Ein wissendes Lächeln huschte über mein Gesicht. Natürlich, wenn man Magie ohne die notwendigen Komponenten und Zutaten betrieb, wurde das ja auch nichts. So wie das Plex ausgelegt war, war es auch keine einmalige Sache. Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, erwähnte ich die Sache mit dem Künstler? Es machte mir eine große Freude, diesen Zauber zu probieren. Natürlich auch die Plätzchen, wenn sie denn fertiggestellt wären.
Das Klingeln des Zeitmessers signalisierte das Ende das Backvorgangs, dann brauchte ich das Gebäck nach dem Abkühlen ja nur noch mit fruchtiger Himbeerkonfitüre zu füllen und mit noch köstlicherem Schokoladenguss zu überziehen. Eigentlich war dies kein Hexenwerk oder gar Magie, aber dieses Mal dann doch schon. Natürlich bemerkten die Männer, dass es mir eine unbändige Freude bereitete, aber so war ich nun mal.
Unter der Befüllung des Gebäcks wurde die Küche mit immer mehr jul-festlichen Gestalten bevölkert. Als dann der Schokoladenguss zum Einsatz kam, stand auch noch eine Gruppe Sänger am Ofen und trällerte ununterbrochen festliche Lieder, die dem Anlass angemessen waren. Das Gewusel war schon beachtlich. Der Erschaffer konnte extrem stolz auf sich sein, das Ergebnis konnte durchaus gefallen. Obwohl es mir langsam auch zu viel wurde.
Nun denn, so fehlte nur noch der letzte Akt. Die Verköstigung.
„Wer möchte mir in den Kaninchenbau folgen?“ Herausfordernd blickte ich die zwei Herren an. „Wahlweise auch ins Winter-Wunderland.“
Fortsetzung folgt...