Während wir darauf warteten, dass Prosper zu uns stieß, sprachen wir darüber, wie sich eine Modifizierung des Rezeptes auf den Trip auswirkte. Ein Kontingent wurde mit weniger Zucker und ein weiteres zusätzlich ohne Zimt in der Gewürzmischung zubereitet.
„Wir werden sie wohl testen müssen“, teilte ich Cornelius mit, der von dieser Aussicht alles andere als angetan war. Ich hoffte für ihn, dass er irgendwann doch noch Gefallen an unseren Abenteuern fand. Es würde unsere Arbeit auf jeden Fall um einiges erleichtern.
Aufmunternd schaute ich ihn an und griff nach den zuckerreduzierten Plätzchen, um mir eines zwischen die Zähne zu schieben. Bei weniger Zucker, dachte ich an eine weniger süße Umgebung, um im Bild zu bleiben. Vielleicht wären auch Monster anwesend. Der Geschmack ließ einiges zu wünschen übrig. Mit diesem Rezept lockte man wirklich keinen hinter dem Ofen vor. Als widerlich wollte ich es nun nicht bezeichnet, traf es aber beinahe, doch durch die Gewürzmischung war es dann doch noch einigermaßen annehmbar. In Gedanken wollte ich es als halb widerwärtig titulieren, da ich ja auch noch die Gebäcke mit ohne Zimt vor mir hatte. Hermetiker haben von Backkunst wirklich keine Ahnung.
Nach einer schauderlichen Kakophonie ohne Glitzer und Glitter, landeten wir in unserer vertrauten und dennoch veränderten Simulation. Wie ich erwartet hatte, waren die Figuren und die Ausstattung weniger lieblich. Der Zucker sorgte anscheinend für einen adäquaten Niedlichkeitsfaktor. Die Kichergibber wirkten nun auch eher wie Gremlins und ich wollte mit ihren Zähnen auch nicht wirklich Bekanntschaft machen.
„Meine ich das nur, oder ist die Gesamtsituation weniger süß?“, stellte Cornelius äußerst klug fest.
„Genau das“, bestätigte ich seine Annahme. „Der Zucker sorgt halt für die Süße. Nun sind die Umgebung und die Bevölkerung alles andere als niedlich. Lass uns eben noch zur Bäckerei fliegen, und überprüfen, was es dort für Backwerk gibt.“
Gemeinsam mit Cornelius flog ich hinüber zur Bäckerei. Da wir nun in einer veränderten Simulation waren, standen natürlich auch keine anderen „Kunden“ davor, die sich ihre Ration Naschwerk abholen wollten. Nun denn, die Bäckerei wirkte nun auch weniger einladend, als dass wir dort hätten Nachschub ordern wollen. Vielmehr schien die Verteilung eher unfreiwillig zu erfolgen, indem die Helfer der Bäckerin uns festzuhalten suchten, um uns eines der Gebäcke in den Mund zu stopfen. Schnell hatte ich mein Zuckerstangenschwert gezogen und den Angreifern damit einen Hieb versetzt, etwas, das Cornelius mit einem ungläubigen Blick quittierte. Es wurden mir sogar tatsächlich irgendwo einige Erfahrungspunkte gutgeschrieben und die dahingemeuchelten Strolche dematerialisierten, wie es sich für ein ordentliches Spiel gehörte, nach einer gewissen Zeit. Zum Glück erschien keine kleine Truhe, die ich hätte plündern können.
„Was für unfreundliche Gesellen“, war mein einziger Kommentar.
„Lass uns zurückkehren und schauen, was der Zimt macht.“ Schlug ich vor.
„Na ja, eigentlich, was es ohne Zimt macht“, korrigierte ich mich. „Vermutlich wird es schrecklicher.“
„Wie?“ Cornelius wirkte noch beunruhigter als zuvor. „Noch schrecklicher als das hier?“
„Du solltest wirklich mehr der einschlägigen PC-Games spielen“, riet ich ihm augenzwinkernd, ehe ich mich daran setzte auszuloggen.
Als ich auf dem herrlich weichen Sofa die Augen öffnete, hatten die dienstbeflissenen Adepten bereits so etwas wie eine Einsatzzentrale, oder was sie sich eben darunter vorstellten, eingerichtet. Auch Cornelius regte sich langsam und versuchte, wieder in die Wirklichkeit zurückzukommen. An dieser Stelle überlegte ich tatsächlich, was denn nun die Wirklichkeit oder auch Realität wäre. War es hier dieses Setting oder doch das mit meiner Mitbewohnerin. Es gab ja immerhin diese superlangweiligen Simulationen wie Sims oder Sim-City und wie sie alle hießen. Gedanklich machte ich mir eine Notiz, um bei Zeiten mit jemanden darüber zu diskutieren, der sich damit auskannte oder sich überhaupt dafür interessierte.
Voller Tatendrang schaute ich mich um, doch konnte ich kein Gebäck sehen.
„Wo sind die Plätzchen mit ohne Zimt?“, fragte ich fordernd in die Runde.
Einige der Adepten kicherten dämlich, vermutlich über meine Verbalkonstruktion „mit ohne“. Wenn sie sich in Geschichte besser auskennen würden, hätten sie gewusst, dass selbst der Gesetzgeber zu meiner Zeit diese Konstruktion wählte, um ein „ohne“ auszudrücken. Ich erinnerte mich mit ein wenig Entsetzen an die Lebensmittel, die mit ohne Gentechnik ausgezeichnet waren. Aber das ist, ihr ahnt es gewiss, eine andere Geschichte.
„Du willst noch einmal los“, wollte Cornelius etwas ungläubig von mir wissen.
„Gewiss doch. Die Erinnerungen sind noch frisch, so können wir die Veränderungen besser herausfinden.“
„Du bist wirklich verrückt.“
Er schnippte mit den Fingern und die Dose mit dem Gebäck stand vor uns. Oh, ein Schnippmagier, dachte ich nur. Wenn das der Spielleiter wüsste, fügte ich dann noch in Gedanken hinzu. Galant reichte er mir die Dose und ich griff eines der Plätzchen. Mit wenig Zucker und ohne Zimt, ein Grausen kroch über meinen Rücken. Was tut man nicht alles für die Rettung von Weihnachten oder auch vom Jul-Fest. Mutig biss ich hinein und es war schrecklicher, als ich erwartet hatte. Das konnte nur ein ganz beschissener Trip werden. Quasi ein lebendiggewordener Horror.
So war der bereits bekannte Strudel nicht nur ohne Glitzer und Glamour, auch die Musik erinnerte in seiner Art, dass ein Zwölftonmusiker trachtete ein Weihnachtslied zu ersinnen. Es war einfach nur gruselig und eine Beleidigung für die Ohren. Ja, da hört mein Kunstverständnis auf und ich weigere mich, es in irgendeiner Weise gut zu heißen. Es fehlte nur noch, dass wir bei unserer Landung auf den leibhaftigen Grinch stößen.
Die Landschaft hatte sich abermals verändert und wir befanden uns in einer eisigen Hölle. Konnte es tatsächlich eisspuckende Vulkane geben? Es war eine Computersimulation, da gab es halt auch Dinge, die es nicht gab. Die Bewohner dieser gruseligen Landschaft waren alles andere als friedfertig, sie bleckten ihre Zähne und rasselten mit ihren fürchterlichen Waffen. Eigentlich hatte ich schon genug gesehen und wollte schon wieder ausloggen, als der Angriff unvermittelt begann. Mit einer schnellen Bewegung hatte ich mein Zuckerstangenschwert gezogen und beschwor gleichzeitig den ersten Zauber, der die Kreaturen in der Nähe anwurzelte. Auch Cornelius blieb nicht untätig und formte den ersten Feuerball, den er Richtung Feinde warf. Mit vereinten Kräften konnten wir uns den Weg freikämpfen und die Bestien in die Flucht schlagen. Wer nicht dahingerafft wurde, rannte um sein Leben.
„Passiert dir so etwas öfter“, wollte Cornelius ein wenig außer Atem wissen.
„Jepp, ich mache so etwas quasi die Hälfte meiner Tage“, ich grinste breit, „an den anderen Tagen langweile ich mich zu Tode, so geruhsam ist dann mein Dasein.“ Vielleicht sollte ich mit Cornelius über mein Realitätsdilemma sprechen, aber dann verwarf ich diesen Gedanken wieder.
„Wir sollten wieder ausloggen. Oder magst du noch die Bäckerei sehen.“
„Nein, danke. Nichts wie weg.“
Hörte ich da einen Anflug von Panik in der Stimme des Hermetikers. So initiierten wir das Ausloggen und waren alsbald in der Einsatzzentrale zurück. Etwas irritiert waren die Adepten schon, dass unser Trip nur von derart kurzer Dauer war.
Cornelius verfasste noch seinen Bericht, ehe er mit mir in seine privaten Gemächer, in welcher Dimensionsfalte diese auch sein mochten, ging. Dort aßen wir sehr gepflegt zu Abend und unterhielten uns über das weitere Vorgehen. Irgendwann führte er mich zu meinem Zimmer und er verabschiedete mich zur guten Nacht. Nein, dies ist nicht so eine Geschichte, die Held und Heldin in inniger Umarmung wiederfinden lässt. Außerdem erwartete ich ja noch Prosper, da störte Cornelius nur, der gewiss nicht auf derlei Abenteuer stand, da er ja irgendwie bis her kaum Abenteuer erlebt hatte. In Liebesdingen hielt ich ihn daher auch eher für unbedarft, vor allem da ich bis dato keine Hermetikerinnen oder Magierinnen getroffen hatte und ich sah Cornelius nicht dafür an, dass er sich eher für Männer interessierte. Unweigerlich musste ich an den Magier in Pink denken, den ich auf einer Con getroffen hatte. Nein, war der herrlich tuckig. So war Cornelius nicht.
Fortsetzung folgt...