Noch einige Tage beschäftigte mich das seltsame Abenteuer, dass seinen Anfang an der Regattabahn genommen hatte. So rätselte ich weiter darüber, wer dieser Prinz P sein könnte und woher ich ihn kannte. Nun denn, die wilden Gesellen im Gasthaus waren natürlich auch so eine Sache. Von meinen Rollenspielen waren sie mir nicht bekannt, wohl aber von der Lektüre oder aber aus Filmen. Wie konnte es sein, dass Tanuky mit ihnen zusammentraf? Aber was zerbrach ich mir den Kopf oder verrenkte mir gar meine Hirnwindungen, wenn das Schicksal oder wer auch immer es an seinem Leibe erführe. So begann ich wohlgemut mein Tagewerk, obschon ich mir Besseres vorstellen konnte, als Betten zu beziehen. Schnell hatte ich Kissen und Plumeau von ihren Bezügen befreit und in den Korb geworfen. Als ich am Spannlaken zupfte, wirbelte ein Fetzen Pergament hervor. Wie? So schnell hinter einander? Das letzte Mal dauerte es schon einige Zeit und es schien mir recht absonderlich.
Bei Teutartes, ein widerlicher Lindwurm treibt sein Unwesen. Er wütet gar fürchterlich und ist mit Muskelkraft der Männer kaum niederzuringen.
So eilet zur Hilfe.
Was soll ich sagen, das Schicksal verhöhnte mich. Da soll ich als Tanuky zu Tanabe, Herrscherin der Hölle, Fürstin der Finsternis, gegen einen Lindwurm oder auch Drachen kämpfen, wo Männer scheiterten? Herrje, nicht dass ich nachher wie Eowyn wäre, die den Hexenkönig erschlug, da sie ja kein Mann war.
Aber so war ich dann doch noch in der Lage, mich angemessen für mein Abenteuer zu rüsten oder auch zu gürten. Da es gegen einen Drachen ging, klaubte ich auch einige Komponenten für den einen oder anderen Zauber zusammen, wer weiß, vielleicht war der Kreatur ja mit etwas Magie beizukommen. Lächelnd erinnerte ich mich, wie einst Merlin ein solches Gewürm bekämpft und niedergerungen hatte. Vielleicht wäre sein Vorbild auch für mich und meine Mitstreiter eine praktikable Methode. Denn eines wusste ich genau, Bange machen gilt nicht, zumal ich noch zu keiner Zeit und an keinem Ort jemals ein Hasenfuß war.
Als ich zum Kampf bereit aus meinem Zimmer trat, erschraken nicht nur meine Katzen. Auch meine Mitbewohnerin musterte mich mit irritiertem Blick, wie es ihre Art war.
„Ich geh mal eben auf ein Abenteuer“, erklärte ich lächelnd meinen Aufzug, als wenn es das selbstverständlichste der Welt wäre, wie es meine Art war.
„Warte nicht mit dem Essen auf mich, es könnte später werden.“ Mit diesen Worten verschwand ich durch die Wohnungstüre und lenkte meine Schritte die Treppe hinunter in den Keller, hoffend, dass dort ein Übergang wäre.
Als ich die Tür zum Keller öffnete, schlug mir lautes Stimmengewirr entgegen, das mir vom letzten Abenteuer noch reichlich bekannt vor kam. Als die Tür hinter mir krachend ins Schloss fiel, erstarben die Gespräche und die Augen aller richteten sich auf mich.
„Sanfte Grüße“, rief ich munter in die erwartungsvoll lauschende Menge. „Wer ist Manns genug, mit mir gegen das üble Schlangengezücht zu ziehen?“
Wie zu erwarten, weiteten sich die Augen der meisten, vermutlich in banger Furcht von Angst will ich im Zusammenhang mit Männern nicht reden. Obwohl dort gewiss einige Memmen statt Männer anwesend waren. Nun, ganz allmählich begannen die Gespräche erneut, da sich von den Anwesenden keiner gemüßigt sah, der Aufforderung zum Kampfe zu folgen. Vermutlich war die Sache mit dem Drachen auch wieder nur so ein PAL, ein Problem andere Leute. So ließ ich meinen Blick durch den Schankraum schweifen, konnte jedoch kein bekanntes Gesicht erkennen, so beschloss ich, es draußen zu versuchen. Vielleicht sammelte sich die Heldengruppe ja auch bei den Ställen, da mein Prinz – war er wirklich mein Prinz? – ja vormals auch mit Pferden unterwegs war.
Und wirklich, bei den Ställen war einiges an einfachem Volke und begaffte die Vorbereitungen der Kämpen, die gegen den üblen Drachen ziehen wollten. Als mich der Prinz erblickte, klärte sich sein sorgenvoller Blick und ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
„Nun denn“, rief er aus. „So wären wir nun vollzählig, da Tanuky eingetroffen ist.“
Er hauchte einen Kuss, wie ein Versprechen, auf meinen Mund und reichte mir die Zügel des Pferdes, das mich zur Schlacht geleiten sollte. So zog unser bunter Tross gen Gallien, um das üble Gezücht zur Strecke zu bringen.
Allein der Weg dort hin bereitete uns allerlei Ungemach, da garstige Trolle und Unholde zuhauf in finsteren Löchern lauerten. Doch nichts, was nicht ein scharfes Schwert oder ein flinker Zauber hätte beseitigen können. So waren uns die kleinen Scharmützel am Wegesrand ein willkommenes Training für unseren eigentlichen Feind, den unsäglichen Drachen, das unwürdige Gewürm. Gewiss werde ich nie verstehen, warum gerade Jungfrauen die bevorzugte Leibspeise dieses Lindwurms wären. Vermutlich hatte es sich nur irgendein untalentierter Schreiberling in seinem kruden Hirn ersonnen, um damit seiner faden Geschichte ein wenig Dramaturgie zu verleihen und sie mit schrecklichem Grusel und Schauder zu würzen.
Alsbald hatten wir die unheilvolle Stätte erreicht, da das feuerspeiende Gezücht seinen Unterschlupf hatte. Vielleicht hütete es gar einen blinkenden, funkelnden Schatz mit allerlei Kleinodien und wertvollen Gemmen, wie es sich für einen Drachen seit ehedem geziemte. Doch diesen zu erringen, wäre wahrlich ein noch größeres Glück, als nur die holden, so hofften wir jedenfalls, Jungfrauen zu retten.
Mit viel Rauch und Feuer und dem üblen Gestank nach Schwefel warf sich uns der Drache im Kampfe entgegen. Wohlan, wir waren gut vorbereitet. So schlug der Dicke mit seinem listigen kleinen Freund gar heftig dem Ungetüm zwischen die Augen, dass es schien, zwitschernde Vögellein flögen kreisend um das gewaltige Haupt. Der Prinz schwang sein mächtiges Schwert, das die wehrhaften Schuppen des Gezüchts nur so schepperten und klirrten, doch war dort kein Durchkommen für die magische Klinge.
„Wohl an, mein Prinz“, rief ich im Schlachtgetümmel, „Ihr müsst ihn am Leib erwischen und seine widerlichen Gedärme aufschlitzen. Wenn er sich aufrichtet, rammt das Schwert hinein bis an das Heft.“
So wob ich denn einen unheilvollen Zauber, dass sich der Drache dräuend erhob, und bot uns derart den ungeschützten Leib als wohl leichtes Ziel. Beherzt stach der Prinz mit aller gebotenen Kraft zu, versenkte seine Klinge gar tief in die unseligen Gedärme. Ein grausiges Geheul hub an und eine heiße Flamme entfleuchte dem schändlichen Maul. Der Lindwurm zuckte und wandt sich in Schmerzen, um dann krachend zu Boden zu stürzen, wo er daraufhin sein elendiges Leben aushauchte.
Als dann stimmten die Helden einen lauten Jubel an, da sie das Untier ohne Verlust an eigenem Leib und Leben bezwungen hatten. Es schien mir, als hätte sich die Erde aufgetan und allerlei fahrendes Volk an der Stätte des Unheils ausgespuckt, um ein gar großes Fest zu feiern. Wieder einmal war die Welt gerettet und ein kleines wenig besser als zuvor. Aber aus Erfahrung wusste ich, dass dieser Zustand nicht von allzu langer Dauer war, denn eines war gewiss, das Böse schlief nie, das tat nur das Gute bei weilen.
Aber nun wollte ein Fest gefeiert werden, so zog mich mein Prinz auf seinen Schoß, um mich mit verschiedenen Leckereien und Naschwerk zu verwöhnen. Und wer konnte prophezeien, welche Abenteuer noch in der Nacht auf uns warteten. Ich konnte nicht sagen, ob mich der Kampf, die übermäßigen Speisen oder gar der Wein ermüdet hatte. Kaum konnte ich meine Augen offen halten und es verlangte mich nach einer weichen Bettstatt. So nahm mich mein Prinz in seine starken Arme und trug mich hinüber zu unserem Zelt. Ein wenig wunderte ich mich schon über die stattliche Größe, aber es war halt eine solche Geschichte, wo die holde Dame derlei Fragen nicht stellte. Es war, was war. Natürlich erinnerte ich mich an ein Zelt, das ich in einer anderen Geschichte besaß, das sich in einem Stab verborgen hielt und uns über Nacht an einen anderen Ort transportieren konnte. So hoffte ich lediglich, dass dies nicht so ein Zelt sei.
Die Bettstatt war wahrlich vortrefflich und sehr kommod ausgestattet mit großen Kissen und weichen Decken. So genoss ich es, darin zu versinken, wie den warmen Körper meines Prinzen zu spüren. Oh ja, so konnte ich beruhigt schlummern und träumen. Träumen von neuen Abenteuern.
Als ich erwachte, überlegte ich, wie wohl ein gallisches Frühstück aussähe, als etwas an meinem Handgelenk vibrierte. Argh. Meine Uhr zeigte an, dass eine Nachricht eingegangen war. So tippte ich auf das Display. Eine Mitteilung meiner Mitbewohnerin, die gerne einen Kaffee auf dem Balkon mit mir genießen wollte, eines unserer morgendlichen Rituale.