Da wuselte ich mit Feudel bewaffnet durch die Wohnung und machte meinen Haushalt. Als mich ein Gedanke durchzuckte, warum hieß es denn Haushalt, wo ich doch kein Haus besaß und lediglich zur Miete wohnte. Müsste es nicht dann nicht Wohnungshalt heißen, aber diese Wortzusammensetzung klang zu absonderlich in meinen Ohren.
„Was ziehst du deine Stirn so kraus?“ Fragte mich meine Mitbewohnerin, als ich in meinem Tun stoppte.
„Ach“, seufzte ich, „ich stoße mich gerade an dem Begriff Haushalt.“
„Was ist damit nicht in Ordnung?“, wollte sie zu Recht nun von mir wissen.
„Alles und nichts“, wich ich ihr aus. „Aber wir haben doch kein Haus, nur eine Wohnung. Warum also Haus-Halt?“
Der Blick, den sie mir zu warf, schrieb Bände, vermutlich auch, da sich ihr diese Frage nicht wirklich stellte. So zuckte sie nur mit den Schultern und strebte mit der Mülltüte in Händen Richtung Ausgang, um diesen fachgerecht zu entsorgen. Nun denn, so widmete ich mich erneut meiner Aufgabe, auch wenn ich mit der Begrifflichkeit derer nicht zufrieden war. Ganz in Gedanken schob ich unzählige Stehrümchen von links nach rechts, um dort den sich angesiedelten Staub sorgfältig zu entfernen. Als ich zu einem Stapel von Blättern und Notizen kam. Genervt warf ich einen Blick darauf und dann den Stapel mit Schwung in den Abfall, als eines der Blätter sich vorwitzig aus der Umklammerung seiner Leidensgenossen befreite und direkt neben dem Eimer zu liegen kam. Tadelnd blickte ich auf diesen Fetzen, dass er sich dies erlaubte. Doch als er sich nicht selbsttätig erhob, um in den Eimer, wo er ja eigentlich hingehörte, zu hüpfen, bückte ich mich, um das ungezogene Blättchen zu greifen.
Als ich es mit den Fingern berührte, war es mir, dass es sich seltsam veränderte. Es nahm eine leicht gelblichbraune Farbe an, als wenn Kaffee darüber ausgegossen worden wäre. Auch von der Beschaffenheit war es nicht wie Papier, sondern eher wie Pergament. In freudiger Erwartung betrachtete ich es genauer und konnte die mir schon bekannte sanft geschwungene Handschrift erkennen, die sich immer mehr ausbildete und sichtbar wurde. Sie war schon seit einiger Zeit ein Garant dafür, dass sich mein alltägliches Einerlei in ein vortreffliches Abenteuer verwandelte. Seien wir einmal ehrlich, Drachen oder auch Hexen bekämpfen und holde Jungfrauen retten, war wesentlich spannender als Hausarbeit oder eben auch Wohnungsarbeit. Wie auch immer. So las ich die mir zugedachte Nachricht.
Werte Tanuky zu Tanabe. Ich entbiete Euch meinen Gruß.
Ein großes Ungemach, durch die Hexe Evanora verursacht, ist über das Land gekommen und die Bewohner sind verschwunden.
Sammelt die Helden und eilet herbei, dass die Sonne im Land über dem Regenbogen wieder scheinen möge.
Verwirrte drehte ich das Pergament, was es zweifelsohne war, hin und her, mich darüber wundernd, dass ich keine Unterschrift fand. Gewiss war diese Nachricht von meinem Prinzen und wenn ich denn Helden sammeln sollte, waren es vermutlich der Große mit seinem außerirdischen Kleinen, ach was, verzeiht mir den kleinen Scherz, natürlich der Dicke, ich bin gar nicht dick, mit seinem gallischen Kleinen.
So ließ ich den Feudel an Ort und Stelle liegen, da mich ein weitaus bessere Beschäftigung als Putzen für den Tag erwartete, um mich in meinem Zimmer für das bevorstehende Abenteuer passend zu kleiden. Während ich meine Ausrüstung sortierte und überprüfte, kam mir ein nicht unwesentlicher Gedanke in den Sinn. Wo wäre wohl der Übergang? Ob wohl die Taverne der letzten Male wieder der allgemeine Treffpunkt wäre, dann bräuchte ich lediglich hinab in den Keller steigen, um die anderen Recken zu treffen. Doch bis jetzt hatte ich niemals einen Durchgang zweimal benutzt. Ach was, zur gegebenen Zeit hätte ich die richtige Eingebung, dass ich die andere Welt betreten könnte oder die andere Welt öffnete einfach irgendwo einen Durchgang und zog mich hinüber. Ich zitiere an dieser Stelle einmal aus dem letzten Samurai „Weniger Bedenken.“, vermutlich war dies das eigentliche Geheimnis.
Nachdem ich, wie wir es ehemals so nett benannten, aufgerödelt war, schritt ich ein fröhliches Liedlein – das Liedlein habe ich nur für dich als solches an dieser Stelle benannt – summend dem neuen Abenteuer entgegen. Zum Abschied drückte ich meine Mitbewohnerin an meine Brust und ließ sie dann etwas verwirrt in unserer Wohnung zurück. Im Flur traf ich auf andere Bewohner des Hauses, die mich mit abschätzenden Blicken taxierten, so grüßte ich sie freundlich zur angemessenen Tageszeit und strebte Richtung Keller. Der Keller war, wie normalerweise zu erwarten dunkel und roch ein wenig staubig, vermutlich da die Nachbarin gerade mit Schwung einen Besen hin und herbewegte. Fegen konnte ich diese Tätigkeit beim besten Willen nicht nennen, sie wirbelte lediglich Unmengen von Staub auf. Auch sie grüßte ich, obgleich sie meinen Aufzug für reichlich übertrieben hielt und mich dementsprechend mit zuckenden Mundwinkeln musterte. So schritt ich durch den Keller und öffnete beherzt die Tür zum Garten, hoffend, dass dort der Durchgang wäre, den ich gerade schmerzlich ersehnte. Gleißendes Sonnenlicht und eine wohlige Wärme umfing mich, so drehte ich mich nochmals zur Nachbarin um und winkte ihr huldvoll zu, ehe ich die Tür hinter mir schloss. Der Anblick ihres verdutzten Gesichtes war einfach zu drollig, da es ja nach vorne heraus wie aus Kübeln goss.
Mit fröhlichem Hallo wurde ich von dem ungleichen Paar, mit dem ich bereits zwei Abenteuer bestritten hatte, willkommen geheißen. Nun, eigentlich hatte ich noch jemanden erwartet und war ein wenig enttäuscht, da ich ihn nicht sah. Vielleicht müsste ich mit meinen Kumpanen noch einiges des Weges gehen, um dann auf ihn zu stoßen. So machten wir drei uns auf den Weg, wie es sich für eine ordentliche Heldengruppe geziemte. Erwähnte ich die Sonne und wohlige Wärme? Wünscht es euch nicht, wenn ihr lange Wege gehen wollt, denn strahlender Sonnenschein kann überaus unerquicklich werden, wenn die Wärme sich dann als Hitze entpuppt. Gottlob hatte ich meinen vortrefflich gefilzten Hut dabei, der mit einer gehörigen Portion Wasser zur Klimaanlage für mein überhitztes Hirn wurde. Mir schien, dass mich meine Begleiter um meine Kopfbedeckung beneideten, da sich ihre Helme nicht in etwas Kühlendes wandeln ließen.
Es war wohl gegen Abend, als die Sonne langsam versank, dass wir an einen Hain kamen. Es war wahrlich eine Wohltat, unter das schattige Blätterdach der alten Eichen zu treten. Eine angenehme Kühle umfing uns, dass wir Hitze und Staub der langen Straße getrost vergessen konnten. So war der Zug gegen ein Abenteuer doch wieder mit Freude im Herzen verbunden. Es wunderte mich schon, dass wir doch so lange schon laufen mussten, ohne dass auch nur irgendetwas Spannendes geschah.
„Mir scheint“, der Kleine hielt seine Nase in den Wind, „hier brennt ein kleines Feuer und darauf brät ein vorzügliches Wildbret.“
„Oh ja, ein Wildschwein“, der Dicke freute sich wie ein kleines Kindlein und klatschte in seine Hände.
Da auch ich nach dem langen Tag ein Hüngerchen, Damen haben eben keinen Kohldampf, verspürte, gingen wir dem Duft nach und erreichten alsbald eine Lichtung, auf der ein Zelt stand. Pferde grasten friedlich in der Nähe. Als wir näher kamen, sahen wir auch das Feuer, an dem, eigentlich glaubte ich nicht mehr, es zu hoffen, mein Prinz saß. Lächelnd erhob er sich und es schien, dass er uns erwartet hätte, denn ein stattliches Wildschwein war nahezu zum Verzehr bereit. Männer und ihr Fleisch, ich musste schon schmunzeln, aber wenn es ihnen Kraft verlieh, wer war ich, es ihnen in Abrede zu bringen? So hoffte ich lediglich, dass es für mich auch ein Mahl zur Stärkung gab, da ich gewissen fleischlichen Genüssen schon vor langer Zeit abgeschworen hatte, und ich bedauerte nichts, da es mir wahrlich nicht fehlte, meine Zähne in ein totes Tier zu schlagen.
Als wir uns nach dem Mahl ermattet zur Ruhe betteten, überlegte ich, ob dies schon mein ganzes Abenteuer gewesen sein sollte, da ich ja meist, obwohl in dieser Welt einschlafend, in meinem heimatlichen Bett erwachte. Doch dann schob ich diese Gedanken beiseite, da es vor dem Träumen weit aus angenehmere Tätigkeiten gab, vor allem so man zu zweit war.
Am nächsten Morgen weckte mich das Zwitschern der Vögellein und nicht das Schnurren meiner Katzen, was mir als ein gutes Zeichen erschien. Der innige Kuss war denn nur noch eine Bestätigung, dass ich immer noch in meinem Abenteuer war. Ob die Zeit anders verliefe, wenn ich mich hier länger aufhielte? Doch dieser berechtigte Gedanke scheuchte ich fort wie eine überaus lästige Fliege. Wohl an, wo war ich? Ach ja, das liebliche Erwachen am Morgen, hernach ein kräftiges Frühstück. Warum waren in Abenteuern die Zelte und der benötigte Hausstand, da war wieder das unsägliche Wort mit Haus, so schnell verstaut.
Schon war alles auf die Packpferde geschnallt und wir saßen auf, um das Ungemach zu untersuchen, und selbstredend nach allen Regeln der Heldenzunft zu beseitigen. Doch gestaltete sich der Weg als überaus schwierig und verdrießlich. Es schien mir, dass wir ein Moor von üblem Gestank durchqueren mussten. Wie nannte es noch der Koboldkönig, das Moor des ewigen Gestanks? Ich hoffte, dass es nicht dieses Moor wäre, da ich diesem üblen Odem nicht ein Leben lang mit mir herumtragen wollte, da er doch zu garstig war. Gewiss wäre es auch noch ein anderes Ungemach, wenn ich meine Umgebung im häuslichen oder beruflichen Umfeld mit besagter Duftnote beglückte.
Gen Abend erreichten wir ein Gebirge, dass uns zu überqueren bei Dunkelheit unmöglich erschien, so hielten wir Ausschau nach einem geeigneten Platze, da wir unser Lager aufschlagen konnte. Mit wohligem Schauer erinnerte ich mich an das Lager der Heerführer der Rohirrim, als sie im Ringkrieg Gondor zu Hilfe eilten. Eine Plattform in schwindelnder Höhe war wahrlich nicht meine Vorstellung von einem angenehmen Nachtlager, wie leicht konnten Schritte in der Dunkelheit fehlgehen und der Weg nach unten wäre gewiss weit. Ein kluger Mensch behauptete einmal kühn, man stürbe ja nicht an dem Fall an sich, sondern eben an dem Aufprall auf der Erde. Nun denn, ich wollte diese Thesis nicht anzweifeln oder gar beweisen.
Fortsetzung folgt...