Michael schwieg und auch ich versuchte, ihn nicht in seinen Gedanken zu stören. Die Herrin hatte oft diesen Blick und wollte dann nicht gestört werden. Man hatte uns belegte Brote gemacht und ich wunderte mich etwas darüber, weil es im Haus nach Gekochtem gerochen hatte. Fragend blickte ich also die Stullen an und nahm mir eine mit Käse. „Die Köche essen Abends warm“, erklärte er und griff nach einer Stulle mit einer grauen Wurstpaste. „Ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich hätte dir keine Angst machen dürfen. Du hast ein völlig falsches Weltbild und das geht nicht von heute auf morgen weg“, nahm meine Hand und streichelte sie. Er ließ sie während des gesamten Essens nicht mehr los und komischerweise störte es mich auch nicht.
„Habt Ihr eine Geige? Ich könnte euch zeigen, was ich dort gelernt habe“, bot ich an und blickte auf seine Hand, die immer noch auf meiner lag. „Ich muss leider nochmal weg, vielleicht ein andermal. Lehnte er ab und stand auf. „Sicher werde ich erst sehr spät zurück sein. Ich bin mir aber sicher, dass du eine Beschäftigung finden wirst“, meinte er, doch wusste ich nicht so recht, was er meinte. „Möchtet ihr das ich etwas bestimmtes tuhe?“, fragte ich daher. „Einfach worauf du Lust hast. Nutz deine Freizeit, wie du willst“, er lächelte und stellte die Teller in den Speiseaufzug. Freizeit so was hatte ich selten, da es immer etwas für mich zu tun gab. „Ich muss jetzt wirklich gehen, wenn du irgendetwas brauchst, melde dich einfach in der Küche da ist meist jemand“, ich nickte und wünschte ihm einen schönen Abend. Etwas ratlos blieb ich zurück. Draußen war der Wind stärker geworden und die Wolken wurden dunkel. Eine Unruhe machte sich bereit. Es würde ein Gewitter geben. „Im Musikzimmer sind die Fenster noch auf!“, kam es mir in den Sinn. Eilig rannte ich zurück, doch als ich dort ankam, waren schon zwei Dienstmädchen am Aufräumen. Mit Staubtuch und Wassereimer bewaffnet versuchten, sie dem Staub herr zu werden. Abschätzend blickten sie mich an. „Kann ich euch helfen?“, fragte ich und hoffte, dass sie mich nicht abstoßend fanden. „Klar, das ist Anni und ich bin Suse. Wir können echt Hilfe gebrauchen“, meinte Suse. „Ich bin Shiro“, Anni reichte mir einen Zopfgummi und einen Staubwedel. „Damit sie dir nicht die ganze Zeit im Gesicht hängen“, auch sie hatte die Haare zu einem Zopf geflochten. In schnellen Handgriffen tat ich es ihr gleich. Susi holte ein Radio aus der Tasche und zum Takt der Musik sagten wir, den Spinnenweben und Wollmäusen, den Kampf an. Suse und Anni waren fröhlich und machten viele Späße. Sie erzählten aus ihrer Kindheit und es stellte sich herraus, dass die beiden Schwestern waren, die viel Unsinn trieben.
„Und weil sie uns so geärgeret hat, haben wir bei ihr zuhause Salz und Zucker vertauscht. Weißt du, sie hatte am Tag darauf Gäste zum Tee ich möchte nicht wissen, wie der Kuchen geschmeckt hat“, erzählte Suse von einem alten Streich. „Und das alles nur weil sie euch die Haare geschnitten hat?“, fragte ich nach und die beiden lachten. „Wenn du gesehen hättest wie wir danach aussahen, hättest dus auch so gemacht“, warf Anni ein und zeugte mir ein Bild von zwei Mädchen deren Haare aussagen, als hätte man einfach einen Zopf gemacht und schief abgeschnitten.
„Das sieht ja wirklich furchtbar aus“, so musstet ihr rumlaufen?“, fragte ich sie und die beiden schüttelten die Köpfe. „Mama hat sie und damits grade wird noch kürzer geschnitten und versprochen nächstes Mal zum Frisur zugehen“, erklärte Suse und begann damit den Boden zu fegen. Um nicht rum zustehen putzten wir die Fenster. „Anni erzähl ihr die Geschichte von den Vier Schweinen die eigendlich nur drei waren“, kam es von der anderen Seite des Zimmers. Sie schaltete das Licht an. Es regnete inzwischen in strömen.
„Also der Schweinezüchter bei uns im Dorf hat eine richtig verzogene Göre als Tochter und der wollen wir eine Lektion erteilen. In der Nacht haben wir uns vier schweine ausgeliehen und eins davon bei uns im Hof versteckt, die anderen haben wir mit 1,2, und 4 beschriftet. Als sie merkten, dass vier fehlten, machte der Züchter seine Tochter verantwortlich und sie musste die vier Schweine suchen. Während sie aber anfing zu suchen, brachten wir das vierte Schwein zurück. Den ganzen Tag suche sie das vierte Schwein. Am Ende hatten wir dann doch Mitleid und meinte sie solle doch nochmal zählen wie viele fehlen“, die beiden brach in Gelächter aus und steckten mich an. Die Angst das die Angestellten mich nicht mögen würden stellte sich als unbegründet heraus.
„Erzähl mal hast du auch Streiche gespielt oder Dummheiten gemacht?“, fragte sie. „Wisst ihr, mein Alltag bestand aus Lernen und strenger Erziehung. Als ich zu meiner Herrin kam, hatte ich kaum Freizeit und ich hätte nie gewagt, meiner Herrin Streiche zu spielen. Die Strafe wäre sicher furchtbar gewesen“, erklärte ich und der erste Blitz erhellte das Zimmer. Wenig später grollte der Donner und ließ und zusammenfahren. Wir waren fertig mit dem großen Musikzimmer und waren nun selbst dreckig. Ich wollte mich bei den beiden Bedanken und setzte mich an den Flügel. „Ich spiel was für euch wenn ihr Klaviernoten habt“, bot ich an und Suse holte sogleich ihr Handy raus. Die Noten, die sie mir gab, waren sehr einfach, aber die beiden schien es zu gefallen. Zusammen tanzten sie durch den Raum. „Märchen schreib die Zeit in des Dichters Kleid“, sangen sie und verneigten sich. „Das ist aus einem uralten Film, Oma hat sie uns mal gezeigt“, erklärten sie uns und beteten mir den Text auf. Ich spielte ihnen noch andere Stücke aus dem Film und sie erzählten mir den Inhalt. „Meint ihr wir könnten ihn mal zusammen ansehen?“, fragte ich und spielte das erste Stück erneut. „Wenn wir das nächste mal bei Oma sind werden wir sie fragen ob sie den Film noch hat", antwortete Susa. Anni lächelte mir zu und ich war glücklich darüber.
„Danke für deine Hilfe und für die Musik. Ohne dich wären wir ewig noch nicht fertig. Jetzt können wir eher Feierabend machen“, freuten sie sich und schlossen mich in ihre Arme. Ich sehnte mich nach einem Bad. Jedoch wusste ich, dass man bei Gewitter nicht baden sollte. „Katzenwäsche“, dachte ich und lachte über die Ironie.
Bleibst du hier?
Endlich stand ich in meinem warmen Badezimmer. Mit Waschlappen und Seife wusch ich mir den Rest ab und lauschte dem Regen und dem Donnergrollen, das immer näher kam. „Ob Michael schon auf dem Rückweg ist? Hoffentlich passiert ihm nichts“, dachte ich und warf meine dreckigen Sachen in die Kiste. Vor meinem Schrank blieb ich stehen. Es war kühl im Haus, schnell zog ich mir eine dicker Stoffhose und einen dünnen Pullover über. Tief unten in den Schubladen fand ich dicke Socken. Es war spät geworden und ich war erschöpft. Ich lief runter in die Küche, tatsächlich war dort jemand, den schon von weitem hörte man das Geschirr klappern. Zwei junge Männer spülten das Geschirr und augenblicklich fühlte ich mich unwohl. „Nicht alle Männer sind Monster“, ermahnte ich mich. „Guten Abend“, wünschte ich und goss Wasser in den Wasserkocher. „Guten Abend können wir was für Euch tun?“, fragte der eine und ich dachte schon, mich verhört zu haben, noch nie war ich mit Euch angeredet worden. „Wir haben die Nachtschicht heute, wenn Ihr Hunger habt kümmern wir beide uns drum“, meinte nun der andere höflich. „Bitte kein Ihr und Euch.“, bat ich und trat verlegen von einem Bein aufs andere. „Aber, na gut ich bin Simon und das ist Jakob“, „Ich bin Shiro“, auch wenn das sicher jeder hier wusste. „Wie hast dus geschafft das der Herzog wieder spielt?“, fragte Jakob und ließ das Wasser aus dem Waschbecken. Simon reichte mir eine Tasse und die Teekiste.
„Danke“
„Gern“
„Ich hab einfach gespielt, das Stück seiner Mutter“, erklärte ich und goss mir den Tee auf. „Weißt du eigentlich wie viele versucht haben diese zwei Notenblätter zu spielen? Sehr viele, seine Mutter war hochbegabt, was das Klavierspielen anging“, erklärte er und sein Freund pflichtete ihm bei. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, also blieb ich still. „Shiro wie gefällt es dir hier? Du bleibst doch hier oder?“, fragten sie. „Ja ich bleibe, wenn der Herzog es wünscht“, antwortete ich und rührte Zucker in den Tee. „Er ist anders seit du da bist“, meinte Jakob und stellte die Sachen wieder weg. „Ich bin doch gar nicht lange hier“, wiegelte ich ab. „Aber es ist so!“, meinten die beiden und nickten. „Vielleicht weil du seiner Mutter ähnlich siehst“, warf Simon ein. In der großen Bibliothek hängt ein riesiges Gemälde von ihr. Sie ist ganz oben unter dem Dach, wer auch immer dieses Haus gebaut hat, hat echt viel Wert auf starke Zwischenwände gelegt“, kommentiere Jakob und warf meinen Teebeutel in den Müll. „Ich werde mir das Bild einmal ansehen. Danke euch Gute Nacht“, die beiden wünschten mir schöne Träume und machten sich wieder an die Arbeit.
Im Haus war es still geworden, aber das Gewitter lag immer noch über dem Haus und tobte. Ich stieg die Stufen empor und stand am Ende vor einer riesigen Doppeltür. Zu meiner Verwunderung knarzte sie nicht und ließ sich leicht schieben. In der Bibliothek brannte noch Licht und so weit ich sehen konnte, standen hier Regale, überwältigt schaute ich nach oben, die Decke zeigte einen blauen Himmel mit weißen Schäfchenwolken. Ich lief weiter in die Mitte und hörte leise die Stimme von Harald. Ich drehte meine Ohren, um die Richtung aus der sie kam herauszufinden, und folgte der Stimme. Aus einer Stimme wurden zwei wahrscheinlich gehört Tom die andere. Zwischen zwei Regalen standen sie und blätterten in einem Buch.
Tee trinkend hörte ich den beiden zu, wie sie darüber stritten, wie es im zweiten Band, den weiter gehen könnte. Ich ließ die beiden diskutieren und machte mich wieder auf die Suche nach dem Gemälde. An den Wänden hingen viele Gemälde, aber keines zeigte eine Frau. Ich wollte schon aufgeben, da erblickte ich in der Ecke ein riesiges Bild. Ein Frau mit langen blonden Haaren war zusehen. Sie trug ein prächtiges blaues Ballkleid. Michaels Mutter war eine wunderschöne Frau gewesen, mit einem herzlichen Lächeln. Die Tür schwang auf und jemand rief meinen Namen. „Ich bin hier!“, rief ich und schnelle Schritte kamen näher, es war Michael. „Hier bist du ich habe dich gesucht“, er wirkte wirklich erleichtert. „Ich bin froh, dass Ihr zurück seid“, seine Haare waren feucht, aber er hatte sich wohl schon umgezogen. „Es ist weit nach Mitternacht. Komm, ich bring dich ins Bett“, ordnete er freundlich an. Zusammen liefen wir runter und zu meinem Zimmer.
„Ich konnte nicht schlafen, ich hab mir wohl Sorgen gemacht“, gab ich zu und gähnte. „Sorgen weshalb?“, fragte er und öffnete meine Zimmertür. „Wegen dem Gewitter und Ihr wart noch unterwegs“, gestand ich und löste den Zopfgummi aus meinen Haaren. „Könntet ihr den Suse oder Anna geben sie hat mir geliehen“, bat ich und reichte ihn ihm. „Du kennst die beiden Schabernackschwestern?“, er zog eine Augenbraue hoch. „Sie haben das Musikzimmer geputzt und ich habe geholfen“, erklärte ich. „Ihr drei habt das Zimmer geputzt?“, fragte er nach und wirkte gereizt. „Ja ich wollte das Fenster schließen, aber es war schon zu und die beiden waren am putzen“, ich verstand nicht, was falsch daran war. „Weißt du wer ihnen den Auftrag erteilt hat?“, fragte er und ich schüttelte den Kopf. Er fuhr sich durch die Haare. „Wir haben uns wirklich Mühe gegeben. War es denn falsch, das Zimmer herzurichten?“, wollte ich wissen. „Ja nein ich weiß es nicht“, meinte er und trat ins Zimmer. „Eigentlich wollte ich das du deine Zeit für dich nutzt statt zu arbeiten“, meinte er und blickte raus in den Regen. „Ich hatte Spaß dabei und sie sind alle nett zu mir aber ehrlich nett, nicht weil sie es müssen. Simon und Jakob wollten wissen ob ich bleibe und ich würde gern bleiben“, erklärte ich und legte mich ins Bett ich war plötzlich so müde. „Die beiden meinten ich sehe eurer Mutter ähnlich, aber sie ist viel schöner als ich“, gab ich zu und mir fielen die Augen zu. „Wenn du ihr bleiben möchtest bleibst du auch hier“, meinte er. Im Halbschlaf bekam ich noch, mit wie er ging und das Licht löschte.