Das Klavierzimmer war aufgeräumt und die Luft war kein bisschen abgestanden. Michael hatte mir dass Notenblatt aufs Klavier gelegt. Gespannt setze ich mich ans Klavier und lese die Noten. Ein sehr einfache kurze Melody. Ich spielte sie, doch etwas ließ mich aufhorchen, irgendetwas passte nicht. Die Melody klang nicht gut nicht fliesend. „Stimmt etwas mit dem Klavier nicht?“, überlege ich und spiele die Tonleiter. Alle Tasten klangen, wie sie sollten. Verwundert spielte ich nochmal. Musik sollte schön klingen aber diese Melody klang schief. Auf der Notenablage lag ein Stift und auf dem Notenblatt war noch Platz. Ich schrieb die Noten, die sich gut anhörten und lies Platz, dort wo es schief klang. Michael wollte sicherlich nicht, dass es so klang. Ich probierte Noten aus, um die falschen Noten zu ersetzen. Nun klang es nach einer richtigen Melody.
„Nur was wenn es nur mein Geschmack ist? Wenn es genau so klingen soll“, fiel mir ein. Es war mein Geschmack das Lied zu verändern. „Meine Aufgabe war, das Lied zu üben, nicht es zu verändern“, dachte ich und starre auf meine Noten. Ich spielte die Noten von Michael nochmal und war ratlos.
Ein Klopfen an der Tür reißt mich aus meiner Grübelei. Langsam öffnet sich die Tür. Manuela und Suse stecken ihren Kopf ins Zimmer. „Wir haben gehört das du wieder spielst und wollten mal hören, woran du arbeitest.“, erklärt Suse und tritt ein. Seufzend erzähle ich den beiden von meinem Dilemma. „Was, wenn es so klingen muss und Michael sauer wird?“
„Du nennst ihn Michael seit wann das den?“, fragt Suse und grinst breit.
„Er hat gesagt, ich soll ihn so nennen“, murmelte ich und merke, wie mein Gesicht warm wird. Suse fängt an zu lachen. „Süß wie rot du wirst“,
„Spiel die Noten mal“, unterbricht uns Manuela. Ich spiele erst die Noten von Michael und dann meine. Beide schauen skeptisch. „Das soll ja für die Werbung sein oder? Ich glaube nicht, dass es so klingen soll“, meint Suse und sieht sich das Blatt genauer an. „Vielleicht ist er beim Abschreiben in der Notenzeile verrutscht“ meint Manuela. „Die Noten, die du verändert hast, sind ja von der Platzierung nur minimal höher oder tiefer“, bemerkt Manuela und zeigt auf die Noten. „Wenn er in eile die Noten auf die Linie gesetzt hat statt darüber oder darunter macht das schon Sinn“, erklärt Suse „Meine Mutter ist Musiklehrerin deshalb weiß ich das“, fügt sie hinzu. „Frag ihn nachher einfach, wenn er nach Hause kommt“, schlägt Manuela vor. „Er wird nicht sauer sein“, fügt Suse hinzu und lächelt mich aufmunternd an. „War es nur das eine Blatt?“, fragt Manuela und dreht das Notenplatt um. „Ja nur das eine. Es wundert mich, auch weil er ja mehre Werbespots drehen möchte“,
„Vielleicht ist das für alle damit man weiß, dass sie zusammengehören. Viele Firmen machen das oder haben einen eigenen Jingle für die gesamte Firma“, erklärt Suse und fängt an, auf ihrem Handy umzutippen. Sie spielt uns verschiedene Werbesongs und Jingle vor und immer mehr denke ich, dass es ein Fehler ist wie Michael die Noten aufgeschrieben hat. Ich spiele einige Sachen nach und keine klingt so schief wie das von Michael. Suse und Manuela verabschiedeten sich wieder an die Arbeit und ich sah mir die Bücher im Regal an. Liederbücher und Bücher zur Musikgeschichte reihen sich aneinander. Ich ziehe eines der Notenbücher und blättere dahin. Keines dieser Lieder kam mir bekannt vor. „Ob es jemanden stört, wenn ich spiele?“, vor dem Einbruch war es kein Problem gewesen doch danach. Zum Glück hatten sich die Wogen geglättet. „Ich will nicht wieder Zorn auf mich ziehen“, dachte ich unsicher. „Sie haben doch gar keinen Grund, misstrauisch mir gegenüber zu sein“,
Unsicher spielte ich ein Lied aus dem Buch. Niemand kam, um mich zu unterbrechen. Ich spielte es ein paar mal, bis es mir flüssig von der Hand ging. Das Lied hatte viele bunte Blätter um die Noten. Man merkte, dass es kälter wurde. „Ist der Sommer vielleicht schon bald vorbei?“, überlegte ich. Es kam mir vor, als wäre ich schon eine Ewigkeit hier. Wahllos spielte ich die Lieder aus dem Buch. Bis ich weiter blätterte und bei einem Blatt mit rosa Blütenzweigen hängen blieb. Im Garten meiner alten Herrin hatte es auch einen Kirschbaum gegeben. Sie liebte Kirschen. Und das Lied heißt sogar Kirschblüten. Eine zarte Melody erklang so ganz anders als die Tiefen melancholischen Töne vom herbstlichen Stück. Wie eine zarte Frühlingsbrise. Ich spielte es und dachte zurück an mein altes Zuhause und den großen Kirschbaum.
Ich saß zu den Füßen meiner Herrin im Gras des Vorgartens. Der Kirschbaum blühte. Alleine durfte ich nicht in den Garten, doch wenn sie wie heute die Sonne genoss, durfte ich mich dazusetzen. Mit gedämpfter Stimme las ich ihr Gedichte vor. Sie konnte schon nicht mehr lesen. Ihre Augen wurden zu schnell müde. Die Vögel zwitscherten im Baum und roch nach Blume. Der lange Winter war vorbei. „Lies es nochmal Shiro bitte“, die Stimme meiner Herrin klang müde und ich lass es nochmal für sie. Ich lass jedes Gedicht für sie, welches sie hören wollte. Die meisten musste ich gar nicht mehr lesen. Ich kannte sie auswendig.
An dem Kirschbaum hingen rot die Kirschen. Meine Herrin saß in ihrem Rollstuhl, laufen konnte sie nicht mehr. „Shiro sei so gut und pflück mir ein paar Kirschen“, badt sie mich. Das Gedichtband lag auf ihrem Schoß. „Ja Madame“,
Vorsichtig stieg ich auf die Leiter, um ihr Kirschen zu pflücken. Ich füllte die Taschen voll. „Leg sie in die Schale“, raunte sie und deutete auf den kleinen Tisch neben sich. Vorsichtig legte ich alle in die Schale. Wagte nicht selbst eine zu essen. Auch wenn sie es sicherlich nicht merken würde. Sie sah und hörte schlecht. Wortlos reichte sie mir das Buch und ich las ihr vor laut und deutlich damit sie mich verstand. Während sie ihre Kirschen aß. Sie reichte mir die Schale und murmelte. „Iss ruhig auch ein paar du bist ein gutes Mädchen“,
Ich nahm mir eine und bedankte mich höflich. Wir teilten die Kirschen und genossen die Sonne.
Am Abend ging ich nochmal zu ihr ins Zimmer, um den Tee wegzuräumen. Auf ihrem Nachtisch lag das Gedichtband und eine Schüssel mit Kirschkernen. „Ließ es noch ein letztes Mal“, badt sie mich und ich laß ihr Lieblingsgedicht. Bis sie einschlief. Ihre letzten Worte an mich waren. „Viel Glück und viele Kirschen“, bevor sie einschlief. Erst am nächsten morgen, wurde mir bewusst, warum sie dies gesagt hatte, den sie war am nächsten Morgen nicht mehr aufgewacht.
Die Sicht auf die Tasten verschwamm und ich hörte auf zu spielen. Tränen liefen mir die Wangen runter und ich wischte mir erfolglos über die Augen. Immer mehr Tränen liefen über mein Gesicht. „Viel Glück und viele Kirschen“ schluchzte ich leise.
Jemand räusperte sich. Erschrocken ich sprang auf und drehte mich um. Michael stand im Zimmer und schaute irritiert. Ich trocknete mein Gesicht ab und versuchte, mich zu beruhigen. „Was ist los? Hat dir jemand was getan?“, fragte er und setzte sich zu mir. Ich schüttelte den Kopf. „Das Lied hat mich an schöne Tage erinnert“, versuche ich zu erklären. „Im Garten meiner Herrin gab es einen großen Kirschbaum“, fügte ich hinzu und strich über die Blüten im Buch. „Ich verstehe. Jemanden zu vermissen ist normal und Heimweh zu haben auch“, sprach er leiser als gewöhnlich. Er legte seinen Arm um mich und sah sich die Noten an. Er spielte sie für mich und hielt mich dabei im Arm. Es war tröstend ihn spielen zu hören. Ich lehnte mich an ihn und schloss die Augen. Das Klavier verstummte und er hält mich fest. „Danke“, nuschel ich und lausche seinem Herzschlag.
„Ich hab den Werbesong geübt“, unterbreche ich die Stille nach einer weile. „Ich weiß nur, nicht ob es so klingen soll“, erkläre ich und drehe mich wieder zum Klavier. Danke seiner Umarmung fülle ich mich besser, doch die Traurigkeit blieb. Ich spielte den Werbesong und sah dann fragend zu Michael. „Du hast recht das klingt wirklich schief“,
„Ich habe die schiefen Noten geändert“, ich zeige ihm die Noten und spiele sie dann. „Das klingt besser ich danke dir“,
„War dein Essen erfolgreich?“
„Ja und nein ich habe mich mit meinem Bruder gestritten. Er findet die ganzen Katzenkampanie lächerlich. Gut das er kein Mitspracherecht hat“, meint er und seufzt. Michael stand auf und reichte mir seine Hand. Komm, wir sind schon zu spät fürs Abendbrot. Wir essen was und schauen uns noch einen Film an“, schlägt er vor und begleitet mich ins Esszimmer. Der Tisch ist schon gedeckt. Michael nimmt sich eine der Schnittchen. Ich schenke uns Tee ein und bediene mich auch. Zwischen den Bissen erzähle ihm von der Reaktion von Harald und Manuela und über die Dinge, die mir beim Essen aufgefallen waren. Michael hörte mir zu und schmunzelte hin und wieder. Wenn du aufmerksam bleibst, wirst du bald mehr Fragen aber auch Antworten bekommen“, antwortet er mir auf meinen Bericht. „Mein Bruder hat noch nie verstandne, warum man Gutes tun sollte, ohne das es einen nützt. Er ist der Meinung, dass man nur was für andere tun sollte, wenn man selbst davon etwas hat. Natürlich hat die Firma etwas davon, es stärkt unseren guten Ruf aber das ist ja nicht das Ziel der Werbekampagne“, erklärt er und seufzt. „Nur wie pass ich da mit rein?“, frage ich offen. „Reichen die 3 Spots nicht?“, frage ich weiter und schaue in meine Teetasse, um ihn nicht ansehen zu müssen. „Momentan wird die Nekohaltung stark diskutiert. Mit der Werbung mit dir möchte ich die Haltung der Firma dazu zeigen“, erklärt er in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldet. „Ich versteh“, antworte ich ihm und beiße in ein weiters Stück Brot mit Wurst. „Willst du gar nicht wissen, worum es in der Diskussion geht?“, fragt er und trinkt einen Schluck Tee. „Sie diskutieren das bedeutet nicht, dass sich etwas ändert“, antworte ich. „Es wurde schon vor Jahren darüber gesprochen und es wurde weder schlimmer noch besser für uns“, dachte ich. „Sie überlegen die Regeln zur Haltung zu verschärfen“, sagte er es mir dann doch. „Für dich wird sich nichts, ändern du brauchst dir keine Sorgen zu machen“, fügte Michael hinzu. Ich sah zu ihm auf und tatsächlich machte ich mir überhaupt keine Sorgen mehr. Michael hatte so viele Gelegenheiten gehabt mir etwas anzutun. Er hatte noch nie mein Vertrauen missbraucht. „Ich mache mir keine Sorgen“, teile ich ihm mit und esse mein Brot auf. „Ich habe es wirklich gut hier“, und das machte mich sehr glücklich. „Ich hab dich sehr gern in meiner Nähe“, gesteht er mir und streicht mir vorsichtig aus dem Gesicht. Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Das Essen war verspeist die Teetasse leer. „Ich bin froh, bei dir zu sein“, murmelte ich schließlich. Michael griff nach meiner Hand und strich mit dem Daumen über meinen Handrücken. Immer wenn er mich berührt, hält er kurz den Atem an. Michael steht auf, ohne meine Hand loszulassen. Doch statt zum Fernseher zulaufen, führt er mich ins Musikzimmer. „Ich habe meine Meinung geändert. Seit dem ganzen Tumult mit den Scheiben hast du nicht mehr richtig musiziert. Das ist wirklich schade. Ich möchte nicht, dass du auf etwas verzichtest, was dir Freude bereitet“, erklärte er sein Verhalten. Michael lies meine Hand los und strich vorsichtig über meinen Arm. „Die Türen hier sind immer offen für dich“, fügte er hinzu. Ich verstand nicht, was er von mir wollte. „Soll ich für dich spielen?“,
„Es ist deine Entscheidung. Du kannst noch etwas spielen oder wir gehen doch einen Film ansehen. Ehrlich gesagt beschäftigt es mich, dass es dir vorhin nach dem Spielen nicht so gut ging. Ich möchte nicht, dass du das Gefühl hast, du würdest jemanden stören oder dass es schlimm ist, wenn du traurig bist. Wenn dir nach Weinen zumute ist, ist das völlig in Ordnung“, spricht er seine Gedanken aus. Michael greift sich an dem Oberarm und schaut mich unsicher an. Ich setze mich auf die Klarvierbank und spiele das Lied seiner Mutter. Still setzt er sich zu mir und ich lehne mich an ihn. Ich hatte das Gefühl, dass uns das beiden Trost spendete. Ich spielte die Stücke aus dem Buch für uns.
Irgendwann schickte Manuela uns dann doch ins Bett und ich musste mich leise in sein Zimmer schleichen, um niemanden mehr zu stören. Michael wartet schon auf mich. Schnell schlüpfte ich zu ihm ins Bett und lies mich, von Michael in den Schlaf kraulen. Es war so normal, für mich geworden bei ihm die Nacht zu verbringen.