Bemerkung des Autors: ally242: Da ich manchmal ja so ne richtig blöde Gans sein kann, habe ich für dich, liebes Pony, einen Spezialauftrag. Du weißt, was ich gern lese, wenn ich mich ablenken will - so richtig schöne historische Schnulzen mit ein bisschen Witz und Wirren. Da ich heute echt DRINGEND was zur Aufheiterung brauche, hast du jetzt die Ehre :D Erzählst du mir die Geschichte von Gwendolin und wie sie ihren "Duke" findet? Du darfst, ganz nach Lust und Laune, auch Myffler einbauen, wenn es dir beliebt. Und jetzt widme ich mich wieder meiner Bestimmung *vergräbt sich im Bergwerk* Ach, ja! Damit auch bestimmt kein Missverständnis aufkommt: das ist eine Ally-Gans :D
*** AN: Ich klaue ja alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Dieses Mal mit dabei: Das Regency-Zeitalter, Rubinrot, Saphirblau, Smaragdgrün und natürlich der ein oder andere (versteckte) Myffler PS: Dieses Werk hat eine opulente Länge von mehr als 15.000 Wörtern erreicht - sorry.
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In einer Zeit, in der eine Hochzeit die einzige Möglichkeit für eine junge Dame war, um ihren Status zu sichern, so sie denn nicht ins Kloster wollte, wagte es Gwendolyn Shepherd von einer Vermählung aus Liebe zu träumen. Sie wünschte sich, einen Mann zu treffen, den sie lieben und achten konnte. Einen, der sie nicht für ihre Erziehung, ihre Verbindungen oder ihr Vermögen von beachtlichen 30.000 Pfund wollte, sondern um ihrer Selbst willen.
Ihre Cousine Charlotte Montrose hätte über diese geheime Sehnsucht nur gelacht, ihren zierlichen Zeigefinger mahnend erhoben und gesagt: „Gwendolyn, mit der Einstellung wirst du als alte Jungfer enden. Ich würde mich schämen, wenn ich mit achtzehn Jahren noch nicht verheiratet bin.“
Gwen seufzte bei dem Gedanken. Die perfekte Charlotte würde ohnehin von allen Männern bewundert werden, mit ihrem wundervollen Aussehen, ihren geschliffenen Manieren und ihrer Bildung. Sie konnte hervorragend auf dem Piano forte spielen, hatte eine strahlend schöne Singstimme und zeichnete und nähte so gut, dass sie weithin für ihre Fertigkeiten gerühmt wurde. Kein Wunder, hatte ihre Mutter Glenda doch den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als mit ihrer Tochter anzugeben. Über ihr Ziehkind Gwen hingegen hatte sie nicht ein gutes Wort zu sagen und vergaß ihre Existenz am liebsten. Zumal das Mädchen vollkommen aus der Art geschlagen war. Sie war nicht so groß und gut gebaut wie Charlotte, hatte statt feuriger roter Locken glattes, schwarzes Haar und war lange nicht so hübsch. Zumindest war das Glendas Meinung. Einzig ihre bemerkenswerte, damenhafte Blässe konnte auch ihre Tante nicht wegdiskutieren.
Über den Bildungsstand ihrer Nichte konnte sich Glenda jedoch lange auslassen. Nichts machte Gwendolyn richtig. Sie konnte keine Möbel entwerfen, benähte Handtaschen zu nachlässig, las die falschen Bücher, wusste zu wenig über Geschichte und Politik, sprach lediglich eine weitere Sprache, konnte beim besten Willen nicht tanzen ... Kurzum, Glenda wusste nicht, wie sie das Kind verheiraten sollte. Man konnte nur hoffen, dass sich ein verarmter Gentleman wegen des beträchtlichen Vermögens bereit finden würde. Charlotte hingegen würde natürlich in ihrer ersten Saison verheiratet werden. Mit nur sechzehn Jahren. Auch wenn ihr lediglich 5.000 Pfund gehörten. Doch sie hatte andere Tugenden und war eine anerkannte Schönheit.
Bisher waren all dies nur müßige Überlegungen gewesen, denn weder Charlotte noch Gwendolyn waren bisher in die Gesellschaft eingeführt worden. Dies sollte sich heute Abend ändern. Glenda wäre fast geplatzt vor Stolz, weil sie es geschafft hatte, dass für ihre Tochter am königlichen Hof ein Ball gegeben wurde! Zugestanden, Charlotte war lediglich eine von vielen, die an diesem Tag präsentiert wurden. Aber Glenda war überzeugt, dass eigentlich sie der Anlass war. Der Prinzregent musste irgendwie von ihr gehört haben. Kein Wunder, bedachte man die vielen Tugenden ihrer Tochter!
Einziger Wermutstropfen war, dass auch Gwendolyn eingeladen worden war. Das würde eine Blamage geben! Das Kind hatte doch nichts, womit es sich präsentieren konnte. Wusste der Himmel, wie der Hof von ihrer Existenz erfahren hatte oder warum sie überhaupt erscheinen durfte. In der Einladung zeigte sich einzig der königliche Großmut den Prinzregenten, so viel stand fest. Sein wahrhaft gütiges Herz hatte ihn bewogen, Gwendolyn nicht außen vor zu lassen.
Deshalb – und nur deshalb – erlaubte Glenda dem Mädchen auch, ein besonders schönes Kleid zu tragen. Anders konnte man eine Blamage vor dem versammelten Hof nicht abwenden! Spätestens wenn man sie tanzen sah ...
Dennoch oder gerade deshalb kam sich Gwendolyn neben Charlotte, die in ihrem weißen Musselin-Kleid und mit den hochgesteckten Haaren einer griechischen Göttin ähnelte, unscheinbar vor. Dabei war ihr Kleid sogar teurer als das ihrer Cousine, hatte sie doch einen Teil ihres Taschengeldes für zartrosa Spitze aufgewendet, mit der sie Ausschnitt und Ärmel gesäumt hatte. Doch an Charlottes erhabene Gelassenheit konnte sie niemals heranreichen, geschweige denn, diese überstrahlen.
Gwen wäre die ganze Fahrt unruhig in der Kutsche hin- und hergerutscht, wenn sie nicht von Lady Arista, ihrer Anstandsdame, daran erinnert worden wäre, dass sie so ihr Kleid ruinieren würde. Das wollte sie natürlich nicht, galt es doch, den Abend blamagefrei zu überstehen. Stattdessen begnügte sie sich damit, ihren Fächer zu kneten, ihn immer wieder auf und zu zuklappen. Nicht, dass sie genau wusste, wie sie mit diesem umgehen musste. Es gab so viele Zeichen und diese konnte sie sich – natürlich im Gegensatz zu Charlotte – einfach nicht merken.
Arista schüttelte tadelnd den Kopf. Ihr würde die Aufgabe zufallen, Gwendolyn zu beaufsichtigen, damit sie sich anständig benahm. Zudem würde sie ihr geeignete Tanzpartner aussuchen, Männer, die eine gute Partie für Gwendolyn sein konnten. Glenda würde natürlich das Gleiche für ihre Tochter tun. Für schwere Fälle wie Gwen war es jedoch sicherer, eine erfahrene Gouvernante anzuheuern. Sonst würde man das Kind nie unter die Haube bekommen. Trotz ihrer märchenhaften 30.000 Pfund.
„Verursache bloß keinen Skandal“, hatte Glenda Gwen immer und immer wieder eingeschärft. „Gefallene Mädchen haben in diesem Haus keinen Platz.“
Nicht nur deshalb hatte Gwendolyn diese Nacht kaum geschlafen. Wie würde ihr erster Ball ablaufen? In ihren wildesten Fantasien sah sie sich mit einem jungen, gut aussehenden Mann tanzen. Mehr wagte sie sich kaum vorzustellen, wusste sie doch, was Glenda ihr mehrfach eingeschärft hatte. Manchmal, in den dunkelsten Stunden dieser Nacht, war sich Gwendolyn sicher, dass niemand sie auffordern würde, während Charlotte von einem reichen Verehrer zum nächsten schwebte.
Nun, während sie sich in die Schlange derer eingereiht hatten, die eingelassen werden sollten, kamen diese Ängste mit Macht zurück. Vor allem, als sie endlich in den Ballsaal traten und sie die Kerzen sah. Zehn-Stunden-Kerzen! Das konnte ein unendlich langer Abend werden, falls …
Die Vorstellung vor dem unsagbar fetten Prinzregenten unterbrach ihre Gedanken. Danach nahm Lady Arista sie beim Arm und führte sie durch den Raum. Dabei machte sie sie mit vielen Damen bekannt, redete über ihre Tugenden und ihr Vermögen, als ob Gwendolyn gar nicht da wäre. Womit sie den Kern der Sache traf, denn abgesehen von einigen Nettigkeiten, die sie hier und da einwarf, war die Debütantin viel zu sehr damit beschäftigt, sich im Saal umzusehen. Noch nie hatte sie so viele so gut gekleidete Menschen beisammen gesehen. Die Eleganz und die Pracht der Veranstaltung war überwältigend. Der Lärm, die Hitze und die Enge unbeschreiblich.
Verängstigt presste Gwen die Lippen aufeinander. Wie sollte sie hier in diesem Gedränge jemand bemerken? Natürlich erhaschte sie in diesem Moment einen Blick auf Charlotte, die einige Meter weiter bereits angeregt plauderte. Mit einem jungen Mann. Wahrscheinlich bat er sie um die ersten beiden Tänze des Abends.
Unauffällig manövrierte sie Lady Arista zu der kleinen Gruppe hinüber. Auf dem Weg dorthin ließ sie sich von einem Diener eine Erfrischung reichen und drückte auch Gwendolyn ein Glas in die Hand. Geistesabwesend nippte diese daran, während sie ihre Cousine betrachtete.
Perfekte Locken umrahmten ihr Gesicht, während die durch ein weißes Band gehaltene Hochsteckfrisur den Blick auf ihren schmalen Nacken freigab. Der Ausschnitt ihres Kleides verhieß alles, ohne etwas zu verraten. Die hohe Brustlinie und der weich fallende Stoff betonte ihre Formen vorteilhaft.
Gerade ließ sich ein weiterer Gentleman ihrer Cousine vorstellen. Ein dritter wartete weiter hinten auf seine Gelegenheit. Ja, Charlotte würde den ganzen Abend tanzen, während sie, Gwendolyn, noch nicht einmal mit einem Herrn gesprochen hatte.
Als sie die Gruppe erreichte, bemerkte sie, dass es im Saal einige Nuancen ruhiger geworden war. Alle Augen richteten sich wie unter Zwang auf einen jungen Mann, der gerade selbstsicher durch den Raum schritt. Seine Haltung war aufrecht, seine Schultern breit, die Figur makellos. Braune Locken umrahmten ein markantes Gesicht. Seine auffallend grünen Augen blitzten unternehmungslustig. Der Gentleman war offensichtlich gerne hier und genoss die Aufmerksamkeit. Er war hervorragend gekleidet. Sein der neusten Mode entsprechender schwarzer Mantel, der reich mit Knöpfen versehen war, verriet seinen Reichtum auf den ersten Blick. Seine Kniebundhose, die eine Körperregion, auf die Gwen nicht zu schauen wagte, betonte, gab zudem die Sicht auf seine wohlgeformten Waden wieder. Auch wenn diese züchtig unter einer Strumpfhose verborgen waren, fragte sich die Debütantin unwillkürlich, ob sein ganzer Körper so gut bemuskelt und geformt war, wie dieses Paar Unterschenkel.
Gwendolyn blickte auf und sah dem Mann direkt in die Augen. Unwillkürlich hielt sie die Luft an. Noch nie hatte sie einen so schönen Mann zu Gesicht bekommen. Die umstehenden Damen dachten offenbar das Gleiche, denn sofort ging das Getuschel los.
„Das ist der Duke de Villiers“, zischte Lady Arista ihr zu. „Er hat 10.000 Pfund im Jahr, ein Haus in der Stadt ... Für eine Dame Eures Standes wäre er eine hervorragende Partie.“
Weiter kam sie nicht, denn der Duke ging – natürlich – auf Charlotte zu. Er lächelte, als er die Gruppe betrachtete. Eine ältere Dame begleitete ihn und nutzte die Gelegenheit, um ihn vorzustellen.
Er verbeugte sich artig vor Charlotte, warf ihr einen langen Blick zu und wandte sich dann an Gwendolyn, die in seiner Nähe kaum in der Lage war, richtig zu atmen. Beinahe zu spät versank sie daher in eine tiefe Referenz. Sie senkte den Kopf, um nicht sehen zu müssen, wie er sich gelangweilt von ihr abwandte.
„Würdet Ihr mir die Ehre geben, mit mir die ersten zwei Tänze des Abends zu bestreiten?“, fragte er Charlotte auch sofort.
‚Ha’, dachte Gwendolyn bei sich. ‚Dumm für dich, dass du die schon versprochen hast, Cousinchen.’ Es war ein schaler Triumph, zeigte es doch, wie schnell sein Interesse an ihr nachgelassen hatte. Aber Gwendolyn war nicht wählerisch.
„Miss Shepherd?“, hakte der Duke nach. „Die ersten zwei Tänze?“
„Na- Natürlich, gerne“, stammelte Gwen, als ihr bewusst wurde, dass er sie gefragt hatte. Nicht Charlotte!
Schnell blickte sie zu ihrer Cousine herüber. Diese sah aus, als habe sie eine lebende Wespe verschluckt. Gwen musste sich ein triumphierendes Grinsen verkneifen, schon deshalb, weil sie sich irgendwie durch die Konversation mit dem Duke hangeln musste. Seine Nähe vernebelte ihr Gehirn. Zumindest hoffte sie, dass es seine Schuld war und nicht die des Punsches in ihrer Hand.
Sie wusste kaum, was sie antwortete und dann war es schon soweit. Er ergriff ihre Hand und reihte sich mit Gwendolyn in die Reihe der Tänzer ein. Da der Duke selbst hier bei Hofe einen hohen Rang inne hatte, durfte er recht nahe an dem Orchester tanzen, das nun mit einem Cotillion eröffnete.
Das Mädchen war so berauscht von der Nähe seines Partners, dass es ganz vergaß, dass es doch gar nicht richtig tanzen konnte. So schwebte Gwen an der Seite des Dukes durch den Raum und bemerkte dabei nicht, dass viele der Anwesenden bewundernd auf das Paar blickte, dessen Schritte so elegant, so leicht waren. Wispernd und raunend wurden Komplimente gesprochen und Lady Arista hörte alles. Stolz lächelte sie, denn sie konnte sich noch gut an Lucinda, Gwens Mutter erinnern und wusste, dass auch sie damals solch ein Aufsehen erregt hatte. Kein Wunder also, dass sie reich geheiratet hatte. Leider verstarb sie bei der Geburt ihrer Tochter, woraufhin sich deren Vater zu Tode grämte und Gwendolyn als Waise in der Obhut ihrer Tante zurückließ.
Nur eine Person betrachtete die Szene mit Neid und Missgunst. Glenda wusste um den Wert des derzeitigen und der kommenden Tanzpartner ihrer Tochter und keiner kam dem Duke gleich. Charlotte, das dumme Ding, hatte sich diese Gelegenheit entgehen lassen, auf einen wirklich lohnenden Kandidaten Eindruck zu machen. Das durfte nicht noch einmal passieren! Es war essentiell, sie besser zu verheiraten als ihre Cousine, die mit ihrem Vermögen einen eindrucksvollen Vorsprung hatte. Aber Glenda würde schon dafür sorgen, dass sich alles nach ihrem Willen fügte, das schwor sie sich in diesem Moment. Mochten die beiden auch noch so sehr turteln, sie würde den Duke für Charlotte gewinnen.
Gwendolyn ahnte nichts von diesen finsteren Plänen. Stattdessen genoss sie die Gegenwart de Villiers in vollen Zügen.
„Ihr tanzt sehr gut, Miss Shepherd“, unterbrach er schließlich das Schweigen. „Ich hatte lange schon keine so hervorragende Partnerin.“
„Mit Euch ist es leicht, gut zu sein“, antwortete sie und schlug dann beschämt die Augen nieder. Wie unangemessen dieses Kompliment war!
Er lachte nur. „Normalerweise tanze ich wie ein ungehobelter Klotz. Doch Eure Schönheit und Euer Lächeln machen aus mir einen leichtfüßigen Schwan!“
Gwen wünschte sich ihren Fächer, um ihr Gesicht dahinter verbergen zu können. „Ihr tragt ein wenig zu dick auf, lieber Duke“, antwortete sie. „Schämt Ihr Euch nicht, so zu tändeln?“
„Tändeln? Ihr glaubt also, dass ich es nicht ernst meine?“
„Wie könntet Ihr? Es ist ein Wunder, dass Ihr mich neben meiner Cousine überhaupt bemerktet.“
Er runzelte die Stirn. Beinahe schien es, als wüsste er gerade nicht, von wem sie sprach. „Ah, die kühle Miss Montrose. Ich würde Euch versichern, wie unscheinbar ich sie neben Euch empfand, doch Ihr würdet mir nicht glauben und es im schlechtesten Fall als Beleidigung der jungen Dame werten. Daher ziehe ich vor, zu schweigen.“
Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte und beschränkte sich auf ein unverbindliches Lächeln. Er gab ihr eine kurze Zeit, um den Aufruhr in ihrem Herzen zu beruhigen, dann plauderte er mit ihr über Belanglosigkeiten. Bücher, Maler, London und der Ball wurden abgehandelt.
Zu bald schon endeten die ersten Tänze und die Männer brachten ihre Damen zurück zu deren Begleitungen. Diese hatten schon eifrig für neue Partner gesorgt und den Mädchen blieb kaum Zeit, Luft zu holen, bevor sie zum nächsten Gentleman weitergereicht wurden.
Erst das Essen unterbrach den Tanz. Es war – wie nicht anders zu erwarten – vorzüglich. Schaustücke, diverse Fleischsorten, Meisterwerke der Konfisseriekunst, Früchte, Fisch, Naschwerk aller Art wurde in einer Menge dargeboten, die sich kaum einer der Anwesenden über ein Jahr verteilt hätte leisten können. Doch der Prinzregent sparte keinesfalls bei seinem Ball. Alle sollten sie versorgt sein und über seinen Reichtum staunen.
Nach dem Essen war es Zeit für die jungen Damen, ihre Talente vorzuführen. Natürlich nahm Charlotte – sobald es ihre Erziehung und ihr niedriger Rang erlaubte – am Piano forte Platz. Ihr Gesang und ihr Spiel waren, im Gegensatz zu den Mädchen zuvor, wunderschön. Auch Gwendolyn lauschte ihr verzaubert, während sie sich mit dem Fächer Luft zufächele. Ab und an schmuggelte sie einen verstohlenen Blick zum Duke, der sie jedoch nicht zu bemerken schien.
Als Charlotte geendet hatte, wurde ihr beinahe frenetischer Beifall durch die Ballbesucher gezollt. Natürlich wurde sie gebeten, erneut zu spielen. Sie ließ sich überreden, doch nur unter einer Bedingung.
„Meine Cousine Gwendolyn muss dieses Lied singen“, erklärte sie. „Nur sie schafft es, die richtige Stimmung zu schaffen.“
Gegen ihren Protest wurde Gwen nach vorne gezwungen. Schließlich konnte sie den Wunsch des Prinzregenten und seiner Gäste nicht ablehnen, ohne unhöflich zu sein.
„Wollen wir mal sehen, ob sie dich nach deiner Vorstellung noch bewundern“, zischte ihr Charlotte höhnisch zu. Ohne eine Erwiderung Gwendolyns abzuwarten, begann sie zu spielen.
Diese erkannte zum Glück das Lied und begann zunächst schüchtern zu singen. Doch sie liebte Musik und schon bald vergaß sie alles um sich herum. Der Text war wunderschön und traurig zugleich, handelte er doch von zwei Liebenden, die sich nicht bekommen konnten, weil ihre Familien dagegen waren, und sich deshalb schließlich das Leben nahmen.
Als sie geendet hatte, blieb es sekundenlang vollkommen still. Peinlich berührt schloss Gwendolyn die Augen, nur um sie wieder aufzureißen, als die Zuhörer in lauten Applaus ausbrachen. Lauter als bei Charlotte! Einige von ihnen mussten sich sogar verstohlen eine Träne aus den Augenwinkeln wischen.
Trotzdem brauchte Gwendolyn nicht noch einmal singen, denn andere Damen drängten an das Piano forte. Erleichtert kehrte sie zu Lady Arista zurück, die ihr Stolz den Arm drückte. Der weitere Verlauf des Abends war ein Kinderspiel, denn die jungen Männer rissen sich darum, mit Gwen tanzen zu dürfen. Etwas, das Charlotte gar nicht schmeckte und so holte sie, während in einer Tanzpause Parmesan-Eis und Punsch serviert wurde, zum Gegenschlag aus.
„Du musst durstig sein, liebste Cousine“, säuselte sie und reichte Gwendolyn ein Glas, nur um den Inhalt auf ihr Kleid zu schütten. „Hach, herrje. Wie ungeschickt von mir. Das tut mir aber leid.“
Entsetzt starrte Gwen an sich herunter. Das Kleid war ruiniert! Und nicht nur das, so konnte sie sich nicht sehen lassen! Tränen schossen ihr in die Augen. Es war doch alles so schön gewesen.
Doch sie wollte Charlotte diesen Triumph nicht gönnen. Eilig raffte sie die Röcke. „Ich brauche frische Luft“, erklärte sie, lehnte Aristas Begleitung ab und floh in den Garten. Dort setzte sie sich in das schützende Dunkel einer der Lauben und weinte hemmungslos. Diese gemeine, hinterhältige Charlotte! In Gedanken verfluchte sie ihre Cousine auf unchristlichste Weise. Wie hatte sie so etwas tun können?
Sie war so in ihre Tirade vertieft, dass sie nicht hörte, wie sich jemand der Laube näherte. „Darf ich mich zu Euch gesellen, Miss Shepherd?“, fragte eine nur zu bekannte Stimme.
Gwendolyn blieb die Luft weg. Es war der Duke. Hier. Im Dunkeln! In der Gartenlaube während eines Balls. Wie ganz und gar ungehörig.
„Ich … ich glaube nicht, dass das schicklich wäre“, entgegnete sie.
Er lachte leise. „Nein, das glaube ich auch nicht. Aber uns sieht ja keiner.“ Ohne eine weitere Antwort abzuwarten, setzte er sich neben sie und nahm ihre Hand. „Schließlich ist es hier dunkel. Ich kann lediglich die Schemen Eures wunderschönen Gesichts erkennen.“
Gwen traute sich kaum zu atmen, sondern genoss lieber die Intimität des Moments. „Ich bin nicht so eine …“, stammelte sie schließlich, als es schon viel zu spät war, um glaubhaft zu sein. „Ich … Ihr… Wir sollten nicht …“
Wieder lachte er. „Keine Angst, ich werde Euch gleich allein lassen. Ich wollte nur sehen, ob es Euch besser geht.“
„Mir … mir geht es gut.“ Warum musste ihre Stimme so hoch und atemlos klingen? Was sollte er jetzt denken?
„Macht Euch keine Sorgen wegen des Kleides. Niemand wird schlecht von Euch denken.“
„Ihr habt es gesehen?“ Ihr war das schlechte Benehmen ihrer Cousine äußerst peinlich.
„Nur den Fleck. Keine Sorge, mir ist auch schon mal ein Glas Punsch aus der Hand geglitten. Aber bei mir sah das hochnotpeinlich aus und nicht wie ein Herz.“
„Herz?“
„Na, der Fleck“, schmunzelte er. „Ein Herz über Eurem Herzen.“
Sie musste grinsen. „Ihr tragt schon wieder reichlich dick auf, findet Ihr nicht?“ Sie war dankbar für den Schutz der Dunkelheit, denn sie fühlte, wie heiß ihr Gesicht wurde, sobald sie ihm gegenüber auch nur einen leicht neckenden Tonfall anschlug.
„Und Ihr seid unschicklich offen. Damit verstoßt Ihr gegen die Etikette.“
Sie konnte nicht glauben, wie leicht er auf ihre Worte eingegangen war. Fast so, als ob gar nichts dabei wäre. Beinahe könnte sie glauben, dass er wirklich an ihr interessiert wäre. Doch das konnte wohl kaum sein. Andererseits, warum saß er dann hier bei ihr? „Als ob es nicht gegen die Etikette verstößt, mit einem unverheirateten Mann im Dunkeln in einer Gartenlaube zu sitzen“, brummte sie missfällig und fragte sich, woher sie auf einmal den Mut nahm, so mit ihm zu reden. Wahrscheinlich war es das Gefühl seiner Finger, die mit ihren spielten. Damit brachte er sie ganz durcheinander. Sie hoffte nur, dass er das laute Klopfen ihres Herzens nicht hören konnte! Und dass er die Röte nicht sehen konnte, die mit Sicherheit ihr Gesicht zierte! Vorsichtshalber wandte sie jedoch das Gesicht ab.
„Ich merke, Miss Shepherd, es geht Euch gut.“
Sie nickte. „Ja, gebt mir einen Augenblick, dann werde ich in den Ballsaal zurückkehren. Ihr könnt mich alleine lassen.“
Doch er folgte ihrer Aufforderung nicht. Stattdessen fasste er sie unterm Kinn und drehte ihren Kopf zu sich um. „Gwendolyn, ich weiß, dass ich das nicht tun sollte, weil es gegen jeglichen Anstand verstößt. Aber Euer Liebreiz lässt mir keine Wahl.“ Und dann küsste er sie.
Sie wusste, dass sie ihn hätte wegstoßen müssen. Doch sie konnte es nicht. Das Gefühl von seinen Lippen auf ihren … und was es in ihr auslöste. Es war gut. Verboten gut.
Das durfte nicht sein! Sie musste ihre Ehre bewahren, sonst … Aber seine Nähe, sein Geruch, die Wärme seiner Lippen. Langsam schloss sie die Augen und ließ zu, dass seine Hand tiefer rutschte, an ihrem Hals hinab, auf ihre Schulter …
Schritte erklangen auf dem Kies vor der Laube und der Duke zuckte ertappt zurück. „Verzeiht“, raunte er. „Ich …“ Er verstummte, als ein großer Schatten vorbeiging. „Das war einer der Wachposten“, flüsterte er, kaum dass der andere außer Hörweite war.
„Aber was hatte er da über der Schulter?“, fragte Gwen irritiert.
„Eine Nagelkeule. Neuste Idee der Garde. Es ist patriotischer, als der aus Frankreich stammende Degen, schließlich haben unsere Vorfahren, die Angel-Sachsen, ebenfalls mit einer Keule gekämpft.“ Der Duke erhob sich und schaute aus der Laube. „Er ist fort, er hat uns nicht bemerkt.“ Erneut griff er nach ihrer Hand. „Das hätte einen schönen Skandal gegeben, meint Ihr nicht?“
Seine Worte waren wie ein Schwall kaltes Wasser. Wenn man sie hier entdeckt hätte! Sie wäre für alle Zeit entehrt gewesen, ein gefallenes Mädchen. „Ich muss gehen“, flüsterte Gwendolyn eilig, entzog ihm die Hand und eilte aus der Laube. Oh, warum hatte sie das nur zugelassen? Was sollte er jetzt denken? Er würde sie für ehrlos halten und damit hatte sie alle Möglichkeiten, ihm jemals zu gefallen, verspielt. Was war sie nur für eine dumme Gans? Charlotte wäre das nie passiert!
Schon wieder hätte sie heulen können. Der Abend, der so schön angefangen hatte, war nun richtig verdorben. Alles war umsonst gewesen.
Heimlich huschte sie wieder in den Ballsaal und versteckte sich in einer schlecht ausgeleuchteten Ecke vor dem Duke, den anderen Herren, Glenda und Lady Arista. Zumindest solange, bis Letztere sie suchen kam, damit sie heimfahren konnten.
Auch in dieser Nacht schlief Gwendolyn schlecht. Sie war hin- und hergerissen zwischen Scham über ihr schlechtes Benehmen und dem Verlangen nach den Berührungen des Dukes. Sie wusste inzwischen, dass einzig das Auftauchen der Wache sie davor gerettet hatte, dem Brennen in ihrem Inneren nachzugeben und dem Duke nicht nur Küsse zu erlauben. Dabei verstieß das gegen jegliche gute Erziehung! Aber es hatte sich in diesem Moment so wahr, so richtig angefühlt. Dabei durfte es nicht sein. Ihre Ehre, ihre Zukunft stand auf dem Spiel. Wollte sie das alles wegwerfen für einige Augenblicke Leidenschaft?
Denn es stand keineswegs fest, dass der Duke sie heiraten würde, nur weil es um sie beiden einen Skandal gäbe. Zwar sagte man, dass er ein Mann von Ehre sei, aber die Allgemeinheit hatte sich schon in manch einem jungen Herrn getäuscht. Vermögen machte vergesslich, Stand machte ehrlich. Und der Duke hatte beides.
‚Du weißt genau, dass er nicht so ist’, flüsterte ihre innere Stimme, die sie hartnäckig zu ignorieren suchte. ‚Wenn er dir sagt, dass du schön bist, dann meint er das.’
Aber wo sollte das hinführen? Küsse, Berührungen und weiter? Sie kannte ihn nicht, wusste nicht, ob sie den Ansprüchen seiner Familie genügte. Gewiss, sie war nicht arm, doch sie war keine der reicheren jungen Erbinnen aus der Gentry. Diese waren doch viel eher etwas für einen Mann wie ihn. Oder durfte er frei wählen, durfte aus Liebe heiraten? Und wenn er das durfte, wäre wirklich sie es, deren Hand er begehrte, oder würde er sich abwenden, nachdem er hatte, was er wollte? Schließlich hatte er am gestrigen Abend nicht noch einmal nach ihr gesucht, sondern war – ohne sich noch einmal umzuschauen – in der Menge verschwunden.
Seufzend wälzte sich Gwendolyn von einer Seite auf die andere und grübelte. Antworten auf ihre Fragen fand sie nicht.
Ganz andere Sorgen hatte Glenda. Denn diese hatte den Duke zu einem Familiendinner eingeladen, solange er noch in der Stadt war. Allerdings nur, um ihm Charlotte näher zu bringen. Dies würde nicht gelingen, wenn dieses Missgeschick auf zwei Beinen anwesend wäre. Also galt es, Gwendolyn rechtzeitig loszuwerden.
Hierzu bot sich eine Bekanntschaft an, die das Mädchen mit zwei jungen Damen, Miss Rialto und Miss Sirano, geschlossen hatte. Glenda tat nun alles, um diese zu vertiefen und es gelang ihr, dass ihre Nichte zu einem Mittagessen und der anschließenden Abendveranstaltung eingeladen wurde. Der Besuch des Dukes wurde von Glenda kurzerhand auf den gleichen Tag gelegt. Er hatte zwar bisher kein größeres Interesse an Charlotte gezeigt, aber das lag nur daran, dass er zuerst von Gwendolyns Vermögen gehört hatte. Sobald er erst einmal mit Miss Montrose alleine war, würde er schon zur Besinnung kommen, da war sich Glenda sicher. Alles eine Frage der Zeit.
Ihr Plan klappte zunächst vorzüglich. Der Duke erschien erst eine Stunde, nachdem Gwendolyn das Haus verlassen hatte. Zwar war er enttäuscht über deren Abwesenheit, aber Charlotte gelang es, ihn in ein Gespräch über einige gemeinsame Bekannte zu verwickeln. Ihr Witz und ihr Charme sorgten bald dafür, dass sich de Villiers vollkommen wohl fühlte. Er entspannte sich sichtlich und genoss die Unterhaltung.
Bevor das Essen aufgetragen wurde, gelang es Glenda scheinbar zufällig, Charlotte und den Duke eine Weile allein zu lassen. Jetzt lag es an ihrer Tochter, die entscheidenden Schritte zu unternehmen.
„Werdet Ihr lange in der Stadt bleiben?“, fragte das Mädchen den Duke, kaum dass ihre Mutter den Raum verlassen hatte.
Er bejahte, ging dann jedoch unruhig im Raum auf und ab. Es behagte ihm offenbar nicht, dass er mit ihr alleine war. Kein Wunder, zu leicht hätte er die Situation ausnutzen können. Nicht, dass er entsprechende Absichten gehabt hätte, aber es gab schnell Gerüchte unter der Dienerschaft. Diese wären nicht gut für den Ruf der beteiligten Dame. Also suchte er nach einer unverfänglichen Ausrede, mit der er weder Charlotte brüskierte, noch ihre Reputation in Gefahr brachte.
„Wollen wir nicht etwas singen?“, schlug er vor. Wenn das Piano forte zusammen mit beiden Stimmen erklang, wären sicher alle überzeugt, dass hier nichts Unrechtes geschah. Zumal er nicht vorhatte, gegen die Etikette zu verstoßen. Der Vorfall mit Gwendolyn war bereits unverzeihlich genug.
Verärgert runzelte er die Stirn. Wie hatte ihm das passieren können? Er hatte nur gesehen, wie sie mit beflecktem Kleid und Tränen in den Augen in den Garten lief und war ihr direkt hinterher gegangen. Obwohl er wusste, was das für sie bedeuten konnte, wenn man sie fand. Und was es für ihn bedeuten würde. Aber das war ihm egal gewesen. Sie hatte etwas an sich, das er beschützen wollte und er wollte ihr Lächeln sehen, ihr wunderschönes, glückliches Lächeln. Es sollte ihm gelten, ihm allein.
Daher hatte er versucht, sie ein wenig aufzumuntern, der Situation die Peinlichkeit zu nehmen. Stattdessen hatte er alles nur schlimmer gemacht und sie geküsst. Wie sollte sie ihn jetzt wieder Ernst nehmen? Sie musste doch denken, dass er nur mit ihr spielte, ihre Jugend und Unschuld ausnutzen wollte. Unverzeihlich, sein Verhalten, unverzeihlich! Er hatte sich so geschämt, dass er den Ball direkt verlassen hatte. Zumal er auch den kleinen Teil in sich beruhigen wollte, der danach schrie, so eine Situation erneut herbeizuführen.
Innerlich fluchte er. Er war eben auch nur ein Mann und sie war unglaublich schön. Vielleicht nicht so perfekt wie ihre Cousine, nicht so gebildet, doch sie hatte etwas Nahbares, etwas Menschliches, was dieser vollkommen fehlte.
Das Geräusch von Charlotte, die das Piano forte öffnete, unterbrach seine Gedanken. „Was wollt Ihr denn singen?“
Er nannte das erste Duett, das ihm in den Sinn kam, und bald schon klangen ihre Stimmen durch das Haus. Natürlich zu Glendas Missfallen, die sich nun früher zurück begab, als sie es ursprünglich beabsichtigt hatte. So hatte sie immerhin die Möglichkeit, de Villiers mit Komplimenten zu seiner Stimme zu überschütten, bevor das opulente Mahl aufgetragen wurde.
Auch nach dem Essen bat Charlotte den Duke, mit ihr zu singen und er tat ihr den Gefallen. So konnte er der offensichtlichen Freundlichkeit ihrer Mutter entkommen. Leider nutzte diese wieder die Gelegenheit, um beide allein zu lassen. Wie konnte sie ihrer Tochter das nur zumuten?
Diese hielt sich tapfer und plauderte mit ihm, wenn sich die Gelegenheit bot, doch zumeist beschränkten sie sich aufs Musizieren. So schön es war, eine gut geschulte Partnerin zu haben, so war diese Beschäftigung jedoch bald sehr eintönig. Der Duke hätte sich längst verabschiedet, hätte er nicht gehofft, Gwendolyn noch zu sehen.
Doch Glenda hatte vorgesorgt und den Kutscher angewiesen, einem der Pferde ein Eisen abzuziehen, damit ihre Nichte an diesem Tag nicht heimkommen würde. Doch sie hatte die Rechnung ohne die Damen Rialto und Sirano gemacht. Diese liehen ihrer neuen Freundin kurzerhand ihre Kutsche und so kam es, dass Gwendolyn doch noch rechtzeitig zurückkehrte.
Der Duke hatte sich gerade erhoben, um sich zu verabschieden, da stand sie wie aus dem Boden gewachsen vor ihm.
„Verehrter Duke.“ Sie versank in eine tiefe Referenz und senkte den Kopf.
Er konnte nicht anders, als an den kurzen Moment in der Laube zu denken und wünschte sich, die zarte Haut ihres Gesichts berühren zu dürfen. Doch er beherrschte sich und absolvierte eine knappe Verbeugung.
„Miss Shepherd. Wie schön, dass ich Euch noch sehe.“
„Ihr wart im Begriff, zu gehen.“ Es war halb Feststellung, halb Frage.
„Wer könnte gehen, wenn so viel Schönheit anwesend ist?“ Auch wenn er die Arme ausbreitete und so Charlotte in dieses Lob einschloss, bezog sich sein Kompliment auf sie. Und endlich, endlich hob sie den Kopf. Sein Blick traf ihre unsagbar blauen Augen. „Es ist schön, Euch zu sehen“, wiederholte er, weil er nicht mehr wusste, was er zu sagen beabsichtigte.
Gerade, als sich ein kleines Lächeln in ihre Mundwinkel stehlen wollte, unterbrach Glenda die beiden. „Komm doch erst einmal herein, Gwendolyn“, schimpfte sie missmutig. „Steh nicht nur da rum. Setz dich hin!“
Ihre Nichte gehorchte.
„Ich werde derweil in die Küche gehen und nach einem Nachtmahl schicken“, erklärte Tante Glenda. „Das wäre eigentlich Gwendolyns Aufgabe, aber so kurz nach ihrer Ankunft möchte ich ihr das nicht zumuten.“ Sie hätte es natürlich gerne getan, doch sie wollte es sich mit dem Duke nicht verderben. Stattdessen beschloss sie, ihm die Möglichkeit zu geben, Charlotte und Gwendolyn miteinander zu vergleichen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. „Ihr esst doch mit uns, Duke de Villiers?“
Dieser nickte, wartete, bis ihre Tante den Raum verließ und wandte sich dann zu Gwendolyn um. Charlotte konnte es sich natürlich nicht nehmen lassen, gelangweilt auf dem Piano herumzuklimpern. So machte sie zumindest eine Unterhaltung unmöglich.
Erst als der Duke bei Gwen Platz nahm, schloss sie das Piano und kam herüber. Dabei bemühte sie sich eifrig, Konversation zu betreiben und die Aufmerksamkeit de Villiers auf sich zu ziehen. Doch dessen Blick ruhte nur auf ihrer Cousine, die dadurch so nervös wurde, dass sie lieber ihre Fingerspitzen betrachtete.
All das blieb Charlotte nicht verborgen und so setzte sie zu einer erneuten Attacke an. „Ich wünschte, Gwendolyn könnte Piano forte spielen“, erklärte sie laut. „Dann könnten wir uns durch ein wenig Tanz erfrischen. Es ist ermüdend, so lange zu sitzen.“
Die Angesprochene blickte überrascht auf, denn die indirekte Aufforderung eines Mannes verstieß gegen jegliches gutes Benehmen, doch dann senkte sie wieder beschämt den Kopf. Hätte sie bloß gelernt, das Instrument zu spielen. Ihr wäre diese Peinlichkeit erspart geblieben und der Duke wüsste, dass sie ebenfalls eine gebildete junge Dame war.
„Ihr hingegen könnt wunderbar musizieren“, antwortete der Duke. „Wie wäre es, wenn Ihr noch einen schottischen Tanz spielt und Miss Shepherd und ich tanzen dazu?“
Charlottes verdutztes Gesicht war ein Bild für die Götter. Leider konnte sie sich aus dieser Situation auch nicht mehr herausmanövrieren und so blieb ihr nichts anderes übrig, als das Piano forte erneut zu öffnen und dem Wunsch de Villiers nachzukommen.
„Ich hoffe, dass meine Cousine Euch nicht zu häufig auf die Füße tritt“, spottete sie noch.
Gwendolyn war zu überrascht, um zu protestieren und so ließ sie sich von ihm in die Mitte des Raumes führen. Dort eröffnete er mit einer Verbeugung, die sie mit einem Knicks beantwortete, den Tanz.
Wieso tat er das? Mochte er sie wirklich oder spielte er nur mit ihr? Gewiss, sie hatte nichts Schlechtes über ihn gehört, doch sie wusste, dass sie einen Mann wie ihn wohl kaum dazu verführen konnte, ernsthafte Absichten zu haben. Zumal sich ihre Frisur auf dem Rückweg aufgelöst hatte. Die Locken waren zerzaust, kleine Strähnchen lösten sich aus dem Haarknoten, der mit einem Band hochgesteckt war. Ihr Kleid hatte Matschspritzer abbekommen und war weit entfernt von frisch gebügelt. Wie konnte sie ihm gefallen, wenn daneben das Abbild der Perfektion saß? Oh, hätte sie sich doch erst zurecht gemacht, bevor sie ihm unter die Augen getreten wäre. Was musste er jetzt denken?
„Ihr seht auch heute wieder hinreißend aus“, unterbrach er das Schweigen. „Wenn Ihr mich jetzt noch mit dem gleichen Charme und Witz begeistern könntet, wie auf dem Ball, wäre ich ein glücklicher Mann.“
Sie zog eine Augenbraue hoch, was er zum Glück nicht sah, denn bei der Figur drehte sie rücklings an ihm vorbei. „Ich kann mich weder an Witz noch Charme erinnern. Eigentlich kann ich mich an gar nichts erinnern, außer …“ Ihr Gesicht wurde heiß bei dem Gedanken an den Kuss und sie verstummte vor Scham. Wie hatte sie es nur wagen können, eine Andeutung in diese Richtung zu machen? War sie denn von Sinnen? Was musste er von ihr denken?
Er lächelte und zog sie bei den nächsten Schritten näher an sich, als dieser Tanz eigentlich vorsah. Sein Atem streifte ihr Gesicht. „Ihr solltet einem Gentleman nicht widersprechen, wenn er Euch ein Kompliment macht“, raunte er ihr zu. Anstatt ihre Hand loszulassen, hob er diese hoch und drückte ihr einen sanften Kuss darauf. „Miss Shepherd, was habt Ihr an Euch, dass ich bei Euch jegliche gute Erziehung vergesse?“
Ein rascher Blick über seine Schulter vergewisserte sie, dass Charlotte sich gerade auf die Noten konzentrierte. Blitzschnell entzog sie sich ihm, in dem sie sich von ihm wegdrehte. „Ihr vergesst vor allem die Schritte des Tanzes, werter Duke.“ Ihre blauen Augen funkelten und die Anstrengung und Aufregung hatte ihre Wangen gerötet.
„Ich habe Euch noch nie so anziehend gefunden, wie in diesem Moment“, entfuhr es ihm unwillkürlich, dann hatte er sich wieder in der Gewalt.
Die nächste Figur brachte beide näher zusammen und wieder minimierte er den Abstand zwischen ihnen. Er blickte zu ihr hinunter. Kurz überzeugte er sich, dass Charlotte nichts von all dem wahrnahm, was hinter ihrem Rücken geschah. Dann streiften seine Lippen rasch über die seiner Tanzpartnerin.
Diese glaubte, das Herz müsste ihr zerspringen, so wild klopfte es in ihrer Brust. Dabei wusste sie genau, dass sie dieses Benehmen hätte rügen müssen. Stattdessen blieb sie wie angewurzelt stehen und erlaubte es sich, nach seiner Hand zu greifen, obwohl das diese Figur gar nicht vorsah.
Er lächelte, drehte Gwendolyn und führte sie in einer komplizierten Bewegung wieder an sich heran. „Ich mag nicht, wenn Ihr so weit von mir wegbleibt.“ Dann legte er ihre Hand auf seine Brust. „Spürt Ihr das? Es schlägt nur für Euch.“
Sie sah sich entsetzt um. Doch Charlotte beachtete die beiden noch immer nicht. Zumindest erweckte sie glaubhaft den Anschein, es nicht zu tun.
„Hier ist nicht der richtige Ort für so etwas“, zischte Gwen. „Wenn wir bemerkt werden …“
„Dann nennt mir einen.“ Als sie zögerte, fuhr er fort: „Heute Nacht, bei Euch im Zimmer.“ Sie wollte auffahren, doch er ließ sie nicht. „Ich werde nur reden, versprochen. Eure Unschuld ist bei mir in sicheren Händen.“ Er warf ihr einen glühenden Blick zu. „Versprecht es mir.“
Wie konnte sie da nein sagen? Ihr Widerstand schmolz dahin. „Ich verspreche es.“
Seine Erleichterung über ihre Zustimmung war offenkundig. Er atmete auf, beugte sich noch einmal zu ihr und küsste sie dieses Mal richtig. Warm lagen seine Lippen auf ihren, doch nur einen Augenblick. Gerade lange genug, um in ihr ein verlangendes Lodern zu entzünden, das sie hungrig zurückließ.
Die letzten Töne des Liedes verklangen und Charlotte blickte auf. Doch sie sah nichts, was ihr hätte verdächtig vorkommen können, denn das Tanzpaar beendete gerade die Figur und kam dann mit ausreichend Abstand zwischen ihnen zu ihr herüber.
Bald darauf kehrte Glenda mit dem Nachtmahl zurück und der Abend schien seinen geplanten Verlauf zu nehmen. Doch für zwei der Anwesenden fing die Aufregung gerade erst an.
Gwendolyn war nervös. Sie hatte sich entkleiden müssen, trug nur noch ihr Nachtgewand. Ihr langes, schwarzes Haar lag offen über den schmalen Schultern. Kein Aufzug, um einem Gentleman zu begegnen, doch alles andere hätte Glendas Verdacht erregen können. Und das galt es unter allen Umständen zu vermeiden. Denn ihre Situation war schon prekär genug. Wie hatte sie nur zusagen können? Doch ein Blick in seine Augen und ihr Widerstand war dahingeschmolzen wie Butter in der Sonne. Sie hatte alle Regeln des Anstandes und der Ehre vergessen und war ihrem Verlangen nach ihm erlegen.
Unruhig ging sie auf und ab. Vielleicht kam er gar nicht. Ob er sich an seine Worte halten würde? Was wäre, wenn er unlautere Absichten hatte? Sie bekämpfte den kleinen Teil in sich, der sich genau das wünschte. Seine Küsse. Auf ihrem Mund. Ihrem Hals. Ihren …
Sie verbot sich den Gedanken. So etwas durfte nicht geschehen. Niemals. Wenn sie jemals heiraten wollte, selbst wenn es aus Liebe wäre, musste sie unbefleckt in die Ehe gehen. Egal wie sehr es sie auch drängte, die Vernunft über Bord zu werfen und ihm einfach zu geben, was er wollte.
Um wenigstens etwas zu tun zu haben, zündete sie eine Kerze an. Das kleine Licht würde niemandem auffallen. Aber es gab ihr Sicherheit. Wenn er etwas Dummes plante, konnte sie es immer noch als Waffe gegen ihn einsetzen.
Ermutigt ging sie zum Fenster und öffnete es. Die Nacht war kalt und sternenklar. Keine Wolke stand zwischen ihr und dem Vollmond. Der kühle Wind strich ihre Haare zurück und vertrieb auch den letzten Rest Müdigkeit.
Bald würde der Duke hier sein. Und sie wartete schon sehnsüchtig. Ungeduldig stützte sie die Hände auf das schmale Fensterbrett und starrte in die Dunkelheit. Wo mochte er nur bleiben?
De Villiers indes stand im Schatten eines Baumes verborgen und wartete, bis er erkennen konnte, welches der Zimmer das seiner Angebeteten war. Zumindest die Seite des Hauses, auf der die Schlafkammern lagen, hatte er in Erfahrung bringen können. Jetzt musste er nur noch warten, bis sie ein Fenster öffnete und dann dort hinauf klettern. Zum Glück wuchsen die Bäume nah am Haus, so würde es auch für ihn möglich sein, in jedes Gemach zu gelangen.
‚Und wenn du dort bist’, schärfte er sich ein. ‚Wirst du nur reden. Vergiss bloß nicht wieder deine Erziehung. Es war bereits unanständig genug, was du getan hast. Bring sie nicht noch mehr in Verlegenheit.’ Er seufzte, denn er wusste, wie schwer ihm das fallen würde. ‚Denk einfach an Köchin Ally’, ermahnte er sich. Eine Methode, die immer funktionierte.
Als er ein Jüngling war, hatte er einmal versucht, seine Stellung als zukünftiger Duke auszunutzen. Dafür hatte er sich die Köchin Ally ausgesucht, da diese in seinen Augen von Gott gesegnet war. An den richtigen Stellen, versteht sich. Dumm nur, dass gerade diese Frau nur wenig Respekt vor den Adligen und ganz besonders vor vorwitzigen Jungen hatte. Als er sie unsittlich berührte, griff sie nach seiner Hand und versetzte ihm einen Klaps mit dem Kochlöffel. Und danach legte sie ihn übers Knie, damit er nie wieder in Versuchung kommen würde, sich einer Frau auf diese Weise zu nähern.
Natürlich hatte ihn das nicht davon abgehalten, die ein oder andere Erfahrung zu sammeln. Insbesondere die junge Witwe Lavinia hatte in ihm einen eifrigen Schüler gefunden.
Doch jetzt war nicht der Zeitpunkt, an diese Dame zu denken, sondern an die erste Lehrmeisterin. Denn immer, wenn er zu sehr unter Spannung geriet, dachte er an die Demütigung durch die Köchin Ally und jede Lust verging ihm.
Wie nötig er diese Hilfe hatte, würde sich ihm schon bald zeigen, denn über ihm ging ein Fenster auf und Gwendolyn lehnte sich hinaus, um nach ihm Ausschau zu halten. Er schluckte trocken. Im fahlen Mondlicht erkannte er, dass sie ihre Haare offen trug. Wie unglaublich es sein musste, eine schwarze Strähne zu ergreifen, sie zu riechen, zu fühlen und zu küss… Köchin Ally!
Gwendolyns schlanke Figur wirkte im fahlen Mondlicht noch schmaler, beinahe elfenhaft zierlich. Als sich ein ungeduldiger Seufzer ihrer Brust entrang, fiel sein Blick auf ihren mädchenhaften und doch straffen Busen. Köchin Ally! Köchin Ally!
Er trat aus dem Schatten und machte ein leises Geräusch, um die Angebetete nicht zu erschrecken. Sie sah ihn und trat vom Fenster zurück. Zeit für ihn, zu ihr zu klettern.
Etwas ungeschickt schwang er sich auf einen Baum. Wie schwierig es war, dabei leise zu sein, hatte er nur bedingt bedacht, denn er hatte seine Schuhe ebenso ausgezogen, wie seinen Mantel und den steifen Kragen. Nur so hatte er die nötige Bewegungsfreiheit. Trotzdem halfen ihm diese Vorbereitungen wenig bei der folgenden Aufgabe.
Vorsichtig stieg er höher, immer die Äste prüfend. Schon ein brechender Zweig konnte sich in der Stille der Nacht wie ein Gewehrschuss anhören und die Bewohner des Hauses alarmieren. Dann wäre all die Mühe umsonst gewesen. Und er glaubte kaum, dass sie ihm noch einmal die Gelegenheit geben würden, in das Schlafzimmer von Gwendolyn einzudringen. Selbst wenn sie das wollte, würde Glenda wie ein Drachen Acht geben.
Vorsichtig stieg er höher, immer darauf bedacht, nicht nach unten zu schauen. Höhenangst war für derartige Klettereien wirklich unpraktisch. Zum Glück reichte ein starker Ast fast genau bis an die Hauswand vor ihrem Zimmer, dann musste er zumindest keine zu große Lücke überwinden. Davor hatte ihm gegraut, seit er dieses Abenteuer in Angriff genommen hatte.
Schließlich hatte Gideon es geschafft und hockte vor Gwens Fenster. Er versuchte, leise zu atmen, doch er glaubte, wie ein wütender Stier zu keuchen. Ein Wunder, dass noch niemand aufgeschreckt worden war.
Dann schwang er sich durch die schmale Öffnung in ihr Schlafzimmer und erstarrte. Sie saß in ihrem Nachthemd auf dem Bett. Die nackte Haut ihres Dekolletes und ihrer Füße schimmerte im Kerzenlicht. Ihm wurde heiß und kalt. Rasch drehte er sich um, um Zeit zu gewinnen. Köchin Ally. Köchin Ally, Köchin Ally. Verlegen schloss er das Fenster, um zu kaschieren, was sie – und damit meinte er Gwendolyn – in ihm auslöste. Erst, als er sich sicher wähnte, wagte er es, das Mädchen erneut anzusehen.
Erhitzt vom Aufstieg und von ihrem Anblick nestelte er sich unbewusst das Hemd auf, so dass es seine muskulöse Brust enthüllte. Ein Bild, das nun Gwendolyn in arge Schwierigkeiten brachte. Wie gerne hätte sie ihn dort gestreichelt, sein Gesicht berührt und ihn geküsst. Aber er wollte nur reden und sie würde die Grenze der guten Erziehung nicht überschreiten.
„Da seid Ihr nun“, flüsterte sie schließlich.
Er nickte. „Da bin ich nun, um Euch meine Liebe zu Füßen zu legen.“ Vorsichtig trat er näher, kniete vor ihr nieder und ergriff ihre Hand. Noch nie war eine Berührung so intensiv gewesen. Sein Körper reagierte und selbst ein fünfmaliges „Köchin Ally“ trug nur wenig zu seiner Beruhigung bei.
„Ihr sprecht von Liebe?“, fragte Gwen schüchtern.
Sein Nicken war mehr ein ungeduldigen Rucken mit dem Kopf. „Was sonst würde mich um diese Zeit in Euer Schlafzimmer bringen?“ Er wusste die Antwort. Lust, Leidenschaft, Sehnsucht nach ihr, ihrem Körper. Aber all das durfte, nein, sollte sie als gut erzogene junge Dame nicht wissen. Doch er wollte, dass sie diese Dinge erfuhr, möglichst durch seine Hand. Er wollte derjenige sein, der diese vollen Lippen küsste, die Schlüsselbeine mit der Zunge liebkoste, seine Hand zwischen ihre … Köchin Ally noch eins.
„Ich … ich weiß nicht.“ Zögernd presste sie die Lippen zusammen. Ihr Atem ging flach und er wusste, dass sie seine Nähe genauso intensiv wahrnahm wie er die ihre. Dass sie wohl auch das Gleiche wollte wie er. Es wäre so leicht, er bräuchte sich nur vorbeugen. Aber er hatte es versprochen, hatte geschworen, dass er nur reden würde. Wenn er sie für sich gewänne hätte er auch genügend Zeit, all seine unanständigen Gedanken in die Tat umzusetzen.
„Soll ich dich mit einem Sommertag vergleichen?“, fragte er sie unvermittelt, um sich abzulenken. Er wusste, dass er das von Shakespeare geklaut hatte, aber um selbst kreativ zu werden, hatte die Zeit nicht gereicht.
Sie seufzte. Offenbar kannte und liebte sie dieses Sonett. Dummer Weise fiel sein Blick wieder auf ihren Busen und nun sah er, wie er sich bewegte. Mit jedem Atemzug hob und senkte er sich. Da half auch kein Gedanke an die Köchin Ally mehr, kein noch so guter Vorsatz. Der Duke beugte sich vor und küsste Gwendolyn. Diese zuckte nicht überrascht zurück und warf ihn angeekelt hinaus, wie er beinahe befürchtet hatte, sondern keuchte nur leicht. Er meinte, Erleichterung bei ihr zu spüren, als er sie vorsichtig aufs Bett zurückdrückte und ihre Lippen mit seiner Zunge öffnete.
Das Mädchen war erstaunt von den neuen Gefühlen, die auf sie einströmten. Sie wusste, wie verboten das war, was sie hier tat, dass es sich nicht gehörte. Doch sie kümmerte sich nicht darum. Ein unbestimmtes Sehnen hatte sie überfallen, seit der Duke das Zimmer betreten und ihre Hand genommen hatte. Und jetzt wusste sie, was sie begehrt hatte. Ihn, seine Küsse, seinen Körper.
Endlich traute sie sich, ihn zu berühren. Vorsichtig strich sie über seine Brust, soweit es das leicht geöffnete Hemd zuließ. Seine Muskeln waren fest und er zitterte unter ihren Fingern.
Beide wussten nicht, wie weit sie noch gegangen wären, doch plötzlich knallte etwas von außen gegen das Fenster.
Sie fuhren erschrocken auseinander und sahen sich ertappt um. Doch nichts regte sich. Vorsichtig ging Gideon zum Fenster und schaute hinaus. Auf dem Rasen saß ein Vogel, wahrscheinlich eine bunte Eule, schüttelte irritiert sein Gefieder und verschwand dann wieder in der Dunkelheit.
Plötzlich waren Schritte auf dem Flur zu hören.
„Was war das? Da war doch ein Geräusch“, rief eine aufgebrachte Stimme.
„Das ist Glenda“, zischte Gwendolyn. „Ihr müsst verschwinden.“
Der Duke nickte knapp, riss das Fenster auf und wich zurück. „Verdammte Höhenangst“, fluchte er.
„Geht doch“, flehte Gwen. „Bitte geht, bevor sie Euch finden!“
Gideon war kurz davor, ihr zu versichern, dass er lieber den Skandal auf sich nehmen und sie heiraten würde, anstatt einfach so in die Dunkelheit hinauszusteigen, aber das war sicher nicht der Antrag, auf den sie Zeit ihres Lebens gehofft hatte. Daher überwand er sich und schaffte es irgendwie, sich rechtzeitig in den Baum zu schwingen. Eilig kletterte er in den Schatten, während er hörte, wie oben die Tür aufgerissen wurde.
„Gwendolyn, was ist hier los?“, keifte Glenda. „Was treibst du schon wieder?“
„Ich weiß es nicht.“ Sie musste genau am Fenster stehen. „Irgendwas ist gegen den Laden gekracht, aber ich kann nichts sehen.“
Gestalten erschienen am Fenster und Gideon war für den Schatten der Baumkrone dankbar. Scheinbar blieb er hier unbemerkt.
„Wir werden die Gegend absuchen“, rief Glenda.
Ein eindeutiges Zeichen für den Duke, sich schleunigst aus dem Staub zu machen. Er würde wieder kommen, aber nicht mehr Nachts. Gwendolyns Reize waren einfach zu gefährlich! Stattdessen würde er richtig um sie werben, um sie hoffentlich eines Tages seine Braut nennen zu können.
Mit einem breiten Lächeln lief er durch die Dunkelheit zu seinem Pferd, nur um eilig davon zu reiten. Dieses Abenteuer war nur allzu glücklich abgeschlossen worden.
Und so hätte alles so schön enden können, wenn … ja, wenn nicht der unbekannte Diener gewesen wäre, der in dieser Nacht für seinen Herrn zum Apotheker musste. Er erblickte den Duke de Villiers auf seinem Pferd und zog die richtigen Schlüsse. Denn wer so spät unterwegs war, noch dazu mit solcher Heimlichkeit und nicht einmal ordentlich angezogen, der konnte nur eine Geliebte haben.
Schneller als eine Fieberepidemie verbreitete sich dieses Gerücht und erreichte auch die gespitzten Ohren von Glenda. Und die konnte eins und eins zusammen zählen. Der laute Knall, die Pferdeäpfel hinter den gepflegten Rosensträuchern, die Hufspuren in Richtung Stadt ... Es war nur zu offensichtlich, was geschehen war: Der Duke hatte versucht, Gwendolyn zu besuchen! Des Nachts! In ihrer Kammer! Und scheinbar mit dem Einverständnis ihrer unglückseligen Nichte, die sein schamloses Benehmen auch noch deckte.
Allerdings schien es de Villiers nicht gelungen zu sein, das Mädchen zu kompromittieren. Denn als Mann von Ehre hätte er dann um ihre Hand anhalten müssen. Zumal es keinen ernsthaften Grund gab, Gwendolyn nicht zu ehelichen. Sie war reich, galt als tugendhaft und stammte aus einer angesehenen Familie. Zudem glaubte er, in sie verliebt zu sein. Charlottes Beobachtungen beim abendlichen Zusammentreffen waren da eindeutig gewesen. Auch im Hinblick auf die unverschämten Zärtlichkeiten, die ihre Cousine mit de Villiers ausgetauscht hatte.
Für Glenda hieß es also zu handeln, wenn sie den Duke für ihre eigene Tochter gewinnen wollte. Zuerst einmal musste Gwendolyn von der Bildfläche verschwinden. Und zwar für lange Zeit. Möglichst für immer. Wenn das Mädchen verheiratet wäre …
Mit dieser Überlegung wendete sie sich an Lady Arista, die bereits einen Kandidaten in Aussicht hatte. „Gute Familie, hervorragende Erziehung und 3.000 Pfund im Jahr. Mit der Mutter, Lady Marley, pflege ich eine lange Bekanntschaft. Es wäre wieder an der Zeit, die Dame zu besuchen. Miss Shepherd könnte mich begleiten und ich würde dafür sorgen, dass Mister Marley und sie viel Zeit miteinander verbringen. Ungestört von ungewünschten Verehrern.“ Natürlich hatte Lady Arista mitbekommen, dass über die Verbindung zwischen Gwendolyn und dem Duke getuschelt wurde. Doch sie hatte auch das Gerücht über seine neue Geliebte gehört, ohne zu ahnen, um wen es sich handelte. Vor so einem Schwerenöter musste sie ihr Mädchen mit allen Mitteln schützen. Wer konnte schon sagen, ob de Villiers wirklich ernsthafte Absichten verfolgte! Daher war sie genauso begierig wie Glenda, Gwendolyn aus der Reichweite des Filous zu bringen. „Je mehr ich darüber nachdenke, desto überzeugter bin ich von meiner Idee. Wir sollten einige Tage aufs Land fahren. Ein paar Wochen mit frischer Luft und Spaziergängen, Bällen und netter Gesellschaft werden Wunder wirken und diese kleine Verliebtheit aus der Welt schaffen.“
Glenda nickte. „Das scheint mir ein guter Gedanke zu sein. Wir wollen ja nicht, dass unsere liebe Gwendolyn eines Tages kompromittiert wird. Wer soll sie heiraten, wenn sie einmal gefallen ist? De Villiers? Ich bezweifele, dass wir die Mittel haben, um ihn dazu zu zwingen.“
„Wir sollten die geplante Reise jedoch geheim halten. Nicht, dass das Mädchen noch etwas Dummes anstellt, um sie zu verhindern. Oder Kontakt zu diesem …“ Lady Arista presste die Lippen zusammen und untersagte sich das Wort, das sie gerade hatte verwenden wollen, „… diesem Duke aufnimmt.“
Kein Vorschlag hätte Glenda lieber sein können. Eifrig nickte sie und schmiedete Pläne mit Arista, wie sie das Mädchen am besten unter die – ihrer Ansicht nach richtige – Haube bringen konnten. Am selben Tag noch schrieb die Gouvernante an ihre Freundin. Die Antwort kam prompt und war im Sinne der Damen. Die Fahrt aufs Land konnte deshalb kaum eine Woche nach dem verhängnisvollen Abend beginnen.
Lady Arista und Glenda gelang es tatsächlich, alle Überlegungen, Vorbereitungen und auch das Ziel der Reise absolut geheim zu halten. Daher erfuhr Gwendolyn erst auf dem Weg zur Kutsche, dass sie nicht so bald zurückkehren würde.
„Sechs Wochen? So lange?“
„Natürlich“, antwortete Lady Arista, ohne auf das offensichtliche Entsetzen ihrer Schutzbefohlenen einzugehen. „Lady Marley ist eine alte Bekannte von mir. Sie hat uns eingeladen, mindestens einen Monat bei ihr auf dem Land zu verbringen.“
„Aber … aber ich kann nicht verschwinden. Nicht einfach so ohne ein Wort … zu unseren Freunden und Bekannten!“ Sie konnte nicht sagen, warum sie nicht weg wollte. Nicht vor Lady Arista, die in den letzten Tagen jedes Mal die Nase gerümpft hatte, wenn jemand den Namen de Villiers auch nur erwähnte.
Doch Gwen ahnte, wie der Duke über ihre Abreise denken würde. Er würde glauben, dass sie vor ihm floh. Vor ihm und den Gefühlen, die er in ihr auslöste.
Zugegebener Maßen war ein Teil von ihr erleichtert darüber, dass diese Verwirrung ein Ende hatte. Denn sie wusste, wenn sie jetzt ohne ein Wort ging, dann wäre es aus. Der Duke würde sich nach einer anderen Heiratskandidatin umsehen. Wie hätte er auch so viel Vertrauen zu ihr haben können, um ein solches Verhalten richtig zu deuten? Das war nicht möglich. Und ein Mann wie er hatte es vor allem nicht nötig, auf jemanden wie sie zu warten. Sie war nur eine unter vielen potentiellen Partnerinnen und – beschämt senkte sie den Kopf – wohl auch nur eine von denen, die dumm genug waren, sich ihm auf diese besondere Art an den Hals zu werfen.
Wieder verzweifelte sie darüber, dass sie sich am Abend vor wenigen Tagen so weit hatte gehen lassen. Sie hatte ihm beinahe alles gegeben, was er wollte. Er musste sich ja gelangweit von ihr abwenden. Was gab es denn bei ihr noch zu erobern? Was sollte ihn reizen, sie zu heiraten, wenn er sie auch so bekommen konnte? Irgendwie war es schon gut, dass sie ihn nicht mehr sehen brauchte, nicht beobachten musste, wie er sich einer anderen Dame zuwandte und sie wegwarf wie ein Spielzeug, an dem er längst die Freude verloren hatte.
Doch es war nur ein kleiner Teil von ihr, der so dachte. Der andere, weitaus größere und unvernünftigere sehnte sich nach de Villiers. Nach seiner Berührung, seinen geflüsterten Liebesschwüren. Und von diesem Mann wurde sie nun grausam fortgerissen.
Gwendolyn wollte einfach nur schreien, protestieren gegen diese Ungerechtigkeit. Wie konnten Arista und Glenda das tun? Wieso verbannten sie sie aufs Land, wo sie niemanden kannte? Gerade jetzt? Wie konnten sie sie fort schicken von dem Mann … den sie liebte?
„Es ist alles vorbereitet, sorgt Euch nicht“, erklärte Lady Arista. „Schneller als Ihr denkt, sind wir zurück und es wird sich nichts verändert haben. Natürlich werdet Ihr einige Bälle verpassen, aber glaubt mir, die auf dem Land stehen denen in London nur wenig nach. Ihr werdet Euch schon amüsieren und wer weiß … Vielleicht lohnt es sich ja, sich auch mal an anderen Orten umzusehen.“ Mit diesen Worten wurde Gwendolyn in die Kutsche bugsiert. Die Tür schloss sich und schon waren sie auf dem Weg aus London heraus.
Alles, was dem Mädchen zu tun blieb, war zu schweigen und zu hoffen, dass sie nicht in Tränen ausbrach. Denn das wäre zu verräterisch gewesen. Niemand durfte ahnen, was zwischen ihr und dem Duke gewesen war. Absolut niemand. Zumal es nun keine Möglichkeit gäbe, ihre Bekanntschaft zu vertiefen. Wenn sie zurückkehrte, würde sie für ihn nicht mehr sein, als eine flüchtige und vielleicht unliebsame Erinnerung.
Ihr Herz wurde schwer bei dem Gedanken. Wieder stiegen ihr Tränen in die Augen, doch sie kämpfte sie zurück. Gwen wusste, dass sie sich mit der Wahrheit abfinden musste. Wenn sie de Villiers nur schreiben, ihm eine Erklärung für ihr Verschwinden geben könnte. Doch es war nur Verlobten erlaubt, zu korrespondieren. Jeder Brief hätte Verdacht erweckt. Vor allem, da sie sich nicht sicher war, ob der Duke einen solchen Schritt begrüßt hätte. Wahrscheinlich nicht. Er würde sie nur für ein ungebärdiges Kind halten und jegliche Achtung vor ihr verlieren. Durch eine Erklärung wäre also nichts gewonnen, nur vieles verloren.
Ihr blieb kein anderer Ausweg. Sie konnte nichts tun, nur warten und hoffen. Auch wenn alle Hoffnung vergebens schien.
Unterdessen war Glenda nicht untätig. Zuerst bestellte sie Charlotte zu sich und eröffnete ihr ihre Vermutung über Gwendolyn und den Duke, soweit sie es für notwendig hielt.
„Ich gehe davon aus, dass sich de Villiers früher oder später mit deiner Cousine verloben wird, wenn wir nicht Maßnahmen ergreifen.“ Sie warf ihrer Tochter einen scharfen Blick zu. „Und du willst doch vor ihr verheiratet sein?“
„Vor allem will ich besser verheiratet sein als sie“, antwortete das Mädchen. „Und der Duke wäre genau das, was mir vorschwebt. Zumal er sich doch so auffällig für die liebe Gwenny interessiert.“ Sie kicherte gehässig. „Aber das werden wir ändern.“
Glenda nickte. „Es wird Zeit, die Glacé-Handschuhe wegzulassen. Verführe ihn. Lass dich von ihm kompromittieren, dann hat er keine Wahl. Dann muss er dich heiraten, komme was wolle. Seine Ehre wird ihn binden.“
„Zunächst muss ich ihn davon überzeugen, dass sein kleiner Flirt mit meiner Cousine belanglos ist. Und ich weiß schon, wie ich das tue.“ Sie lächelte hinterhältig. „Wenn er wirklich glaubt, sie zu lieben, wird er unsere Nähe suchen, wird wissen wollen, wie es ihr geht. Ich werde ihm die Zeit schon vertreiben und dafür sorgen, dass er meine Ähnlichkeit zu Gwendolyn bemerkt. Dann überzeuge ich ihn von meinen Qualitäten, bis ich endlich mehr bin, als nur ihr Ersatz.“ Sie ergriff die Hände ihrer Mutter. „Ich verspreche dir, schon bald wirst du ihn deinen Sohn nennen können.“
Charlotte sollte mit ihrer Vermutung Recht behalten. Tatsächlich gehörte der Duke nun zu den regelmäßigen Besuchern im Hause Montrose, wenn er auch nicht oft genug erschien, um den Verdacht zu erwecken, dass er mit einer der Damen mehr als nur eine Bekanntschaft pflegte. Stets schickte Glenda ihre Tochter und ihn zusammen mit einer Anstandsdame auf einen Spaziergang und jedes Mal bat er um Neuigkeiten von Gwendolyn. Zunächst hielt sich Miss Montrose zurück, erzählte vom Heimweh der Cousine, aber auch von den Amüsements, denen diese nachging. Doch drei Wochen nach Gwens Abreise fuhr sie die großen Waffen auf.
„Sie schrieb von einem Ball, auf dem sie sich hervorragend unterhalten hat“, erzählte Charlotte gerade. „Ein junger Herr, ein Mister Marley, soll sogar mehrfach mit ihr getanzt haben.“ Sie warf de Villiers einen bedeutungsschwangeren Blick zu. „Und wir wissen ja, was das heißt.“ Sie lächelte unschuldig, als wüsste sie nicht, was ihre Worte in dem liebeskranken Herzen des Dukes auslösten. „Ich denke, wir können der lieben Gwendolyn zu einer herausragenden Eroberung gratulieren. Soweit ich gehört habe, ist Mister Marley groß, gut gebaut, aus angesehener Familie und hat 3.000 Pfund im Jahr. Sie könnte es kaum besser treffen.“ Trotz ihres leichten Plaudertons behielt sie ihn scharf im Auge und sah mit Genugtuung, wie blass er geworden war. Sie wartete einen Moment, um sicher zu gehen, dass er die Tragweite ihrer Worte begriffen hatte, dann wandte sie sich direkt an ihn. „Findet Ihr nicht? Man kann so einem reizenden Geschöpf doch nur alles Glück dieser Welt wünschen. So eine große Liebe und schon nach so kurzer Zeit.“
Er presste kurz die Lippen aufeinander, dann nickte er. „Da habt Ihr natürlich Recht.“ Daraufhin versank er in brütendes Schweigen und war durch keine ihrer Bemerkungen wieder dazu zu bringen, höflich mit seiner Begleiterin zu plaudern. Bald schon verabschiedete er sich und ließ Charlotte mit triumphierendem Lächeln zurück.
Konnte sie ihn wirklich bereits vergessen haben? Konnte er ihr nach so kurzer Zeit egal sein? Trotz all dem, was zwischen ihnen gewesen war?
Der Duke rieb sich mit der Handfläche über das Gesicht und starrte dann hinaus in die Nacht. Er saß auf dem prunkvollem Bett in seinem riesigen Schlafgemach und grübelte über die Neuigkeiten, die er am heutigen Nachmittag erfahren hatte.
De Villiers wusste bereits, dass er Miss Shepherd mit seiner Aufdringlichkeit verschreckt hatte. Wie sonst war ihre Flucht zu erklären, von der er erst erfahren hatte, nachdem Gwendolyn weit fort war? Deshalb war er ihr auch nicht gefolgt, obwohl das sein erster Impuls gewesen war. Wenn sie es für notwendig hielt, Abstand zu ihm zu gewinnen, dann musst er das respektieren. Doch es hieß auch, dass er etwas grundlegend falsch gemacht hatte. Und er brauchte nicht fragen, was.
Wie ein Tier war er über sie hergefallen, obwohl er versprochen hatte, es nicht zu tun. Wäre die bunte Eule nicht gewesen, wer weiß, wie weit er sich noch hätte gehen lassen. Und damit hatte er alles zerstört.
Wie hatte er sich nur so vergessen können? Kein Wunder, das das Mädchen Angst vor ihm hatte. Wenn er bereits jetzt jeglichen Anstand und Ehre vermissen ließ, wie sollte es erst in einer Ehe zwischen ihnen werden? Sie musste doch fürchten, dass er sie sich zu Willen machen würde, wann immer er konnte.
Er stand auf und ging unruhig durch den Raum. Dumm war er gewesen, unbeherrscht. Und jetzt hatte er Gwen für immer verloren. Sie würde diesen Mister Marley heiraten, einen Mann, der sich mit Sicherheit besser zu benehmen wusste. Wie auch immer er das zu Wege brachte, angesichts dieses wunderbaren Geschöpfes.
De Villiers hatte hin und her überlegt, wie er diese Hochzeit verhindern konnte. Charlotte hatte ein Verlöbnis lediglich angedeutet. Vielleicht standen sie einander noch nicht im Wort. Vielleicht gab es noch eine Gelegenheit …
Aber wenn er jetzt aufbrach und gegen jede Etikette bei ihren Bekannten eintraf, würde er sie dann nicht erst recht verschrecken? Würde er sie nicht vollends in die sanften Arme des Mister Marley treiben?
Auch Schreiben war ihm verboten. Sie waren nicht verlobt. Würde ihre Korrespondenz bekannt, könnte Entsprechendes angenommen werden. Damit würde er sie vielleicht an sich binden, aber was wäre, wenn sie das nicht wollte? Wenn sie diesen Mister Marley liebte? Wenn sie ihm die Blicke schenkte, die eigentlich ihm zustanden?
Wütend schlug Gideon gegen die Wand. Der Schmerz in seiner Faust war eine Erleichterung und überdeckte kurz den schlimmeren in seinem Herzen.
Niemand sollte Gwendolyn haben, niemand außer ihm. Er würde warten, bis sie zurück wäre und dann würde er sie erinnern, was sie an ihm hatte. Sollte sie mit dem anderen verlobt sein, würde er einen Weg finden, dieses Bündnis zu lösen. Egal was es ihn kosten würde. Gwendolyn musste ihm gehören.
Endlich waren die langen sechs Wochen um und Gwendolyn befand sich auf dem Rückweg nach London. Ihr Herz schlug höher, als sie in die Stadt hineinfuhren. Bald würde sie ihn wieder sehen und wissen, ob er sie immer noch liebte. Ihn, den Duke. Nicht den nervigen Mister Marley, der seit langem wie eine Klette an ihr hing und sich jetzt sogar entschlossen hatte, mit ihr zu reisen.
Sie seufzte genervt. Überall, wo sie hinging, war er auch. Sie hatte keine ruhige Minute mehr. Wenn sie spazieren wollte, begleitete er sie. Wollte sie jemanden besuchen, lieh er ihr seine Kutsche. Und für den Ball in zwei Tagen hatte er sich bereits die ersten beiden Tänze reserviert. Ihr war einfach kein Grund eingefallen, abzulehnen, zumal Lady Arista im Raum war und ihr einen auffordernden Blick zuwarf. Die Gouvernante wünschte sich in jedem Fall eine Heirat zwischen Gwendolyn und Mister Marley, ungeachtet der Gefühle des Mädchens. Er mochte reich und charmant sein, doch Miss Shepherds Herz konnte ihm niemals gehören. Nicht, so lange es noch Hoffnung gab, dass de Villiers auf sie gewartet hatte.
Die Ankunft in London war keineswegs fröhlich. Glenda warf ihr eisige Blicke zu und schimpfte unentwegt darüber, dass sie noch nicht verlobt sei, obwohl sie eine so gute Partie hätte machen können. Charlotte hingegen verlor keine Zeit, ihr brühwarm zu berichten, wie oft sie mit dem Duke de Villiers spazieren gegangen war und wie oft er sie besucht hatte.
„Er scheint sehr begeistert von unserer Familie zu sein“, schwärmte sie. „Selbst einige Bekannte haben angedeutet, dass sie das wahr genommen haben. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis …“ Sie hielt sich erschrocken die Hand vor dem Mund. „Aber ich sollte nicht darüber reden. Nicht, bevor er mich nicht um ein vertrauliches Gespräch gebeten hat.“ Sie genoss den Blick in Gwens Gesicht.
Diese hatte den Schlag nicht kommen sehen und wurde vollkommen unvorbereitet davon getroffen. Dass der Duke vielleicht jemand anderen bevorzugte, damit hätte sie gerechnet. Aber ausgerechnet Charlotte?
Es kostete sie alle Selbstbeherrschung, um nicht hier und jetzt in Tränen auszubrechen. „Du und der Duke?“, antwortete sie schließlich. „Er ist eine sehr gute Partie. Du könntest es kaum besser treffen.“
„Nicht wahr? So jung, so reich, so gut aussehend und so charmant.“ Charlotte kicherte albern. „Morgen, auf dem Ball, wird er bestimmt mit mir tanzen. Und wenn er mich sogar ein zweites Mal auffordert, wissen wir doch alle, dass ich mir seiner Gefühle sicher sein kann.“
Ihre Cousine nickte, wenn auch sichtlich gequält. „Eine zweite Aufforderung kommt, gerade hier in London, einer Verlobung gleich. Dann hat er seine Absichten öffentlich erklärt.“ Und nur für sich fügte sie an: ‚Und dann werde ich alle Hoffnungen aufgeben.’
Dieses Mal nahm Miss Shepherd nichts auf dem Weg zum Ball wahr, außer ihr klopfendes Herz und ihre zittrigen Hände. Heute würde es sich entscheiden, heute würde sie sehen, wie es zwischen ihr und dem Duke stand.
Gwendolyn hatte ihr bestes Kleid angezogen, das sie zuvor sogar neu hergerichtet hatte. Ihre Haare waren mit besonderer Sorgfalt aufgesteckt und wurden von kleinen, mit Perlen besetzten Nadeln gehalten. Lady Arista hatte gesagt, dass sie sie noch nie so schön gesehen hatte. Und angedeutet, dass sich Mister Marley darüber sehr freuen würde.
An ihn wollte Gwen gar nicht denken. Sie wusste, dass es schwer würde, mit ihm an seiner Seite ein vertrauliches Gespräch mit dem Duke zu führen. Doch wenn dieser wirklich wollte, würde er eine Gelegenheit finden. Er brauchte sie nur zu bitten, mit ihm zu tanzen. Denn das war die halbe Stunde, die die Paare zwar unter aller Augen, aber immer noch in verhältnismäßiger Abgeschiedenheit verbrachten.
Kaum dass sie den Ballsaal betreten hatten, suchte sie diesen schon mit den Augen nach de Villiers ab. Er musste hier sein, das hatte Charlotte versichert.
„Findet mich“, flüsterte sie beschwörend. „Findet mich!“
Ihr Wunsch schien erhört zu werden, denn schon sah sie ihn. Zielstrebig steuerte er auf die Gruppe zu. Wen würde er zuerst begrüßen? Charlotte oder sie? Wen würde er um einen Tanz bitten?
Gwens Herz klopfte schneller mit jedem Schritt, den er auf sie zukam. Sie dachte, dass sie ohnmächtig würde, die Spannung nicht mehr aushalten könnte.
Dann war er da, verneigte sich erst vor Lady Arista und Glenda und dann vor Charlotte und ihr.
„Miss Shepherd, Ihr seid zurück“, stellte er fest.
Sie nickte atemlos. „Ja, es hat … sehr lange gedauert.“
„Ich hatte gar nicht erfahren, dass Ihr abreisen wolltet.“ Er verfluchte sich selbst für diesen Satz, der sie doch in ernste Verlegenheit bringen musste. Hätte er damit nicht warten können, bis er mit ihr alleine war? Soweit man in einem Tanzsaal allein sein konnte.
Gerade, als Gwen antworten wollte, tauchte an ihrer Seite ein junger, rothaariger Herr mit Sommersprossen auf. Er verneigte sich vor ihr und warf ihr dann einen auffordernden Blick zu.
„Duke de Villiers, das ist Mister Marley“, stellte das Mädchen vor.
Die Herren verneigten sich höflich voreinander. Gideon war entsetzt. Das war er also. Sein Nebenbuhler. Und er war hier, hier in London. Wahrscheinlich zur gleichen Zeit eingetroffen wie seine Gwendolyn. Das sprach bereits Bände über deren Verhältnis. Und selbst wenn er noch Zweifel gehabt hätte, so zerstörten Marleys nächste Worte alle seine Hoffnungen:
„Miss Shepherd, ich wollte Euch nur daran erinnern, dass Ihr mir die ersten beiden Tänze versprochen habt“, sagte Mister Marley mit einer leichten entschuldigenden Verbeugung in die Richtung des Dukes. „Diese werden in Kürze beginnen. Würdet Ihr mir bis dahin die Ehre Eurer Begleitung geben?“ Er bot ihr den Arm und sie hakte sich, wenn auch etwas widerstrebend, ein. Für Gideon hatte sie nur noch eine kurze Entschuldigung, dann war sie fort.
„Man kann die beiden nur beneiden“, seufzte Charlotte, so dass de Villiers sie hören musste. „Sind sie nicht ein schönes Paar? Was meint Ihr, wie lange werden Sie brauchen, um Ihre Verlobung bekannt zu geben?“
„An Ihrer Zuneigung füreinander besteht kein Zweifel“, antwortete der Duke. Er wusste selbst nicht, wie diese Worte über seine Lippen kamen, waren sie doch das Schlimmste, was er je gesagt hatte. Doch er bezwang seine Enttäuschung und beschloss, dass er diese Kränkung zurückgeben würde. Wenn sie ihn so schnell vergessen hatte, musste er sich auch nicht gebunden fühlen. Und er würde ihr beweisen, wie egal sie ihm war. „Wollt Ihr mir die Ehre der ersten zwei Tänze gewähren?“, fragte er Charlotte. „Und der beiden anschließenden, wenn das nicht zu viel verlangt ist.“
„Aber wollt Ihr Euch nicht noch etwas Platz auf Eurer Tanzkarte lassen, um Euer Wiedersehen mit meiner lieben Cousine zu begehen?“, stichelte diese mit unschuldigem Augenaufschlag.
„Ich denke, dass Miss Shepherd mit Mister Marley einen ausdauernden Partner gefunden hat und meiner nicht bedarf. Zudem habe ich kein Interesse, einem so hoffnungsvollen Herren in die Quere zu kommen. Also, Miss Montrose, wie viele Tänze räumt Ihr mir ein?“
Die Angesprochene lächelte triumphierend, denn sie wusste, dass sie gewonnen hatte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Duke ihr gehörte. Und Gwen konnte gerne diesen Mister Marley haben.
So ähnlich teilte sie das ihrer Cousine am nächsten Morgen mit. Allerdings indirekt, in dem sie vom zauberhaften Abend mit dem Duke erzählte, der sogar noch ein drittes Mal mit ihr getanzt hatte (und nicht einmal mit ihrer Cousine). Ein deutlicheres Zeichen seiner Zuneigung konnte es doch nicht geben!
„Wie bald, denkst du, liebe Gwendolyn, kann ich mit seinem Antrag rechnen?“
„Ich würde mich nicht wundern“, mischte sich Glenda ein, die mit den beiden im Salon saß, „wenn er noch heute herbei eilt, um sich dir zu Füßen zu werfen.“ Triumphierend lächelte sie.
Gwendolyn gelang es, ein halbwegs unbeteiligtes Gesicht zu ziehen. „Seine Hochachtung für dich war nicht zu übersehen, Charlotte.“ Am liebsten hätte sie den Raum verlassen, doch die Genugtuung würde sie ihrer Cousine nicht gönnen. Reichte es nicht, dass sie das Herz des Mannes gewonnen hatte, den Gwendolyn wollte? Mussten sie sie auch noch quälen?
„Du hingegen hast mit Mister Marley dein Glück gefunden“, fuhr Charlotte unbeirrt fort. Sie weidete sich am Schmerz ihrer Konkurrentin. „Wenn sich alles so entwickelt, wie ich es vermute, dann können wir beide zusammen heiraten! Du deinen Mister Marley und ich den Duke de Villiers. Sofern sich das mit seinem Rang verträgt. Aber ich denke, dass sich etwas arrangieren lässt, um den gesellschaftlichen Abstand der beiden zu wahren.“
„Wir sollten erst einmal abwarten“, antwortete Gwendolyn. „Noch ist keine von uns verlobt und wir wissen, wie schnell Männer heute ihre Interessen ändern.“ Sie erhob sich. „Und nun entschuldigt mich. Ich möchte mich zurückziehen, um …“ Sie zögerte und entschloss sich dann zu einer Lüge. „Mister Marley ist heute zum Essen eingeladen und ich sollte mich noch zurecht machen, um eure Wünsche erfüllen zu können.“
Kaum hatte sie den Raum verlassen, wandte sich Glenda an ihre Tochter. „Du solltest nicht so reden, wenn der Duke noch nicht dir gehört. Im Gegensatz zu Mister Marley ist er heute nicht hier, um mit uns zu essen.“
„Keine Sorge, Mutter. Ich weiß, wo er ist. Und wenn du mir gestattest, mich heute früher zurückzuziehen, dann werde ich dafür Sorge tragen, dass einer Hochzeit nichts mehr im Wege steht.“ Sie grinste. „Es wäre allerdings von Vorteil, wenn du Gwendolyn darauf hinweisen würdest, dass sie keinen Platz mehr unter deinem Dach hat, wenn sie den Antrag von Mister Marley ablehnt.“ Sie beugte sich vor. „Und ich werde dafür sorgen, dass sich dieser ihr heute Abend noch erklärt.“
Um ihren Plan in die Tat umzusetzen, passte sie Mister Marley bereits im Hauseingang ab, als dieser zum Essen erschien. Sie lud ihn ein, mit ihr in den Billardraum zu gehen, weil dort die anderen warten würden. Natürlich war niemand dort. Kaum hatte er nach ihr das Zimmer betreten, zog sie die Tür zu.
„Miss … Miss Montrose, was tut Ihr da?“, fragte der junge Mann verdattert. „Das ist unschicklich. Ihr dürft nicht mit mir allein sein.“
Charlotte verdrehte die Augen. Was für ein Schwächling. „Ich würde ein derartiges Vorgehen nicht wählen, wenn ich Euch nicht etwas Wichtiges mitzuteilen hätte. Es geht um meine liebe Cousine Gwendolyn.“
Er blickte sie zweifelnd an und sie unterdrückte mit Mühe ein genervtes Stöhnen.
„Sie … sie würde es nie wagen, Euch dies zu verstehen zu geben“, fuhr die Intrigantin fort. „Ihr wisst ja, wie schüchtern und wohlerzogen sie ist. Aber sie schätzt Euch ungemein und wünscht sich nichts sehnlicher, als dass Ihr Euch erklärt.“
„Mich erklären? Was soll ich ihr denn erklären?“
Es kostete das Mädchen Mühe, nicht die Contenance zu verlieren. Wie behäbig konnte Mister Marley sein? „Ihr liebt sie doch. Das kann jeder sehen.“
„Oh.“ Er errötete und sah mit seinen roten Haaren aus wie eine reife Tomate. „Das ist mir ein unendlich peinlich.“
„Das braucht es nicht zu sein. In unserer Familie seid Ihr sehr angesehen und meine Cousine kann sich glücklich schätzen, jemanden wie Euch heiraten zu können. Sofern Ihr sie denn ehelichen wollt?“
„Na- Natürlich will ich.“
„Dann sagt es Ihr. Am besten heute noch. Oder glaubt Ihr, dass Ihr ihr einziger Verehrer seid? Was tut Ihr, wenn ein anderer schneller ist? Ihr würdet Euch doch ewig ärgern.“
„Wieso sollte sie einen anderen heiraten, wenn sie mich liebt?“
Charlotte fluchte. Ganz so dumm war Mister Marley wohl doch nicht. „Nun, Gwendolyn ist sehr pflichtbewusst. Sie würde alles tun, um ihrer Familie Freude und Ehre zu machen. Und wenn sie nun ein ähnlich gutes Heiratsangebot bekommt, könnte sie sich genötigt fühlen, dieses anzunehmen. Ganz gleich, was sie für Euch empfindet.“ Sie trat näher an ihn heran und flüsterte beschwörend: „Denkt darüber nach. Sie will es, Ihr wollt es, beide Familien wünschen es sich. Es liegt an Euch, ob Ihr Euer Glück mit ihr findet.“ Mit diesen Worten ließ sie ihn stehen. Sie wusste, dass ihre Lüge Erfolg haben würde. Alles, was Mister Marley brauchte, war Ermutigung. Und die hatte er jetzt bekommen. Er würde handeln und Gwendolyn hätte keine andere Wahl, als seinen Antrag anzunehmen. Damit war sie endgültig aus dem Weg, denn eine Verlobung zu lösen, war nur unter Verlust der Ehre möglich. Und damit wäre sie für andere Männer, und insbesondere de Villiers, nicht mehr heiratbar.
Nach dem Essen zog sich Charlotte scheinbar auf ihr Zimmer zurück und eilte zum Stall. Der Duke würde an diesem Nachmittag einen Ausritt in den Wald unternehmen und sie würde versuchen, ihn abzupassen, um mit ihm allein zu sein.
Eigentlich hätte ihre Suche nach de Villiers der nach einer Nadel im Heuhaufen geglichen, wäre ihr nicht durch einen gemeinsamen Ausritt sein Lieblingsreitweg bekannt. Er würde ihn auch heute nehmen, da war sie sicher. Also trabte sie ihm entgegen. Dabei trieb sie ihre Stute scharf mit den Schenkeln an. Hilfsmittel brauchte sie nicht, denn das Tier war äußerst sensibel und folgte ihren Kommandos willig.
Es dauerte nicht lange, da konnte sie den Rappen des Dukes samt Reiter in der Ferne ausmachen.
Jetzt galt es. Jetzt würde sich zeigen, ob ihre Vorbereitungen gefruchtet hatten. Vorsichtig zog sie die kurze Reitgerte aus ihrem Gürtel. Dort hatte sie diese verstaut, denn ihre Stute Bessy reagierte panisch, wenn man sie schlug. Genau darauf setzte sie.
Ein kräftiger Klaps auf den Hintern und das scheue Tier ging durch. Mit hochgerissenem Kopf stürmte es los, jagte auf den Duke zu, der alle Mühe hatte, sein eigenes Pferd zu bändigen. Dieses stieg mehrfach, als es die heranrasende Stute sah, doch de Villiers war ein exzellenter Reiter und brachte es schnell unter Kontrolle.
„Hilfe“, schrie Charlotte, obwohl sie keine benötigte, und ließ die Gerte fallen. „Ich kann sie nicht halten, Hilfe!“ Vorsichtig regulierte sie Bessy mit den Zügeln, aber nur so, dass sie allmählich langsamer wurde.
Durch den scharfen Ritt war die Stute bereits schweißnass gewesen. Durch die erneute Anstrengung begann sie nun, weiß zu schäumen. Genau richtig für einen dramatischen Auftritt.
Immer noch preschte das Pferd scheinbar unhaltbar dahin und sauste nun am Duke vorbei.
„Miss Montrose“, rief dieser entgeistert, trieb seinen vorzüglichen Rappen an und galoppierte bald neben ihr her.
„Helft mir, ich kann nicht mehr“, keuchte Charlotte, auch wenn ihr die Anstrengung nichts ausmachte. Sie war eine gute Reiterin, sonst hätte sie wohl kaum ein Pferd wie Bessy besessen. Doch sie wollte ihn zu ihrem persönlichen Helden machen und sie plante noch etwas anderes, etwas wirklich verwegenes.
Wahrhaft heroisch beugte er sich zu ihr herüber, griff in die Zügel und brachte schließlich beide Pferde zu stehen.
Kaum hielt die Stute an, ließ sich das Mädchen mit einem lauten Schrei von ihrem Rücken fallen. Charlotte setzte sich nur halb auf, dann gab sie einen erstickten Laut von sich. „Ich kriege keine Luft“, keuchte sie und rang scheinbar um Atem.
Eilig sprang der Duke ab, band die beiden Pferde an einen Baum und kam zu ihr. „Habt Ihr Euch etwas getan?“, fragte er.
Sie japste nur. „Das Mieder. Ihr müsst mir das Mieder aufschnüren.“ Sie presste die Hand vor die Brust und krallte sich mit der anderen in den Boden, als würde ihr schwarz vor Augen.
Er verlor keine Zeit, kniete sich hinter sie und öffnete die Knöpfe ihres Kleides. Dann löste er die Bänder, die ihr Mieder hielten und streifte beides ab, so dass ihr Oberkörper frei war.
Charlotte atmete hörbar auf und beschränkte sich eine Weile darauf, tief Luft zu holen. „Ich danke Euch“, seufzte sie endlich erleichtert. „Ihr habt mich gerettet. Als meine Stute durchging, dachte ich, mein letztes Stündlein hätte geschlagen.“
Er sagte nichts dazu, sondern betrachtete sie mit einem seltsamen Blick. Die Ähnlichkeit mit Gwendolyn war ihm in diesem Moment, da sie mit zerzaustem Haar und vor Anstrengung geröteten Wangen vor ihm saß, schmerzlich bewusst.
„Geht es Euch besser?“, fragte er schließlich und strich ihr sanft eine Strähne aus dem Gesicht.
Langsam öffnete sie die Augen, die sie zuvor ängstlich geschlossen hatte, und sah ihn an. „Es geht mir viel besser“, antwortete sie und ihr Tonfall ließ keine Fragen offen.
Seine Hand verharrte auf ihrer Wange. Ihr nackter Oberkörper war ihm nur allzu bewusst und er musste sich davon abhalten, auf ihre Brüste zu starren.
‚Voller als Gwendolyns’, dachte er bei sich und zuckte zusammen, als Charlotte mit dem Daumen über seinen Wangenknochen strich.
Sie erkannte instinktiv, woran er dachte und wusste, dass das die Bresche war, in die sie ihre Krallen schlagen konnte, um den Weg zu seinem Herzen frei zu kämpfen. „Gwen hat Euch sehr weh getan“, flüsterte sie. „Werdet Ihr meiner Cousine je verzeihen können?“
Er war hin- und hergerissen. Eigentlich hätte er aufstehen und gehen müssen, doch er sehnte sich danach, sich in ihre tröstende Umarmung sinken zu lassen. Sie würde versuchen, ihn vergessen zu lassen, das wusste er. Die Frage war, ob er vergessen wollte.
„Ich weiß es nicht“, antwortete er.
„Ich kann verstehen, wie Ihr Euch fühlt. Mir … mir geht es genauso. Ich liebe auch jemanden, dessen Herz einer anderen gehört.“
Wieder war ihr Blick unmissverständlich. Er war derjenige, den sie liebte, so sehr liebte, dass sie es in Worte fassen musste, obwohl es sich für eine junge Dame nicht gehörte, so etwas auszusprechen.
Langsam griff er ihre Hand, nahm sie von seinem Gesicht und drehte sie mit der Innenseite nach oben. Dann drückte er einen Kuss darauf und blickte ihr dabei tief in die Augen. Zum ersten Mal nahm er sie richtig wahr, bemerkte, wie schön und begehrenswert sie war.
„Vielleicht erkennt dieser Jemand gerade, dass er sein Herz an die Falsche verschwendet hat“, murmelte er.
Es kostete Charlotte Mühe, ein triumphierendes Lächeln zu unterdrücken. Er gehörte ihr. Endlich. Und dann beugte er sich vor und besiegelte seine Worte mit einem fast schüchternen Kuss.
Doch das reichte ihr nicht. Sie musste sicher gehen, musste ihn soweit bringen, sich und die Grenzen des Anstands zu vergessen, zumindest für eine kurze Zeit. Nur dann konnte sie gewiss sein, dass er ihr nicht mehr durch die Finger schlüpfen konnte.
Also beugte sie sich vor und erwiderte seinen Kuss. Er ließ ihre Hand los und griff nach ihrem Körper, berührte die Haut ihrer nackten Schultern, strich über ihre Schlüsselbeine. Ein Schauer durchlief Charlotte und sie keuchte überrascht.
Sie hatte nicht damit gerechnet, wie es sich anfühlen würde. Wie warm seine Hände auf ihrer Haut wären, wie sanft seine Finger, die nun vorsichtig ihren Busen streichelte. Sie stöhnte auf, als er eine ihrer Brustwarzen in den Mund nahm und mit der Zunge darüber fuhr.
Sie krallte ihre Hände in seine Haare und zog ihn vorsichtig zu sich hoch. Gierig küsste sie ihn und keuchte triumphierend, als er ihre Lippen mit der Zunge öffnete.
Gideon wandte sich nun Charlottes Bauch zu. Er betastete fast erstaunt die weiche Haut, ließ dann die Hände unter ihren Rock gleiten.
Plötzlich landete ein schwarzes Knäuel in seinen Haaren und fauchte warnend.
„Was zum …?“ Instinktiv schlug er nach dem Ding, was ihn da getroffen hatte, und schleuderte es von sich.
Der Kater miaute protestierend, kam zurückgelaufen und kratzte nach dem Angreifer. Dieser zog mit einem Schmerzlaut die Hand zurück und sprang auf. Bevor er jedoch nach dem Tier treten konnte, hatte dieses sich aus dem Staub gemacht.
Der Duke betrachtete die blutenden Spuren auf seiner Haut. Dann blickte er zu Charlotte. „Wir sind zu weit gegangen“, murmelte er zerknirscht. „Das hätte nicht passieren dürfen. Verzeiht mir.“
Sie lachte und stand auf, nur um ihn erneut in eine Umarmung zu ziehen. „Es gibt nichts zu verzeihen, Duke. Ob Ihr es jetzt tut oder wenn wir verheiratet sind, macht doch keinen Unterschied.“
„Verheiratet?“, echote er überrascht und löste sich von ihr.
„Natürlich. Was denkt Ihr denn, was ich von Euch erwarte, nachdem Ihr mich derart kompromittiert habt? Und was erwartet Ihr von Euch und Eurer kostbaren Ehre?“
Er zuckte zurück, als habe sie ihn geschlagen. „Es war ein Plan“, erkannte er reichlich spät. „Nicht mehr als eine Intrige, um mich für Euch zu gewinnen.“
Sie lachte triumphierend. „Klug erkannt, lieber Duke.“ Sie machte sich nicht die Mühe, das Mieder über- oder das Kleid hochzuziehen. Halbnackt stand sie vor ihm. Ihre Augen funkelten zornig wie die einer Rachegöttin. „Also, was werdet Ihr jetzt tun? Ihr seid mir verpflichtet, meint Ihr nicht?“
Er schüttelte abwehrend den Kopf, denn er hatte nicht vor, für einen dummen Moment der Schwäche sein Leben zu ruinieren. Denn anders hätte er eine Heirat mit dieser berechnenden Intrigantin nicht nennen können. „Ich bin gar nichts. Oder nicht mehr als Eurer Cousine.“
„Gwendolyn?“ Einen Augenblick verlor sie ihre selbstsichere Miene, doch dann hatte sie sich wieder in der Gewalt. „Gwendolyn könnt Ihr aber nicht haben. Sie wird heute noch einen Antrag von Mister Marley bekommen und glaubt mir, sie wird ihn annehmen, wenn sie nicht auf der Straße landen will. Also braucht Ihr Euch um sie nicht grämen.“
„Miss Shepherd ist nicht verlobt?“ Der Duke starrte sie an. Dann machte er einen Schritt auf sie zu und packte hart ihre Arme. „Sagt mir die Wahrheit. Sie ist versprochen?“
Sie lächelte höhnisch. „Ich kann es Euch nicht sagen. Aber glaubt mir, Ihr werdet sie nicht erreichen, bevor sie das Wort gibt, was sie nicht brechen darf, ohne entehrt zu sein.“
Er ließ sie los und eilte zu seinem Pferd. „Das werden wir sehen!“, rief er aufgeregt.
Sie folgte ihm und verstellte ihm den Weg. „Glaubt Ihr, dass Ihr einfach so gehen könnt? Was ist mit mir und meiner Ehre? Wollt Ihr wirklich, dass ich davon erzähle, dass Ihr mich im Wald überfallen habt?“
Er grinste überlegen, band seinen Rappen los und schwang sich auf. „Geht aus dem Weg, wenn Ihr nicht wollt, dass ich Euch nieder reite. Und was das andere angeht: Ich habe keine Angst vor Euch. Erzählt es ruhig. Wem werden die Leute glauben? Euch, einem Mädchen mit geringer Mitgift und niedrigem Stand, das von so einer Heirat nur profitieren würde, oder mir, dem Duke de Villiers?“
„Gwendolyn wird mir glauben“, keifte sie, trat jedoch einen Schritt zurück. „Sie wird mir glauben und sie wird Euch dafür hassen.“
„Wenn Ihr wirklich Eure Reputation und Eure Zukunft riskieren wollt, nur um meine geliebte Gwen gegen mich aufzubringen, dann tut das. Aber wenn Ihr wisst, was gut für Euch ist, werdet Ihr schweigen. Als Cousine des Dukes bekommt Ihr schon noch Gelegenheit, einen reichen Mann in Euer Netz zu locken. Und mich werdet Ihr keinesfalls bekommen!“ Er ritt an ihr vorbei. „Ihr könnt darüber nachdenken, während Ihr Euch bedeckt, Miss Montrose.“ Dann gab er seinem Pferd die Sporen und sprengte durch den Wald. Würde er Gwendolyn noch rechtzeitig erreichen, bevor Mister Marley um ihre Hand anhielt?
Im Haus der Familie Montrose hatte Gwen die Stunden nach dem Essen genutzt, um dem eifrigen Geplauder von Mister Marley zu entkommen, indem sie etwas vorsang. Glenda ließ sie gewähren, hoffte sie doch, dass sich die Leidenschaft des jungen Mannes so noch mehr steigerte. Wenn er dem Mädchen nur endlich einen Antrag machen würde und so das letzte Hindernis zwischen Charlotte und dem Duke aus dem Weg räumte.
Glenda hatte bereits versucht, Gwendolyn und ihren Verehrer allein zu lassen, doch Mister Marley war kurzer Hand aus dem Raum gegangen, um dem Ruf der jungen Dame keinen Schaden zuzufügen. So ein begriffsstutziger Klotz – obwohl er damit genau richtig war für ihre Nichte. Doch auch diese tat nichts, um den Gentleman zu ermutigen. Es war zum Auswachsen.
In ihrer Not hatte Glenda begonnen, Mister Marley immer mehr Wein nach zu schenken, damit er sich Courage antrinken möge. Es schien zu wirken, denn er stierte unverwandt auf den Busen der jungen Dame, während diese eine wunderschöne Arie zum Besten gab.
Schließlich beugte er sich im Schutze der Musik zu Gwens Tante. „Würdet Ihr mir wohl die Ehre eines privaten Gesprächs mit Eurer Nichte einräumen?“
Glenda hätte am liebsten vor Freude gejubelt, doch sie beherrschte sich und nickte. „Sehr gerne. Ich kann Euch versichern, dass ich Euer Ansinnen voll und ganz unterstütze und ich bin sicher, dass auch Gwendolyn nichts dagegen sagen wird.“
Er neigte leicht den Kopf und wirkte sehr erleichtert. „Ich danke Euch für Eure ermunternden Worte und hoffe, dass Ihr mir auch in Zukunft stets wohlgesonnen sein werdet.“
Sie erwiderte nichts, sondern wartete ungeduldig, dass Gwendolyn ihr Lied beenden würde. Kaum war das geschehen, erhob sie sich und sagte: „Ich werde Mister Marley nun die Möglichkeit geben, allein mit dir zu sprechen, liebe Nichte. Ich hoffe, dass du dich in seinem und in meinem Sinne entscheidest und damit Euer beider Glück begründest.“ Sie warf ihr noch einen strengen Blick zu und dann rauschte sie hinaus. Mister Marley hatte kaum Zeit, sich höflich zu erheben.
Dann jedoch verlor er ebenfalls keine Zeit. „Miss Shepherd“, er deutete auf den Stuhl neben sich, „setzt Euch bitte.“ Er ging zum Fenster, während sie ihm gehorchte.
Sie wusste, was er sagen würde und hoffte, dass es einen Weg gäbe, ihn aufzuhalten. So respektabel er war, sie konnte sich nicht vorstellen, ihn zu heiraten. Doch wenn sie es nicht tat, dann würde Glenda sie auf die Straße setzen. Dann bliebe ihr nichts weiter als das beschämende Leben einer Prostituierten, bestenfalls einer Mätresse. Denn ihr Vermögen wurde treuhänderisch von ihrer Tante verwaltet, so lange, bis Gwen volljährig war.
„Miss Shepherd, vom ersten Augenblick, da ich Euch erblickte, wusste ich, dass ich Euch begehrte.“ Er lief rot an. „Ähm, ich meine, dass ich Eure Hand im Bund der Ehe begehrte. Das Andere natürlich auch, aber …“ Er brach verlegen ab und Gwendolyn hatte Mühe, ein Seufzen zu unterdrücken.
„Vielleicht“, schlug sie vor, denn sie wollte es schnell hinter sich bringen, da sie es schon nicht umgehen konnte. „Vielleicht wäre es das Beste, wenn Ihr einfach die Frage stellt, die Euch so quält. So wird es für uns beide einfacher.“
Er nickte gehorsam und kam zu ihr. „Liebe, verehrte Miss Shepherd. Würdet Ihr mir die Ehre geben und meine Frau werden?“
Gwendolyn schloss ergeben die Augen. Ihre Entscheidung stand fest.
Der Duke sprang von seinem schweißnassen Pferd, nahm sich nicht einmal die Zeit, einen Diener zu rufen und eilte die Stufen zum Haus hinauf. Rüde klopfte er gegen die Tür, die ihm kurz darauf von Glenda geöffnet wurde.
„Lieber Duke“; rief sie, ebenso erfreut wie verwirrt. „Was führt Euch hierher?“ Dann sah sie sich alarmiert um. „Wo ist Charlotte? Habt Ihr sie nicht gesehen?“
„Sie wird bald heimkehren“, erklärte er knapp. „Wo ist Miss Shepherd? Ich muss sie sprechen. Allein!“
„Ihr seid zu spät“, antwortete ihre Tante hämisch. „Mister Marley hat sich ihr bereits erklärt.“
Das konnte nicht sein. Entgegen jeder Etikette drängte er an ihr vorbei, stürmte durch den schmalen Flur in den Salon. Dort fand er nur seinen Nebenbuhler vor.
„Wo ist sie?“, brüllte er und packte den jungen Mann am Kragen. „Wo ist Gwendolyn?“
Verschüchtert schrumpfte sein Gegenüber unter seinem Blick zusammen. „Sie ist draußen.“
Der Duke stieß ihn angewidert weg und lief hinaus. „Miss Shepherd“, rief er und eilte weiter, als er sie nicht fand. „Miss Shepherd?“ Er fand sie am Ende des Gartens an einer Ponyweide. Eines der kleinen Pferdchen war zu ihr gegangen und ließ sich gerade genüsslich den Kopf kraulen. Als das Mädchen sich zu Gideon umwandte, sah er, das es weinte.
„Miss Shepherd, was ist geschehen?“
„Mister Marley hat um meine Hand angehalten“, würgte sie hervor. „Glenda hat gesagt, wenn ich sie nicht akzeptiere, wird sie mich auf die Straße setzen.“
Gideon schloss die Augen. Welche Wahl hatte sie schon gehabt? Wäre er doch nur schneller gewesen. Hätte er nur nicht so viel Zeit mit Charlotte verplempert. Aber er hatte ja an Gwen zweifeln müssen und das hatte ihrer beider Glück zerstört.
„Heute ist das letzte Mal, dass wir uns sehen dürfen“, fuhr das Mädchen fort, obwohl es ihr das Herz zerriss. Erneut liefen Tränen über ihre Wangen und sie schluchzte auf.
„Trotzdem ist das kein Grund zur Trauer“, antwortete er. „Immerhin werdet Ihr einen respektablen Mann heiraten. Und mit der Zeit werdet Ihr merken, wie glücklich er Euch macht.“
Sie lachte bitter. „Ich werde nicht heiraten, verehrter Duke. Ich habe seinen Antrag abgelehnt, weil ich nach allem, was …“ Sie brach ab. „Ich konnte ihn nicht akzeptieren“, fuhr sie schlicht vor.
Er war wie vor den Kopf geschlagen. „Ihr seid nicht verlobt?“
Sie verneinte noch einmal. Wieder musste sie schluchzen.
Er nahm ihre Hand. „Wisst Ihr, was das bedeutet?“
„Ich werde bald nicht mehr ehrbar genug sein, um mich in der Nähe von Gentleman aufzuhalten.“
Er schüttelte entschieden den Kopf. „Im Gegenteil. Miss Shepherd … Gwendolyn. Ihr seid frei. Ihr könnt … Ihr seid …“ Das Pony schnaubte belustigt. Es klang beinahe wie: ‚Hör auf zu stammeln, du Idiot!’ Der Duke riss sich zusammen und stellte endlich die Frage, von der all sein zukünftiges Glück abhing. „Miss Shepherd, wollt Ihr meine Frau werden?“
Sie schien nicht zu begreifen. „Aber … aber Ihr und Charlotte … Ihr seid doch …“
„Miss Montrose und ich sind gar nichts. Wir haben lediglich miteinander getanzt. Gwen, ich war wütend auf Euch. Weil ich dachte, dass Ihr mich vergessen hättet und stattdessen mit Mister Marley verlobt wäret.“
„Wie hätte ich Euch vergessen können?“ Sie schien ehrlich erstaunt. „Und wieso sollte ich mit Mister Marley verlobt sein?“
„Das ist doch nicht mehr wichtig.“ Er hatte keine Lust mehr zu reden, sondern zog sie an sich. „Wichtig ist nur das: Wollt Ihr mich heiraten?“
„Ihr seid frei? Steht nicht bei meiner Cousine im Wort?“
Er lachte. „Gott sei Dank nein, liebste Gwen. Und jetzt erlöst mich endlich von meinen Qualen und sagt ja.“
Doch das tat sie nicht. Stattdessen überwand sie die restliche Distanz zwischen ihnen und küsste ihn sanft. „Ist Euch das Antwort genug?“ Wieder schimmerten Tränen in ihren Augen, doch er wusste, das war nur die Erleichterung darüber, dass ihr ein schlimmes Schicksal erspart geblieben war. Und das Glück, dass sie endlich bei dem Mann sein konnte, den sie liebte.
„Ja, liebste Gwen.“ Dann küsste er sie richtig, ungeachtet der Blicke, die ihnen der nachgeeilte Mister Marley, Tante Glenda und das Pony zuwarfen. Sollten sie doch gaffen, nichts konnte ihn mehr von seiner Geliebten trennen.
„Und was machen wir jetzt?“, fragte Gwendolyn schließlich, als er wieder von ihr abließ.
„Jetzt begeben wir uns besser irgendwohin, wo uns niemand dabei zusehen kann, was wir tun. Ich fürchte, dass wir sonst von einer Sirene unterbrochen werden. Oder von anderen seltsamen Gestalten. Dieses Pony da macht auch einen recht seltsamen Eindruck.“
Sie lachte, obwohl sie nicht genau wusste, was er meinte. Doch als zukünftige Ehefrau wollte sie sich schon einmal daran gewöhnen, ihm zu gehorchen. Zumindest solange er Dinge vorschlug, mit denen sie einverstanden war.