9
Wieder einmal ist es diese Dunkelheit, die mich umgibt. Umschlingt mich, mit ihren Armen. Die Angst hat mich bereits eingenommen und es ist noch immer alles so ungeordnet in meinem Kopf. So viele Gedanken. So viele Dinge, die ich nicht verstehen will. Die ich niemals sehen wollte.
Das Licht des Mondes lässt mich die Umrisse der Bäume erkennen. Jedoch weiß ich bis jetzt nicht, wo meine nächsten Schritte mich hinführen. Lange schon habe ich die Orientierung verloren und es fühlt sich an, als wäre ich schon Stunden unterwegs. Stunden in denen meine Erinnerung mich nicht loslässt. Die Erinnerung an diesen Anblick. Diesen Anblick, den ich nicht wahrhaben möchte. Ohne es aufhalten zu können, verlassen mich meine Füße und ich sinke erschöpft zu Boden. Ich kann einfach nicht mehr. Ich habe so viel Blut verloren und ich bin so verdammt müde. Der Baum hinter mir, dient als Lehne und ich stütze meinen schweren, schmerzenden Rücken daran ab. Meine Jacke ziehe ich noch fester um mich. Meine Zähne klappern und ich spüre meine Finger nicht mehr. Wo bin ich hier nur hineingeraten? Ich warte jede Sekunde darauf, aufzuwachen und zu merken, dass ich geträumt habe. Ich bin alleine. Alleine in diesem furchteinflößenden Wald. Was wenn ich aber nicht alleine bin und sie bald hier auftauchen?
Meine Lider werden noch schwerer und ich kann nicht länger dagegen ankämpfen. Ohne ein Geräusch. Ohne eine Vorwarnung spüre ich zwei Hände, die mich an meinen Schultern packen. Bitte. Bitte lass mich aufwachen. Lass es nur einen Traum gewesen sein. Ich versuche mich zu wehren, doch ich habe keine Kraft mehr. Die letzte Kraft die ich noch in mir habe verwende ich dafür meine Lider wieder zu öffnen um dann in die blauen Augen zu blicken, die mich besorgt mustern. Es ist Alex. Aber ich habe Angst vor ihm. Angst vor dem was ich gesehen habe. Er hat sich in einen Wolf verwandelt. Ich will es nicht glauben. Kann es nicht glauben, da es nicht real sein kann. Aber ich habe es gesehen. Mit eigenen Augen. Ich wüsste nicht, wieso ich mir so etwas einbilden sollte. Es hat sich einfach zu echt angefühlt, obwohl mein Verstand noch immer eine rationale Erklärung sucht. Ich schlage seine Hände weg und versuche aufzustehen. Doch meine Kraft ist nur noch begrenzt und ich muss mich quälen, um auf die Beine zu kommen. Auch wenn es sinnlos erscheint, vor ihm wegzulaufen, muss ich es tun. Ich kann nicht bei ihm sein. Kann nicht aufgeben. Darf nicht aufgeben. Wenn ich sterbe, dann wenigstens mit dem Willen zu überleben. Doch schon spüre ich seine warmen Hände an meiner Hüfte. Er will mich zu sich ziehen. Will mich aufhalten. Aber ich kann es nicht zulassen und so versuche ich mich aus seinem Griff zu winden. Etwas unerwartet lässt er mich einfach so gehen. Er lässt mich los und ich setze einen Fuß vor den anderen. Bis ich ein Seufzen hinter mir wahrnehmen kann.
„Bitte lass es mich erklären. Wenn du jetzt weitergehst, läufst du in den sicheren Tod. Du würdest hier keine Nacht überleben. Nicht mit diesem Blut.“
Wenn er nur wüsste wie idiotisch sich diese Worte von ihm angehört haben. Wie wenn mir nicht klar wäre, dass es hier gefährlich ist. Und verdammt. Was hat dieser ganze Scheiß mit meinem Blut zu tun? Es war einfach nur ein Verrückter, der einen Fetisch hat, Blut zu trinken. Obwohl ich noch nie von so etwas gehört habe. Aber gibt es nicht für alles einen Fetisch? Ich höre seine Schritte hinter mir und obwohl ich noch immer von ihm weg will, kann ich nicht mehr. Meine Kraft ist am Ende und ich habe keine Reserven mehr. Ich habe meine Kraft verbraucht und jetzt will ich einfach nur meine Augen schließen und alles um mich herum vergessen. Ich wünschte, er würde mich einfach in Ruhe lassen. Auch wenn eine Seite von mir froh ist, nicht mehr alleine hier zu sein und ihn hier zu haben, lassen mich dennoch die Zweifel nicht los. Ich habe Angst vor ihm. Vor dem, was ich vorhin gesehen habe. Vor dieser Gestalt. Der Gestalt eines Wolfes.
„Ich weiß, es muss sich verrückt anhören, aber ich kann dir alles erklären, wenn du mir nur eine Chance dazu gibst. Ich schwöre bei meinem Leben, dass ich dir nichts antun werde. Verdammt. Ich wollte nicht, dass du es so erfährst. Aber es war unvermeidbar.“
Seine Stimme ist von Verzweiflung getränkt. Ohne Zweifel klingen diese Worte nicht wie eine Lüge für mich. Das macht es mir aber nicht leichter. Ich weiß nicht was ich glauben soll und was nicht. Doch ein Blick in die stahlblauen Augen und ich werde schwach. Seine Augen strahlen noch mehr als sonst und sie geben mir gerade das Gefühl ihnen glauben zu können. Aber eine Stimme in mir, nennt dieses Situation krank? Ich kann nicht einfach einem Fremden und auch vielleicht Verrücktem Vertrauen schenken. Ja er ist ein Fremder. Denn ich weiß gar nichts von ihm. Weiß nicht, was da vorhin passiert ist. Aber so sehr ich auch dagegen ankämpfe ihm Glauben zu schenken, kann ich die Erschöpfung und die schwindende Kraft nicht mehr zurückhalten. Die Schmerzen winden sich in meinem Körper und ich kann kaum noch meine Augen offen halten. Mein letzter verzweifelter Versuch noch einmal die letzten Energiereserven anzuzapfen scheitert und langsam aber sicher verabschiede ich mich in meine Traumwelt und lasse alles um mich herum verschwinden.
Es sind seine starken, warmen Arme unter mir die mich wieder von meiner Welt zurückholen. Meine Lider sind aber trotz allem noch zu schwer, um sie zu öffnen. Meine Wange liegt sanft auf seinem Schlüsselbein. Meine Lippen berühren seinen Hals und lassen mich hoffen, dass ich ihm vertrauen kann. Zwar verstehe ich noch immer nicht, was passiert ist. Wer oder Was er ist. Aber irgendwie fühle ich mich wohl bei ihm. Dieses Gefühl kann doch nicht falsch sein?
Noch immer bin ich vollkommen ausgelaugt als mich die Arme in den kalten Ledersitz entlassen. Meine Lider sind geschlossen, als ich diese vertraute Wärme vor mir spüre. Er beugt sich über mich, um mir den Sicherheitsgurt anzulegen. Sein warmer Atem trifft auf meinen und ich kann seinen Blick auf mir spüren. Diesen Anblick kann und will ich mir nicht entgehen lassen. Also öffne ich meine Lider uns starre in die faszinierenden Augen. Für einen Augenblick scheint alles vergessen zu sein. Alles was ich gesehen habe, scheint für diesen Moment einfach ausgeblendet zu sein. Seine Fingerkuppen wandern an meine Wange um eine verlorene Haarsträhne wieder hinter meine Ohren zu platzieren. Seine Lippen wandern an meine Stirn und bei dieser Berührung kann ich nicht anders als den Moment auszukosten und meine Lider wieder zu schließen. Als mich jedoch seine Berührung verlässt und ich die Wärme nicht mehr spüren kann, versuche ich meine Augen zu öffnen und mit ihnen kommt auch der Schmerz wieder an die Oberfläche. Mein ganzer Rücken fühlt sich an, als wäre meine Wirbelsäule in Einzelteile zerfallen. Alex scheint von dem ganzen nichts zu merken und schließt die Tür um dann seinen Platz auf dem Fahrersitz einzunehmen. Durch das Geräusch seiner Lederjacke werde ich jedoch wieder in die Realität zurückgeholt. Bevor er den Motor anlässt, legt er seine warme Hand auf meinen Oberschenkel und sein Blick trifft meinen.
„Ich werde dir alle deine Fragen beantworten. Wenn du es willst.“
Mit betrübtem Blick starrt er mich an, bevor er seinen Blick wieder auf die Straße richtet und losfährt. Mit letzter Kraft versuche ich die, für mich, wichtigste Frage zu stellen. Diese Frage, die mir jede Sekunde durch meine Gedanken spukt. Genau diese eine Frage auf die ich glaube, eine Antwort zu wissen, sie aber nicht wahrhaben will.
„Was bist du?“
Sekunden vergehen ohne auch nur eine Reaktion von ihm. Als wäre ich nicht einmal anwesend. Aber ich bin zu erschöpft, um jetzt auch noch nachhaken zu müssen. Auch wenn ich nicht verstehe, wieso er mir, trotz seines Angebotes mir all meine Fragen zu beantworten, jetzt keine Antwort gibt. Er ist und bleibt ein Rätsel, dass ich womöglich niemals lösen werde.
Nach weiteren Minuten des Schweigens fahren wir von der befahrenen Hauptstraße ab und biegen auf einem schmalen Weg ein, der in den Wald führt. Die Steine knirschen unter den Reifen und er muss immer wieder den Schlaglöchern ausweichen. Wieder einmal bekomme ich ein mulmiges Gefühl. „Anna. Was stimmt bloß nicht mit dir? Du bist mit einem Mann hier, der sich soeben in einen Wolf verwandelt hat und fährst mit ihm. Alleine. Durch den Wald.“ Meine innere Stimme schreit förmlich danach abzuhauen. Doch ich kann nicht. Irgendetwas. Irgendeine Hoffnung auf Antworten lässt mich nicht abhauen. Führt mich immer wieder zu ihm. Zu Alex.
Und doch frage ich mich jede Sekunde, was er vor hat. Bitte lass ihn zu den Guten gehören. Nach weiteren Minuten des Bangens kann ich im Scheinwerferlicht ein altes Gebäude erkennen. Ein kleines Holzhaus, das eher aussieht wie ein Wochenendhäuschen. Ganz hübsch. Nur schon etwas in die Jahre gekommen. Das Holz sieht aus, als habe es schon länger keinen Anstrich mehr bekommen und bei dem Geländer fehlen einige Bretter. Die Sträucher und der Efeu haben einen Teil des Hauses schon dicht umwachsen und genau dass gibt ihm einen etwas Verwunschenen Flair. Oder auch eine gute Vorlage für eine Horrorgeschichte.
Als er den Wagen abstellt, verharrt er noch einige Sekunden vor dem Lenkrad. So als würde er sich in seinen Gedanken auf etwas vorbereiten. „Bitte nicht auf einen Mord. Bitte nicht.“ Meine innere Stimme macht mir Angst. Nach einigen Sekunden des Stillschweigens scheint er mit einem lauten Atemzug wieder aus seinen Gedanken zurückzukehren.
Mit einer anmutigen Bewegung umrundet er den Wagen und öffnet die Beifahrertür, um mir seine Hand entgegenzuhalten. Vielleicht ist das jetzt die letzte Möglichkeit um Nein zu sagen. Doch will ich das? Will ich wirklich nicht wissen, was das Alles zu bedeuten hat? Meine Neugier ist zu groß und wenn ich jetzt keine Antworten bekomme, werde ich sie wohl nie bekommen. Dennoch bleibt die Ungewissheit, darüber, dass er mir doch etwas antun könnte. Doch gerade als mir diese dunklen Szenarien durch den Kopf gehen senkt er seinen Kopf um mich mit seinem Blick vollkommen einzunehmen. Die ganze Fahrt über hat er mich kein einziges Mal angesehen. Als würde er meinen Blick meiden. Als würde ich in seinen Augen etwas sehen können, dass ich nicht sehen sollte. Doch dieser Blick in dieser Sekunde ist es, der meine Hand in seine legen lässt.
Somit versuche ich, durch seine Hilfe aus dem Wagen zu kommen. Was sich als große Herausforderung herausstellt und sich durch eine nicht so elegante Bewegung bestätigt, als ich fast aus dem Wagen falle. Mein Rücken schmerzt noch immer und bei jeder Bewegung fühlt es sich an, als würde sich etwas in meine Wirbelsäule bohren. Als seine Lippen sich den meinen nähern, kämpfe ich dagegen an, sie mit meinen zu begrüßen. Zuerst muss ich erfahren, in was für eine kranke Welt ich da hineingerutscht bin. Doch anstatt wie erwartet, legen sich seine Hände auf meinen Rücken und mit einem Ruck liege ich dann schon auf seinen Armen. Mit einer eleganten Fußbewegung schließt er die Tür des GTO's. Der Druck seiner Hand auf meinem Rücken fühlt sich besser an, als ich gedacht hätte. Der Schmerz ist so ein klein wenig besser, als wenn ich gehen würde. Also genieße ich diesen Service und lasse mich von diesen starken Armen, begleitet mit diesem betörenden Duft, zu der Tür befördern. Dort angekommen lässt er mich wieder auf meine Beine und ich muss einen tiefen Atemzug nehmen um mich auf den bevorstehenden Schmerz gefasst zu machen. Seine Hand verharrt auf meinem Rücken, als er aus seiner Tasche einen Schlüssel hervorholt der zu dem Schloss der alten, dunklen Holztür wandert, die sich dann mit einem leisen Knarren öffnet und er mich ins Innere des Hauses führt. „Scheiße ist das kalt.“ Ein leiser Fluch kommt über meine Lippen.
Er macht das Licht an und führt mich in ein großes Zimmer, wo mein Blick auf den offenen Kamin fällt und damit verbunden, der Wunsch nach Wärme in mir aufkommt. Der Holztisch, der auf einem dunkelroten Teppich platziert ist, sieht aus, als hätte er schon vieles erlebt. Was ihn und das Ganze hier sehr gemütlich wirken lässt, wäre es nur nicht so kalt. Dankbarkeit ist gar kein Ausdruck, als ich mich in die weichen Kissen der Couch in der Mitte des Raumes, niederlasse und Alex mir eine Wolldecke über die Schultern legt.
„Ich weiß dir ist kalt. Warte hier. Bin gleich zurück.“
„Dir etwa nicht?“
Die Antwort lässt einige Sekunden auf sich warten, in denen er mich anstarrt und sich zu überlegen scheint, was er mir antworten soll.
„Das Blut in meinen Adern lässt mich niemals frieren.“
Bevor ich auch nur noch eine Frage stellen kann, dreht er sich um und geht zur Tür hinaus. Ich bleibe weiterhin hier auf dieser weichen Couch, eingewickelt in die warme Decke sitzen und lasse meinen Blick durch diesen Raum schweifen, während ich über seine Worte nachdenke. Sein Blut lässt ihn niemals frieren. Wie soll ich das verstehen? Werde ich es denn verstehen können?
Das leise Knarren der Tür lässt mich aus meinem Halbschlaf aufwachen, in den ich in der Zwischenzeit gefallen bin und meinen Blick zu der Tür schweifen, durch die Alex mit ein paar Holzstücken auf den Armen wieder in das Zimmer kommt. Ein dumpfes Geräusch ertönt, als Alex das Holz vor den Kamin fallen lässt und sich dann vor ihm kniet, um Feuer zu machen. Mein Blick ist starr auf dieses perfekte Gesicht gerichtet und ich kann nicht aufhören ihn anzustarren. Er hat selbst jetzt noch, nach dieser kranken Geschichte, diese Wirkung auf mich. Egal was er zu machen scheint. Die Anziehung zu ihm, scheint mit jedem Mal mehr zu wachsen. Es ist dieses Geheimnisvolle, dass mich so sehr dazu drängt ihm immer wieder eine Chance zu geben.
Nachdem das Feuer im Kamin zu knistern anfängt, kommt er auf mich zu. Der Stoff des schwarzen Shirts, dass sich an seine Haut schmiegt, lässt seine Bewegungen nur noch anmutiger aussehen, als er sich vor mir auf den alten Holztisch setzt und seine Augen an den meinen haften.
Er bringt mich noch um den Verstand. Eigentlich sollte ich ihn meiden. Sollte weglaufen. Sollte nicht hier bei ihm sein und mich schon gar nicht von seinem Blick benebeln lassen. Aber ich kann nicht anders. Er ist es. Er macht mich verrückt, wie mich noch keiner verrückt gemacht hat. Seine langen Finger gleiten ineinander, dass so aussieht, als würde er beten und sein Blick lässt keinen Zweifel daran, dass es ihm nicht leicht fällt, was jetzt auch immer kommen mag.
„Anna. Ich weiß nicht, wie ich dir das jetzt beibringen soll. Ich wollte nicht, dass du in diese kranke Welt hineingezogen wirst. Aber verdammt, wie hätte ich es denn verhindern sollen? Um es uns Beiden einfach zu machen, tue ich jetzt etwas und du musst mir versprechen, dass du versuchst nicht auszuflippen?“
Etwas ängstlich nicke ich mit meinem Kopf. Mein Blick haftet weiter an seinen Augen, die sich plötzlich zu verändern beginnen. Leuchtende Punkte tauchen in seinen sonst so blauen Augen auf. Seine Augen verfärben sich in ein leuchtendes blutrot. Die Angst die plötzlich in mir aufkommt, lässt mich instinktiv zurückweichen und meinen Rücken in die Polster der Couch pressen, auch wenn dies höllisch schmerzt. Doch auch wenn ich darauf hoffte, dass dies nun alles ist, was er tun wird, habe ich mich geirrt. Denn aus seinem Kiefer drängen sich langsam lange Reißzähne, die sich über seine, sonst so weichen Lippen legen. Fast alles in mir sagt, ich sollte weglaufen, doch meine Neugier und auch die Schmerzen in meinem Rücken lassen mich nicht vor dieser abgefahrenen Situation flüchten. Ein Geräusch ertönt, dass selbst mir noch mehr Schmerzen zufügt. Das Geräusch, als würde etwas in ihm brechen. Es wiederholt sich immer wieder. Seine Hände scheinen sich vollkommen zu verformen und darunter drücken die Knochen an die Wand seiner Haut und lassen es genauso grausam aussehen, wie es sich anhört. Von Sekunde zu Sekunde verändert sich seine Gestalt mehr und mehr. Zuerst sieht es aus, als würden Krallen aus seinen Fingern schießen. Sein Kiefer scheint ebenfalls zu brechen, als sich sein Gesicht in dass von einem Wolf verändert. Würde ich es nicht in diesem Moment direkt vor mir mit eigenen Augen sehen, würde ich denken, dass mir meine Phantasie einen kranken Streich spielt.
Erst als ich den ersten Schock überstanden und meine Atmung wiedergefunden habe, fällt mein Blick auf das schwarze Fell, dass in dem Licht des Feuers glänzt, als würden sich darin kleine Edelsteine befinden. Seine blutroten Augen blicken direkt in die meinen und sein Blick scheint mich zu fesseln. Lässt mich etwas von meiner Angst ablegen. Noch immer bin ich vollkommen überwältigt von diesem Anblick. Kann es kaum glauben. Aber es ist wahr. Er steht hier vor mir und ich kann nicht leugnen, das es sich zu real anfühlt um eine rationale Erklärung dafür finden zu können.
Ich weiche ein Stück zurück als er mit einer anmutigen Bewegung auf mich zukommt. Mein Herz rast und meine Hände zittern, als ich meine Finger dazu bringe, dass schwarze Fell zu berühren, dass sich anfühlt, als wäre es aus Seide. Es ist wie ein Film, der vor mir abläuft und ich kann ihn nicht stoppen. Jetzt, nachdem meine Finger sein Fell berührt haben, ist meine Angst wie weggeblasen. Sie ist verschwunden und meine Gedanken fangen an, sich damit abzufinden. Mit diesem unglaublichen verrückten Bild vor meinen Augen. Mein Verstand sucht trotz allem noch immer nach einer rationalen Erklärung. Vielleicht ist das alles nur meine kranke Fantasie. Doch als er seine Gestalt vor meinen Augen wieder verändert, wird mein Verstand ebenfalls schwach. Wieder höre ich das Geräusch von brechenden Knochen. Seine Haltung wird wieder aufrecht und seine Krallen und Zähne verschwinden langsam. An letzter Stelle verändern sich seine Augen. Das Leuchten darin verschwindet und wird durch diese faszinierenden blauen Augen ersetzt, die mich jetzt erwartungsvoll anstarren.
„Wie....also...wie funktioniert das? Was bist du?“
Ich bringe diese Worte nur schwer über meine Lippen und meine Stimme ist so leise, dass ich mich selbst kaum hören kann.
„Ich denke, du kennst die Antwort bereits.“
Noch immer will ich es nicht wahrhaben. Doch ich kann es auch nicht mehr länger leugnen. Auch wenn es sich noch so krank anhören mag, ich glaube zu wissen, was er ist. Aber ich will nicht wahrhaben, dass diese Dinge wirklich existieren. Nicht in meinem Leben. Nicht auf dieser Welt. Aber so sehr ich mich auch dagegen wehre, höre ich immer wieder in meinen Gedanken dass Wort Werwolf.
„Du musst es nicht aussprechen. Für dich ist es nur ein Märchen, dass sich zu verrückt anhört, um wahr zu sein. Für mich ist es mein Leben. Ich bin so geboren. Für mich gibt es einfach nur ein paar Vorteile, die ein Mensch nicht könnte. Zum Beispiel können wir die Gefühle der Menschen spüren.“
Mein Anblick muss vollkommen lächerlich aussehen, als ich ihn mit leicht geöffnetem Mund anstarre und nicht weiß wie ich darauf reagieren soll. Er scheint fest zu glauben, dass er die Wahrheit spricht. Mein Verstand sagt, ich sollte es nicht glauben, doch in meinem Inneren weiß ich, dass ich die Grenze bereits überschritten habe und mich bereits mitten in diesem Märchen befinde. Mitten in einer Geschichte, die ich niemals glauben würde, hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen.
„Es gibt noch andere? Und...also ich meine, wie wird man zu so etwas?“
„Nicht mehr so viele, wie noch vor hundert Jahren. Aber es sind trotz allem noch genug. Wir haben uns an euch Menschen angepasst. An diese Art zu leben. So wie jeder meiner Art bin ich so geboren worden. Aber dass ist jetzt nicht meine Sorge. Ich wollte niemals, dass du davon erfährst, aber Nathan hätte dich umgebracht. Versteh mich. Ich musste eingreifen.“
„Ich denke, es wird noch eine Weile dauern, bis ich das verstehen werde. Wieso hat sich Nathan vorhin nicht verwandelt?“
Bevor er weiterspricht, scheint er zu zögern. Seine Finger legen sich auf seinen Nasenrücken und seufzend kneift er kurz die Augen zusammen, um mich danach mit diesem schwermütigen Blick anzusehen.
„Nathan. Also er ist nicht so wie wir.“
„Aber er war doch genauso stark wie du. Und auch so schnell.“
Mit erwartungsvollem Blick starre ich ihn an und muss lange auf eine Antwort warten. Er wirkt nicht gerade erfreut über meine Fragen, scheint sich aber dennoch Mühe zu geben, mir all meine Fragen zu beantworten.
„Bitte dreh jetzt nicht komplett durch. Also Nathan. Er ist ein Vampir.“
Mit Ungeduld in seinen Augen starrt er mich an und scheint meine Reaktion abzuwarten. Jedoch scheint kein einziges Wort über meine Lippen kommen zu wollen. Was kommt den noch alles? Harry Potter ist sein Nachbar? Mein Kopf ist schon derart voll von Erlebnissen, dass ich hoffen kann, diese irgendwann aus meinen Gedanken verdrängen zu können. Also nicke ich nur mit meinen Kopf und werde dafür mit einem überraschten Gesichtsausdruck bedacht.
„Das ist alles?“
Er schüttelt den Kopf und seine Finger wandern zwischen seinen Haaren nach hinten, um die in die Stirn gefallenen Strähnen wieder zurechtzurücken.
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Und noch weniger weiß ich, was ich jetzt denken soll.“
Um meine Worte zu unterstreichen, zucke ich mit den Schultern und suche fragend nach einer Reaktion von ihm. Verzweiflung scheint sich in seinen Blick zu legen. Ohne es übersehen zu können wirkt er nervös und seine Augen spiegeln eine Traurigkeit wieder, die sich in meine Seele zu brennen scheint. Dieser Anblick liegt so schwer in meinem Herzen, dass ich meine Lippen dazu zwinge, etwas von sich zu geben.
„Alex, ich kann dir nicht versprechen, dass ich damit klarkommen werde. Ich kann es versuchen. Ich werde es versuchen. Aber ich weiß nicht wie viel Zeit ich dafür brauchen werde.“
Um ihn zu beruhigen, will ich meine Hand auf seine legen. Will trotz allem noch diese warme zarte Berührung genießen. Trotz dem Wissen, dass er sich in solch ein Wesen verwandeln kann. Doch als ich meine Hand hebe, spüre ich ein Brennen in meinem Rücken. Es ist ein unbeschreiblicher Schmerz und als Reaktion auf diesen, krümme ich mich und versuche die Luft anzuhalten um nicht noch mehr von diesem Schmerz zu spüren. Langsam und mit besorgter Miene lehnt sich Alex zu mir und legt sanft seine Finger an mein Shirt um es ein kleines Stück nach oben zu schieben. An seinem Blick kann ich erkennen, dass es kein erfreulicher Anblick ist, was sich ihm gerade bietet und so fühlt es sich auch an.
„Bitte nicht erschrecken.“
Kaum hat er die Worte über seine Lippen gebracht, schießen diese langen Reißzähne aus seinem Kiefer und in seinen Augen sind diese blutroten, leuchtenden Punkte zu erkennen. Auch wenn er mich vorgewarnt hat und ich mich beherrschen möchte, kann ich es nicht. Denn meine Menschliche Reaktion auf diesen Anblick ist noch immer die Flucht. Also gleite ich wieder ein Stück weit zurück um Abstand zwischen ihn und mich zu bringen. Doch ich bereue diese Reaktion in der ersten Sekunde, als diese Schmerzen mich wieder innehalten lassen.
„Bitte Anna. Hab keine Angst. Ich will dir nur helfen die Schmerzen zu lindern. Aber dafür musst du mein Blut trinken.“
„Also ich bin zwar kein Profi. Aber ich glaube nicht, dass das so funktioniert.“
Wie krank sich das anhört. Ich bin kein Profi? Ja sicherlich. Ich wusste ja auch vor ein paar Stunden noch nicht mal, dass es so etwas wirklich gibt.
„Mein Blut wird dir helfen, die Schmerzen zu lindern. Bitte vertrau mir und nicht dem, was du in irgendwelchen Filmen gesehen hast. Gut, manche Sachen stimmen. Aber andere wiederum nicht. Vampirblut heilt dich vollständig in kürzester Zeit, das stimmt. Das Blut meiner Rasse ist aber auch nicht unwirksam. Es betäubt deine Schmerzen und hilft deinem Körper beim Heilungsprozess, es wirkt langsamer als Vampirblut, aber es wird dir helfen. Also bitte, tu mir den Gefallen und trink.“
Dieselben Reißzähne, die sich vorhin aus seinem Kiefer gebohrt haben, drücken sich jetzt gegen die Haut seines Unterarms. So lange bis das dunkelrote Blut aus der dadurch entstandenen Wunde quillt. Dieser Anblick lässt mich noch zusätzliche Schmerzen fühlen. Sein Unterarm wandert immer näher an meine Lippen, doch ich kann es nicht. Also wende ich mein Gesicht zu Seite. Irgendetwas. Irgendeine Stimme sagt mir, dass das gegen meine Natur spricht. Die Angst eine Grenze zu überschreiten, lässt mich zögern. Doch die Schmerzen sind kaum auszuhalten und nach längerem Abwägen meiner Gedanken, entscheide ich mich doch zu trinken. Noch immer kann ich nicht glauben, dass ich gleich Blut trinken werde. Was ist mit meinem Verstand los? Vielleicht sind es diese verdammten Schmerzen, die mich benebeln und mich jetzt etwas tun lassen, was ich nicht tun sollte. Meine Lippen sind vor seiner Wunde. Kurz davor das Blut zu berühren. Diese rote Flüssigkeit, die sich ihren Weg aus seinem Fleisch bahnt. Um es mir etwas einfacher zu machen, schließe ich meine Augen und lasse meine Lippen langsam auf seine warme Haut zuwandern um unmittelbar darauf den süßlichen Geschmack auf meiner Zunge zu spüren. Die warme Flüssigkeit fließt ohne mein Zutun in meinen Mund und bahnt sich den Weg in meine Kehle.
Niemals hätte ich auch nur einen Gedanken daran verschwendet jemals Blut zu trinken und jetzt versuche ich den Geschmack davon zu definieren. Bei diesem Gedanken schaltet sich mein Verstand wieder ein und veranlasst meinen Körper zu reagieren, indem ich die Lippen von seinem Arm löse und mit meinem Handrücken die Rückstände von dem Blut zu entfernen versuche. So etwas darf einfach nicht richtig sein.
„Ich kann dass nicht Alex.“
Er nickt und ein zufriedenes Lächeln legt sich auf seine Lippen.
„Ich denke das hat gereicht.“
Es waren nur ein paar Sekunden, die ich davon getrunken habe und das sollte reichen? Langsam aber doch muss ich ihm Glauben schenken. Vor allem als die Schmerzen sich verringern. Überrascht und vollkommen verwirrt schiebe ich mein Shirt ein Stück weit nach oben, doch ich kann nichts erkennen. Um meine Neugier zu befriedigen mache ich mich auf den Weg zu dem Eingangsbereich, wo ich vorhin einen Spiegel gesehen habe. Schon als ich aufstehe, fühle ich mich vollkommen von den Schmerzen befreit. Es ist, als wäre nie etwas gewesen. Um es auszutesten versuche ich, alle möglichen Bewegungsabläufe durchzuspielen. Doch ich fühle keinen Schmerz.
Alex folgt mir und scheint über meine, etwas komisch aussehenden Bewegungen sehr amüsiert zu sein, was er mit einem Lächeln bestätigt. Als ich mein Spiegelbild erkenne, sehe ich darin eine Frau mit blasser Haut und dunklen Augenringe. Meine Augen wirken genauso müde, wie ich mich fühle. Um diesen Anblick nicht noch länger ausgeliefert zu sein, konzentriere ich mich wieder auf meinen Rücken und hebe das Shirt ein wenig an, um mich dann rücklings zum Spiegel zu drehen. Der Anblick der mich erwartet ist nicht der, wie ich mir ihn vorgestellt habe. Denn trotz das ich keinen Schmerz verspüre, sind noch immer die dunkelblauen Flecken auf meinem Rücken zu erkennen.
Ich kann kaum glauben, dass es wirklich funktioniert hat. Aber nach diesem Abend hat das Wort Glauben, wohl eine andere Bedeutung für mich, als noch vor dieser ganzen Geschichte.
Ungläubig blicke ich in seine Augen, die meinen Blick zufrieden erwidern. Etwas zögerlich kommt er einen Schritt näher und schon wandert seine warme Hand zu meinem Nacken. Für einen kurzen Moment genieße ich diese Berührung, unter der meine Haut zu prickeln anfängt und schließe meine Augen. Doch mein Verstand hindert mich daran, es noch weiter zu genießen. Auch wenn sich mein Körper und auch mein Herz nach ihm verzehren, kann ich das Geschehene nicht ausblenden. Immer wieder blitzen diese Bilder vor meinem inneren Auge auf und lassen mich zusammenzucken. Es kostet mich und meinen Körper einiges an Überwindung einen Schritt zurückzutreten um ein wenig Abstand zwischen uns zu schaffen. Alles was mich erwartet ist ein verletzter Ausdruck auf seinem Gesicht.
„Versteh doch, dass es mir leidtut. Nie wollte ich dich mit diesem Wissen gefährden. Wollte, dass du nie etwas davon erfährst. Aber ich verspreche dir, ich werde mich ab sofort von dir fernhalten. Ich werde dich nicht noch weiter in diese Welt mit hineinziehen.“
In seinen Augen sehe ich wieder diese Trauer. Deshalb hat er davon gesprochen, dass ich mich von ihm fernhalten soll. Doch kann ich das auch? Kann ich ohne diese Nähe leben? Ohne dieses Gefühl, dass ich nur durch seine Anwesenheit spüre? Als würden jede Zelle meines Körpers von ihm angezogen werden. Aber jetzt ist an dieser Stelle des Gefühls auch noch etwas anderes, das Wissen, dass er etwas in sich trägt von dem der Großteil der Menschen nichts weiß. Ein Teil der mir gefährlich und doch so vertraut erscheint.
„Ich habe keinen Schimmer, wie ich mit dieser Sache klar kommen werde. Aber bitte lass mich jetzt nicht mit diesen Fragen zurück. Ich kann nicht einfach so tun, als wäre nie etwas passiert. Gib mir einfach Zeit und etwas Schlaf.“
Er scheint über meine Worte etwas überrascht zu sein und nickt mit seinem Kopf. Mein Körper schreit förmlich nach einem Bett. Die Strapazen der ganzen Nacht liegen mir, trotz Alex's Blut noch in den Knochen. Meine Lider sind schon fast zu schwer um sie offen zu halten, und obwohl ich morgen mit Sicherheit noch tausend Fragen an Alex habe, schafft es mein Kopf heute nicht mehr, etwas in sich aufzunehmen.
„Alex würde es dir etwas ausmachen, wenn du mich nach Hause fährst?“
Sein verschmitztes Lächeln findet den Weg wieder zurück zu seinen Lippen als ich auf eine Antwort warte.
„Du kannst auch hierbleiben, wenn du willst.“
Ein erwartungsvoller Blick legt sich auf seine Züge und ich kann nicht anders, als ihm ein kleines Lächeln zu schenken. Wäre es ein anderer Tag, eine andere Situation, würde mein Körper ein lautes „Ja“ von sich geben. Doch mein Verstand und meine Müdigkeit veranlassen mich, es nicht zu tun. Es ist einfach zu viel passiert. Zu viel, um jetzt die Stimme meines Verstandes zu ignorieren. Also muss ich meine Lippen fast schon zu dieser Antwort zwingen.
„Es tut mir leid. Aber ich brauche einfach ein wenig Zeit alleine um einen klaren Kopf zu bekommen. Das fällt mir in deiner Gegenwart sichtlich schwer.“
Enttäuschung spiegelt sich in seinem Gesichtsausdruck wieder und doch nickt er zustimmend. Seine Augen fesseln mich, als er näher kommt und sein Atem meinen streift. Als würde er versuchen meine Gedanken zu lesen, löst er diesen intensiven Blick erst dann, als sich das bekannte Lächeln wieder auf seinen Gesichtszügen einfindet. Plötzlich fühle ich mich wieder so alleine, als er zurück in das Zimmer geht, viel zu weit weg von mir, dort wo das Feuer noch immer knistert. Vollkommen überfordert bleibe ich an Ort und Stelle stehen und als ich endlich meine Füße dazu bringen will, sich zu bewegen, höre ich, wie er wieder zurückkehrt, das Licht ausmacht und mit einer Jacke in der Hand auf mich zukommt.
Vorsichtig wandert sein Gesicht näher an meines und instinktiv bereiten sich meine Zellen auf eine Berührung seiner Lippen vor und ich schließe meine Lider. Doch wieder erwartet, kommt er nur näher um mir die Jacke über die Schultern zu legen. Ein spitzbübisches Lächeln erwartet mich, als ich meine Lider wieder öffne und in sein Gesicht blicke, dass nun so dicht vor meinem ist. Um mich von diesem Gedanken zu lösen und wieder zu meinem Verstand zurückzufinden, versuche ich es mit einer Frage, die mir schon die ganze Zeit im Kopf herumschwirrt.
„Also wie funktioniert das eigentlich mit deinen Klamotten? Äh. Wenn du dich verwandelst, meine ich.“
Das Lächeln auf seinem Gesicht wird breiter und ich komme mir vor wie ein Idiot als ich die Hitze auf meinen Wangen spüre. Alleine schon bei dem Gedanken daran, er hätte nackt sein können, steigt meine Temperatur an.
„Ich dachte mir schon, das diese Frage kommt. Für diese Sache haben wir einen Zauberspruch. Ist nicht wirklich angenehm, wenn du immer Klamotten mitschleppen musst.“
Ein Zwinkern und ein verschmitztes Grinsen, hindern mich dennoch nicht daran, ihn mit offenem Mund anzustarren. Einen Zauber? Bin ich bis jetzt blind durch die Welt gelaufen? Diese ganzen Informationen sind überwältigend, einschüchternd und dennoch so faszinierend dass ich nicht aufhören kann, mir darüber Gedanken zu machen auch wenn sich mein Kopf schon auf halbem Weg in den Tiefschlaf befindet. Um meine Verwirrung, ein klein wenig von meinem Gesichtsausdruck abzuschütteln, nicke ich und nehme die Antwort stillschweigend auf um sie danach noch einmal in meinem Kopf zu zerlegen.
Alex öffnet die Tür und lässt mich ganz Gentleman-like zuerst durch die Tür nach draußen, in diese klare Nachtluft schreiten. Sofort ziehe ich, die frische und kalte Luft in meine Lungen und versuche, den heutigen Tag irgendwie zu verdauen und etwas von dem neu gewonnenem Wissen in meinem Kopf abzuspeichern, als wir uns auf dem Weg zum Wagen machen.
Die ganze Fahrt über konnte ich kein einziges Wort über meine Lippen bringen und Alex scheint dies akzeptiert zu haben, denn er hat mich nicht einmal danach gedrängt etwas zu sagen und war ebenfalls sehr schweigsam. Als wir dann vor diesem Weißen Haus halten, das nach diesen ganzen Informationen, irgendwie winzig erscheint, versuche ich meinen Blick auf ihn zu richten, ohne das ich wieder nervös werde und irgendeinen Blödsinn von mir gebe, der hier nichts zu suchen hat.
„Danke Alex. Also du weißt schon. Für die Hilfe mit meinem Rücken.“
Meine zittrige Stimme würde nicht einmal mich überzeugen. Aber was soll ich den sonst sagen. „Danke für den heutigen Abend?“ Ich denke nicht, dass das glaubwürdig klingen würde.
„Für den heutigen Abend gibt es absolut nichts, für das du dich bedanken solltest.“
Es scheint als würde er meine nicht glaubwürdigen Worte nicht allzu ernst nehmen und verstehen, dass ich nicht weiß, was ich sonst sagen sollte. Also schenke ich ihm dieses Mal ein dankendes Lächeln und steige aus dem Wagen. Als ich die Tür schließen will, höre ich noch ein paar leise Worte von ihm.
„Schlaf gut, Anna.“
Vollständig eingewickelt in meinen warmen Pulli und der riesigen grauen Kuscheldecke starre ich wie eine verrückte die weiße Fläche über mir an, als wäre es eine der interessantesten Sachen, die ich je gesehen habe, während meine Gedanken, all das Geschehene zu ordnen versuchen. Was ist nur mit mir los? Wieso kann ich keine normalen Probleme haben? Wieso passiert mir so etwas? Auch wenn ich in einem Teil meines Gehirns weiß, dass es real war, was ich erlebt und gesehen habe, kann und will ich es immer noch nicht wirklich wahrhaben. Doch jetzt scheint es wohl zu spät zu sein, für eine Flucht in die „Blindheit“ die mich wohl mein ganzes Leben begleitet hat.
Ich kann es auf keinen Fall leugnen, dass ich für Alex etwas empfinde. Aber auf der anderen Seite ist diese eine Frage, wie es wohl mit uns weitergehen wird. Ich kenne ihn ja nicht einmal. Also vielleicht einen winzigen Bruchteil seiner menschlichen Seite. Aber der Werwolf – Teil in dieser Geschichte lässt mich Angst vor dem haben, was mir jetzt wohl noch bevorstehen mag. Hat er das denn unter Kontrolle? Diese Frage stelle ich mir immer wieder. Was wenn nicht? Wird er mich dann eines Tages einfach zerfleischen? Genau dieser Gedanke ist es, der mich erschaudern lässt. Nicht nur weil es vielleicht eines Tages dazu kommen könnte, vielmehr weil ich mir diese Frage überhaupt stellen muss.