Kapitel 14
Zwei Wochen später
Der Wecker zeigte 6:30 Uhr, als ich an einem sonnigen Sonntagmorgen wach wurde. Ich lag
in dem großzügigen Doppelbett, das ich nur zu gut kannte. Schließlich war ich selbst
diejenige, die dieses Riesenbett täglich frisch bezog und ordentlich machte. Baltic lag neben
mir, tief in Schlaf versunken. Der Sex hatte ihn offenbar völlig erschöpft, so matt, wie er
dalag. Ich richtete mich im Bett auf und hielt Ausschau nach meinem Kleid. Als ich es
nirgendwo erblickte, stand ich auf und ging ins benachbarte Ankleidezimmer, das rundherum
mit tiefreichenden, geradezu begehbaren Wandschränken ausgestattet war. Baltic besaß mehr
Kleidung als ein international berühmtes Fotomodell. Auch wenn ich mich in seinen
Privatgemächern befand, wollte ich nicht splitterfasernackt herumlaufen und suchte mir ein
leichtes Leinenhemd heraus. Ich zog es über und wie zu erwarten, war es etliche Nummern zu
groß, sodass es über meinen Po bis zu den Oberschenkeln hinabreichte. So konnte ich das
Hemd wie ein Minikleid tragen. Der leichte Stoff fühlte sich angenehm auf der Haut an.
Ich ging ins Schlafzimmer zurück, setzte mich auf einen Sessel und betrachtete den
schlafenden Baltic. Kurz überlegte ich, ihn zu wecken, doch dann verwarf ich den Gedanken
wieder. Er war in den letzten zwei Wochen viel unterwegs gewesen und wirkte körperlich und
seelisch erschöpft. Zwar hatte ich in den letzten Tagen bereits versucht, ihm einige
Informationen zu entlocken, wo er hinreiste, mit wem er sich traf, was er im Schilde führte,
doch er hatte immer wieder abgewiegelt und stets irgendetwas von „Geschäftsreise“
gemurmelt.
Gegen halb neun schien er langsam wach zu werden und regte sich ein wenig. Ich ließ ihn
noch ein kleines Weilchen dösen und wartete, bis er schließlich ganz wach war und sich im
Bett aufsetzte. Schlaftrunken blickte zu mir herüber und sagte verwundert:
„Hey, Kätzchen. Wow, siehst gut aus , steht dir hervorragend.“
Ich verdrehte meine Augen. Dann wurde ich wieder ernst und blicket ihn direkt an.
„Baltic, du warst in den letzten beiden Wochen sehr viel unterwegs. Man hat dich kaum zu
Gesicht bekommen. Wo treibst du dich eigentlich ständig herum?“
Baltic ließ sich rücklings wieder ins Bett fallen und schlug die Hände vors Gesicht.
„Hey, Kätzchen. Bin ich hier in meinem Bett oder beim Polizeiverhör? Können wir das nicht auf
später verschieben? Mein kleiner Baltic will außerdem gerade wissen, warum du so neugierig
da drüben herumsitzt, anstatt ins Bett zu kommen und sich um ihn kümmern.“
Wieder musste ich einfach nur meine Augen verdrehen. Baltics Humor war imstande, einen immer wieder
auf dem falschen Fuß zu erwischen.
„Nach seiner kolossalen Kraftanstrengung letzte Nacht, solltest du ihm mindestens zwölf
Stunden Pause können.“
Nun musste Baltic lachen.
„Ok, Baltic. Ich mach mich kurz frisch und zieh mir was anderes an. Bin gleich zurück, also
lauf mir nicht wieder davon, wie in den letzten Tagen!“
Ich verließ Baltics Schlafgemach und sprang unter die Dusche. Auf einer Sessellehne hatte ich
auch mein gelb-orangenes Sommerkleid wiedergefunden, in das ich nach dem Duschen
hineinschlüpfte. Danach holte ich aus der Küche ein Tablett mit dem Frühstück für Baltic. Mir
selbst reichte vorerst ein starker Kaffee. Wieder im Schlafzimmer angekommen, stellte ich das
Tablett auf den Tisch. Er gehörte zu einer mediteran anmutenden Sitzgruppe, die vor der
großen Glasschiebetür zu Terasse stand und den Blick aufs Meer ermöglichte. Nachdem ich
das Tablett abgestellt hatte, setzte ich mich an den Tisch und sah Baltic erwartungsvoll an. Er
sollte spüren, dass er mich nicht länger würde hinhalten können und dass es höchste Zeit war,
mich in seine „Geschäfte“ einzuweihen.
Baltic holte sich noch ein wenig Bedenkzeit heraus, indem er die Morgendusche mehr als
sonst ausdehnte und sich mit dem Haaretrocknen extra viel Zeit ließ. Offenbar genoß er es,
mich warten zu lassen. Meine wachsende Ungeduld schien ihn sogar zu vergnügen.
„Baltic, jetzt mach endlich hin. Dein Kaffee wird kalt,“ rief ich zu ihm hinüber.
„Ist ja schon gut, meine kleine Wildkatze. Ich komme ja schon. Also lass uns was essen und
reden!”
Baltic setzte sich an den Tisch, trank ein Glas Orangensaft und schenkte sich Kaffee ein. Ohne
lange zu zögern, stellte ich ihn zur Rede.
„Also, wo warst du die letzten Tage?”
Baltic kaute auf seinem Marmeladenbrötchen herum und schien zu überlegen, wie er seine
Worte wählen sollte, um meine einfache Frage zu beantworten. Nach einer Weile, eine
Brötchenhäfte war schon fast aufgegessen, lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und
antwortete schlicht:
„Ich war unterwegs.“
„So so, unterwegs,“ wiederholte ich seine Worte in bewusst strengerem Ton. „Geht es
vielleicht auch ein wenig konkreter?“
Baltic senkte den Blick und sagte:
„Ich hatte viele geschäftliche Termine. Die meisten davon haben mit dem kommenden
Sklavenmarkt in der Stadt zu tun. Ich musste die Anmeldung machen und eine Kaution
hinterlegen. Die wollen sichergehen, dass nur Leute mitbieten, die sich das auch leisten
können. Außerdem benötigt man eine Sicherheitsfreigabe. Es kommen nur Leute rein, die sich
zuvor angemeldet und einen entsprechenden Zugangscode erhalten haben. Die erhöhten
Sicherheitsvorkehrugnen haben wohl damit zu tun, dass internationale Behörden den
Organisatoren mehr und mehr auf die Schliche kommen.“
Für einen Moment hatte es mir die Sprache verschlagen. Das durfte doch nicht wahr sein!
„Was? Schon wieder ein neuer Sklavenmarkt? Wie bekommen sie immer so viele Frauen
zusammen, dass sie ständig neue Versteigerungen organisieren können?”
„Das ist nicht ungewöhnlich zu dieser Jahreszeit. Wir sind hier auf der Südhalbkugel und
haben Sommer. In den Ländern auf der Nordhalbkugel ist es jetzt Winter. Die Tage sind
kürzer, es wird früh dunkel. Das erleichtert es diesen Kriminellen, die Frauen zu entführen.
Gestern kamen wieder über fünfzig im Auffanglager an, die bis zum Markt frisch und hübsch
gemacht werden. Du weißt schon: Schönheitskur, tolle Gewänder und so weiter. Die
Lagerwachen sagen, es sollen dieses Mal viele auffallend schöne und ausergewöhnliche
Frauen darunter sein.“
Ich traute meinen Ohren nicht. Es war unfassbar, was ich da hörte.
„Baltic, du willst doch nicht etwa noch mehr Sklavinnen hier in dein privates Königreich
holen? Haben die Frauen denn nicht schon genug gelitten? Das Ganze muss aufhören, so
schnell wie möglich!“
Baltic hob den Blick und schaute mir nun direkt in die Augen.
„Kätzchen. Ich biete bei den Versteigerungen mit, um den Mädels das Schlimmste
zu ersparen. Trotzdem kann ich nicht verhindern, dass die eine oder andere bei Steve landet
oder irgendeinem Psycho, der die Frauen wie Dreck behandelt. Hast du jemals erlebt, dass ich
mein Personal schlecht behandelt hätte?“
„Nein, bis jetzt noch nicht ich bin aber auch noch nicht lange hier bei dir. “Ich biete dir hier sämtliche Freiheiten, die ich kann – im Rahmen des Möglichen.“
Ich schluckte, denn ich wusste, dass Baltic im Grunde Recht hatte. Er war keinesfalls das
Monster, für das ich ihn anfangs gehalten hatte. Er hatte sich hier auf der Insel ein
paradiesisches Refugium geschaffen. Ich hatte es auch noch nie erlebt, dass Baltic eine der Frauen unsittlich bedrängt
oder in irgendeiner Weise misshandelt hätte. Wahrscheinlich war ich nicht die Erste, die
freiwillig mit ihm im Bett gelandet ist, doch irgendwie spürte ich, dass es etwas ganz
Besonderes war, das da gerade entstand zwischem ihm und mir. Hoffentlich machte ich mir in
dieser Hinsicht nichts vor. Doch das würde die Zeit zeigen.
„Wann genau findet der nächste Sklavenmarkt statt?“, fragte ich.
„In etwa vier Wochen. Was würdest du davon halten mitzukommen und mir bei der Auswahl
der Frauen zu helfen? Vielleicht können wir deinem verbrecherischen Ex-Freund Steve die
eine oder andere Dame abspenstig machen.“
„Und vielleicht erfahren wir ja bei dieser Gelegenheit etwas über den Verbleib deiner
Freundin Anne. „Baltic, wir müssen sie unbedingt finden!“, rief ich mit Nachdruck.
Baltic hatte sich vermutlich irgendeinen Plan ausgedacht, um Steve eins auszuwischen. Er
musste Steve abgrundtief hassen. Nicht, dass ich Steve auch hasste, doch bei mir hatte es
definitiv einen privaten Grund.
„Baltic, woher kennst du Steve? Ich muss wissen, in welcher Beziehung du zu ihm stehst!“
Baltic schwieg. Er fuhr sich durch die Haare und veränderte seine Körperhaltung, so als
müsste er seine Kräfte sammeln für eine bevorstehende Anstregung. Er holte tief Luft und hob
mit bedeutungsvoller Stimme zu sprechen an:
„Also gut, Lenora. Ich werde dir meine Geschichte erzählen, von Anfang an.