Es war so weit. Die Versteigerung der neuen Sklavinnen würde in wenigen Stunden beginnen. Ich war schon sehr früh wach und konnten nicht mehr einschlafen. Baltic schien es nicht zu stören. Er hatte ein tiefen Schlaf und ihn nahm das Ganze nicht so sehr mit. Für mich würde es das erste Mal sein, dass ich auf dem Markt aufseiten der Käufer auftrat. Zwar galt ich offiziell noch immer als Sklavin in Baltics Besitz, doch dafür hatte man eine Art Sicherheitsausweis für mich ausgestellt, den ich auf dem gesamten Gelände wie eine Zugangskarte benutzen konnte. Darauf war mein voller Name und ein aktuelles Passfoto von mir. Ich fand es einerseits erschreckend, ein Ausweisdokument zu besitzen, welches schwarz auf weiß bestätigte, dass ich Baltics persönlicher Besitz war. Andererseits konnte ich damit in bestimmte Bereiche und Räumlichkeiten gelangen, die eigentlich nur das dort tätige Personal betreten durfte. Baltic besaß selbst eine solche Code-Karte mit goldener Umrahmung und einer noch höheren Sicherheitsfreigabe. Meine Zugangskarte war nur in Silber gefasst, und das war immerhin besser als gar nichts.
Baltic hatte eigens für mich ein Beauty- und Styling-Team bestellt und dabei keine Kosten gescheut. Er wollte, dass ich als Begleitung an seiner Seite gut aussehe. Als ich nach allen Regeln der Kunst herausgeputzt wurde, musste ich an die Schönheitskur zurückdenken, die wir Sklavinnen damals meist unfreiwillig über uns ergehen lassen mussten, bevor sie uns den lüsternen Blicken der potenziellen Käufer präsentierten. Ein kalter Schauer überkam mich und ich versuchte, die Gedanken an die damaligen Ereignisse aus dem Kopf zu bekommen.
Nun stand auch Baltic auf und begab sich unter die Dusche. Wir frühstückten in einem eher schlicht eingerichteten Speisesaal, in dem wir später auch unser Mittagessen einnahmen. Als der Abend und somit die feierliche Eröffnung des Marktes näher rückte, gingen wir zurück in die Suite, um uns dem Anlass entsprechend zu kleiden. Baltic zog einen hochwertigen, dunklen Anzug an, der gut zu dem orientalischen Ambiente passte und zugleich perfekt mit meinem farbenfrohen, hochgeschlitzten Abendkleid harmonierte. Wenig später ging es Los. Wir liefen inmitten einer lebhaften Menschenmenge geradewegs in einen großen, festlich eingerichteten Ballsaal. Dort standen prächtig gedeckte Tische, die Stühle waren mit rotem Samt überzogen. Baltic steuerte den breiten Mittelgang entlang stilsicher auf seinen Platz zu, der mit einem entsprechenden Namenskärtchen versehen war. Wir saßen im vorderen Bereich und hatten eine gute Sicht auf die große Bühne. Noch war sie mit einem mächtigen schwarzen Samtvorhang verhüllt, was die Neugier der Interessenten und Käufer erweckte.
Nachdem wir unsere Plätze eingenommen hatten, ließ ich meinen Blick über den weiten Saal und die vielen Gäste schweifen. Und dann sah ich ihn. Sein Anblick traf mich wie ein Keulenhieb. Er stand dort, inmitten einer Gruppe von Gästen, mit einem Champagnerglas in der Hand. Und er hatte sich kein bisschen verändert. Steve sah noch immer verdammt gut aus, obwohl seither schon einige Jahre ins Land gegangen waren. Groß, dunkeläugig, muskulös und breitschultrig. In seinem perfekt sitzenden Anzug wirkte er sportlich und maskulin. Er hatte mich noch nicht erblickt, da er sich gerade mit einigen Gästen unterhielt. Baltic muss wohl meinen starren Gesichtsausdruck bemerkt haben, denn er zog mich etwas zu sich heran und blickte in die gleiche Richtung. Nun sah auch er Steve und dessen Gesprächspartner, die Baltic offenbar zu kennen schien.
„Steve wird doch hoffentlich nicht in unserer Nähe oder gar hier am Tisch sitzen?“ flüsterte ich fragend in Richtung Baltic. Baltic neigte sein Antlitz an mein Ohr und sagte leise:
„Nein, Kätzchen, wir sitzen hier auf der rechten Seite in Nähe der Bühne. Steve und seine Begleiter sitzen viel weiter hinten, doch von dort können sie uns natürlich gut sehen. Steve wird dich sicherlich erkennen, auch wenn du heute ganz anders gestylt und gekleidet bist als zu seinerzeit.“
Ich seufzte. Der Saal füllte sich nun zusehends. Steve hatte uns noch immer nicht bemerkt. Ich wurde jäh aus meiner Erstarrung aufgeschreckt, als eine Stimme aus einiger Entfernung Baltics Namen ausrief. Ich wandte mich um und sah einen kleinen, rundlichen Mann direkt auf uns zukommen. Baltic erhob sich von seinem Platz und begrüßte den Mann mit Händedruck und freudigem Gesichtsausdruck.
„Hallo Manolo, schön dich zu sehen!“, sagte Baltic und wechselte ein paar Worte. Währenddessen richtete sich mein Blick erneut auf Steve und ich fragte mich, was er wohl tun würde, wenn er mich hier sah, so nah an der Seite von Baltic. Ich brauchte nicht lange auf die Antwort zu warten, denn Steve hielt plötzlich inne und verstummte mitten im Gespräch. Er hatte mich erkannt und starrte nun mit glühenden Augen zu mir hinüber. Ich konnte nicht einordnen, was das Glühen seiner Augen zu bedeuten hatte. War es Wut und Hass oder eine lodernde Begierde, die noch immer in ihm brannte?
Ich wusste aus Erfahrung, wie leicht man sich bei Steve täuschen konnte. Einst hatte ich dieses flammende Augenspiel als Kompliment aufgefasst, als Ausdruck von Verlangen und Hingabe, ein Blick, der mir deutlich machte, dass ich sein ein und alles war, seine Frau, seine Königin, die alles von ihm haben könnte, was sie nur wollte. Wie falsch ich doch damals lag!
Steve stellte sein Champagnerglas zur Seite und ließ sich bei seinen Begleitern entschuldigen. Er lief direkt auf uns zu, doch Baltic bekam nichts davon mit, da er sich noch immer mit Manolo unterhielt. Mein erster Impuls war, Baltic anzustupsen, um ihn darauf aufmerksam zu machen, dass Steve gerade im Anmarsch war. Doch da ich offiziell als Baltics Sklavin geladen war, wäre dies als ungehöriges Benehmen aufgefasst worden. So musste ich meinen Impuls unterdrücken und gute Miene zum bösen Spiel machen. Steve wurde glücklicherweise von einer älteren Dame mit Turban aufgehalten, die ihn zu kennen schien und nach der Begrüßung ein paar Worte mit ihm wechselte. Fieberhaft überlegte ich, wie ich Baltics Aufmerksamkeit gewinnen konnte, ohne aus meiner Rolle zu fallen. Schließlich musste ich so tun, als sei ich in meinen hohen Stöckelschuhen umgeknickt und müsste mich an Baltics Arm festhalten, um nicht der Länge nach zu Boden zu gehen. Noch während Baltic mich vermeintlich zu halten versuchte, raunte ich ihm rasch nur zwei Worte zu:
„Steve kommt!“
Baltic legte seinen kräftigen Arm sanft um meine Hüfte und nickte mir vertrauensvoll zu. Ich fühlte mich für einen Moment in Sicherheit und erschrak nicht, als Steves sonore Stimme ertönte.
„Baltic, Manolo, ich bin erfreut euch hier zur Eröffnung zu treffen!”
Manolo grüßte kurz, aber höflich, zurück und ließ sich entschuldigen. Offenbar wusste er vom Hörensagen oder aus eigener Erfahrung, dass mit Steve nicht gut Kirschenessen war. „Baltic, wie ich sehe, hast du mir meine Frau mitgebracht, wie nett von dir!“, säuselte Steve in seiner unerträglich schmierigen Art.
Für den Bruchteil einer Sekunde vernahm ich ein zorniges Flackern in Baltics wunderschönen Augen. Dann zischte es voller Widerwillen aus mir hervor:
„Niemals werde ich deine Frau sein, Steve!”
Mir war bewusst, dass ich damit die Etikette, die ungeschriebenen Regeln, die hier auf dem Sklavenmarkt herrschten, verletzte. Doch zum Glück hatte niemand mein zorniges Zischen bemerkt. Dann übernahm Baltic das Gespräch:
„Steve, ich glaube, das ist ein Missverständnis. Ich habe die schöne Lenora ganz offiziell gekauft. Sie trägt mein Brandmahl und steht somit in meinem Besitz. Solange ich sie nicht weiterverkaufe, ist sie mein!”
Steves Gesichtszüge wurden starr und hart. Seine Muskeln spannten sich. Unwillkürlich ballte sich eine Hand zur Faust. Am liebsten hätte er wohl Baltic eine verpasst und mich von seiner Seite gerissen. Doch Steve antwortete mit ironischem Unterton:
„Tja, Baltic, ich gratuliere! Wäre ich beim letzten Mal nicht verhindert gewesen und hätten meine Männer nicht so viel Scheiße gebaut, würde Lenora jetzt an meiner Seite stehen statt an deiner!” Dann wandte er sich mir zu: „Lenora, Darling, du weißt, ich liebe nur dich! Komm zu mir zurück und du wirst die Königin an meiner Seite sein. Was kann Baltic dir schon bieten?“
Ich konnte kaum glauben, diese Worte aus Steves Mund zu vernehmen. Ich versuchte die Contenance zu wahren und antwortete leise genug, um nicht unangenehm aufzufallen:
„Steve, es ist aus zwischen uns! Unter keinen Umständen werde ich zu dir zurück kommen. Ich weiß, dass du mich hast entführen lassen. Kannst du dir überhaupt vorstellen, welche Ängste und Qualen ich durchmachen musste?”
Meine Worte lösten nur hämisches Grinsen in Steves Gesicht aus, als würde der Gedanke an meine Leiden ihm ein krankhaftes Vergnügen bereiten. Dann fuhr er fort:
„Lenora, Babe, meine Jungs haben leider einen Fehler gemacht und dieses junge, blonde Miststück gekauft, eine Deutsche, ein richtig wildes Teufelchen. So eine Karate-Tussy mit schwarzem Gürtel, oder ist es Teakwon-Do? Was auch immer! Stell dir vor, das zierliche Ding hat einem meiner Männer die Nase gebrochen! Ein reinrassiges Wildpferd, die Kleine. Doch glaub‘ mir, wir werden sie noch zureiten und zähmen!“
Schallendes Gelächter brach aus ihm hervor. Mir war sofort klar, dass er von Anne redete.
„Wo ist diese Deutsche?“, fragte ich prompt in der Hoffnung, etwas über Annes genauen Aufenthaltsort zu erfahren.
„Sie ist bei mir in guten Händen!“, spöttelte Steve und ein weiterer Schwall seiner boshaften Lache ergoss sich über Baltic und mich. Direkt an Baltic gewandt sagte er: „Diese Deutsche überlasse ich dir gerne, Partner. Möchtest du sie gegen Lenora eintauschen?”
„Vergiss es, Steve. Ich werde dir Lenora niemals überlassen!“
Bevor er etwas hinzufügen konnte, ertönte ein mächtiger Gong: das Signal für den Beginn der Auktionen. Ein Geraune ging durch den Ballsaal, während sich die Anwesenden zu ihren Plätzen bewegten. Noch im Weggehen rief Steve:
„Wir sind hier noch nicht fertig, Baltic! Früher oder später wird Lenora mir gehören!” Dann verschwand er in der Menge. Ich setzte mich und atmete tief durch. Dann gingen die Versteigerungen los und ich musste meine ganze Aufmerksamkeit dem Geschehen auf der Bühne widmen.
Es wurden viele Frauen vorgestellt aus den verschiedensten Regionen der Welt und unterschiedlichen Alters. Die jüngeren schienen Anfang bis Mitte zwanzig, die mittlere Altersgruppe war Ende zwanzig bis Mitte dreißig und die älteren waren Ende dreißig bis Anfang vierzig. Es war auf eine morbide Art beeindruckend, wieviele Frauen sie wieder entführt hatten, um sie hier auf dem Sklavenmarkt zu präsentieren. Nach rund zwei Stunden ertönte erneut der unüberhörbare Gong, der jedoch nicht das Ende, sondern lediglich eine Pause markierte. Danach wurde die Crème de la Crème vorgeführt, eine Reihe ganz besonderer Frauen, für die ihre Verkäufer Spitzenpreise erzielen würden. Darunter befand sich eine zweiundzwanzigjährige Leistungssportlerin mit osteuropäischem Hintergrund. Sie hatte bereits Bronze- und Silbermedaillen im Bereich Leichtathletik gewonnen. Doch sie war nicht nur sportlich erfolgreich, sondern verfügte auch über einen Abschluss an einer Elite-Universität. Im Auktionsprospekt stand zu lesen, dass sie vier Sprachen fließend sprechen konnte.
Ich erkannte sogleich ihr außerordentliches Talent und machte Baltic auf das Mädchen aufmerksam. Baltic wusste, wonach ich suchte und nickte mir zu. Sie war die erste Frau, die wir durch Höchstgebot erwarben. Wenig später erhielten wir den Zuschlag für eine 33-jährige Musikerin aus Frankreich, die eine Ausbildung in Klavier und Gesang absolviert hatte. Baltic hatte das finale Gebot abgegeben und mir war nicht ganz klar, was er mit der zartbesaiteten Französin anfangen wollte. Etwas später bestand ich auf den Erwerb einer 27-jährige Chinesin, die laut Prospekt Meisterin in Wing Chun war, einer hocheffektiven Kampfkunst. Genau solche Frauen brauchte ich für mein Team. Jedesmal wenn ein solches „tough girl“ die Bühne betrat, überzeugte ich mich anhand des Prospekts von den sportlichen und kämpferischen Qualitäten und gab Baltic ein Zeichen, das er zuschlagen solle.
Doch dann kam ein weiterer Schockmoment. Auf der Bühne stand ein Mädchen von kaum zwölf Jahren, zitterte am ganzen Köper und weinte still in sich hinein. Baltic sah mich an und wusste anhand meines Blicks sofort, dass ihm keine andere Wahl blieb, als das Mädchen zu kaufen, um es vor anderen „Interessenten“ zu beschützen. Es war kaum zu glauben, aber diese Barbaren kannten wohl keinerlei Tabus mehr! Jetzt machten sie noch nicht einmal vor Kindern Halt!
Nach weiteren zwei Stunden ertönte endlich der Schlussgong und ich war froh, es endlich hinter mir zu haben. Baltic ging ins Zentralbüro, um die nötigen Formalitäten abzuwickeln, während ich den Raum aufsuchte, in dem sich gerade die zwölf Frauen aus sieben Nationen befanden, die Baltic auf dem diesjährigen Sklavenmarkt ersteigert hatte. Die Frauen standen dicht beeinander, manche hielten sich an den Händen oder umarmten sich. Alle stellten sich schützend vor das minderjährige Mädchen.
Ich bemühte mich, den Frauen Mut zu machen. „Beruhigt euch, meine Lieben! Ich heiße Lenora. Ich bin ebenfalls eine Sklavin, so wie ihr. Meine Aufgabe ist es, euch zu beschützen. Gleich wird Baltic, euer Käufer und neuer Eigentümer, hereinkommen und euch in Augenschein nehmen. Auch wenn es für euch jetzt noch schwer zu glauben ist, doch Baltic und ich möchten euer Bestes! Wir sind nicht eure Feinde! Wir bekämpfen diejenigen, die euch entführt und hierhergebracht haben. Wir möchten das alles auffliegen lassen und ein für allemal beenden: die Entführungen, den Sklavenmarkt und die kriminellen Machenschaften der Hintermänner. Doch dazu brauchen wir eure Hilfe und Kooperation! Ich will euch zu Kämpferinnen ausbilden und mit euch gemeinsam gegen diese gewissenlosen Schweine in den Krieg ziehen! Seid ihr bereit, Mädels?