Kapitel 25
Ich tanzte mit Baltic über das Parkett und beobachtete die Menschen.
Einige meiner Mädels hatten sich unter die Menge gemischt, andere
hielten im Außenbereich die Stellung und hatten die Wachmänner
bereits ins Visier genommen.
Viele Gesichter auf dem Ball kamen mir bekannt vor. Steve war noch
nirgends zu sehen und ich war froh darüber, denn ein weiteres
Aufeinandertreffen würde diesmal bis aufs Blut gehen.
Anne wirkte angespannt. Ihre Nervosität äußerte sich darin, dass sie von
einem Ort zum anderen rannte, ohne recht zu wissen, was sie mit sich
anfangen sollte. Vermutlich graute ihr davor, ihren Peiniger Steve
wiedersehen zu müssen. Ihr Hass auf Steve musste noch größer sein als
mein eigener. Ich konnte mich glücklich schätzen, dass Baltic mich
seinerzeit auf dem Sklavenmarkt gekauft hatte und ich nicht bei jemand
anderem oder, noch schlimmer, bei Steve gelandet war. Wer weiß, wie es
mir ergangen sein mochte.
Noch ganz in Gedanken vertieft, bekam ich anfangs gar nicht mit, dass
Scheinwerferlicht die Bühne erleuchtete und ein etwas rundlicher Mann
auftrat. Sein prachtvolles Gewand war reichlich mit Edelsteinen und Gold
geschmückt. Er musste einer von den ganz hohen Tieren sein, so viel
Schmuck und Pomp wie er zur Schau trug.
„Guten Abend, liebe Gäste! Ich heiße euch willkommen zur Eröffnung des
diesjährigen Galaballs! Auch in diesem Jahr wird es wieder viele schöne
Frauen und starke Männer geben, die auf ihre neuen Herren warten.
Unsere Mitarbeiter sind auf der ganzen Welt unterwegs und halten
permanent Ausschau nach männlichen und vor allem weiblichen
Prachtexemplaren. Wir haben derzeit etwa zweihundert Frauen, die in
unserem Lager gefangen gehalten werden. In einigen Wochen kommen
weitere Gruppen von Männern und Frauen hinzu, sodass wir in vier
Monaten bei unserem traditionellen Markt auf mehrere hundert
Sklavinnen und Sklaven kommen. Es wird also definitiv viel Ware für euch
und eure Kunden dabei sein. Doch nun genug geprahlt. Wir wollen heute
Abend das neue Jahr und die guten Geschäftsaussichten feiern. Ein
Ensemble wunderschöner Bauchtänzerinnen wird uns den Abend über
akrobatische und höchst ansehnliche Showeinlagen bieten!“
Der dicke Mann verließ die Bühne und eine Gruppe von zwanzig
Tänzerinnen trat auf. Die Frauen trugen bunte, betörende
Bauchtanzgewänder aus feiner Seide mit kleinen Glöckchen an den
Füßen. Jeder Tanzschritt erzeugte seine eigene rhythmische Musik, ein
erotischer Reigen, der vor allem die Männerblicke magisch in seinen
Bann zog. Ihre Haut war mit Goldpuder gesprenkelt und die Gesichter
hinter den Schleiern nur vage zu erkennen.
Ich kannte sie alle, denn vierzehn von ihnen waren Frauen aus meinem
Team. Die anderen sechs hatten Baltic und ich als Ergänzung engagiert.
Es waren nicht nur gute Tänzerinnen, sie beherrschten auch diverse
Kampfsportarten und den Umgang mit Waffen. Momentan war es ihnen
wegen ihrer durchsichtigen und teilweise kurzen Gewänder jedoch nicht
möglich, Waffen zu tragen.
Im Gegensatz zu mir, denn ich trug ein langes, weinrotes Abendkleid mit
hochgeschnürter, festsitzender Büste. An der linken Seite befand sich ein
hoher Schlitz, der mir eine angenehme Beinfreiheit gewährte. Am
rechten Oberschenkel trug ich, vom Kleid verdeckt, eine meiner Say.
Beim Tanzen musste ich etwas aufpassen, keine zu ausfallende Schritte
zu machen, doch es klappte ganz gut. Meine Haare waren aufwändig
hochgesteckt mit vielen scheinbaren Haarnadeln, die auf den ersten Blick
wie teure Schmuckstücke aussahen, doch in Wirklichkeit handelte es sich
um kleine Dolche und Mini-Wurfmesser. Baltic hatte sich bei der
Herstellung dieser kleinen Messer und Spieße viel Mühe gegeben und
etliche davon produziert. Nicht nur ich, sondern auch die meisten meiner
Mädels trugen welche im Haar. Auch deren Kleider und Gewänder waren
sorgfältig ausgewählt. Sie sahen nicht nur gut aus, sondern waren auch
angenehm zu tragen und man konnte sich verhältnismäßig gut darin
bewegen. Anne trug ein blaues Cocktailkleid und dazu schicke,
hochgeschnürte Sandalen. Sie war fast die Einzige, die keine
Stöckelschuhe oder Pumps trug, so wie die meisten von uns. Doch auch
noch unsere Schuhe mit ihren hohen, messerscharfen Absätzen waren
geeignet, als Waffe eingesetzt zu werden. Trotz der festlichen
Aufmachung und schönen Garderobe waren wir bis an die Zähne
bewaffnet.
Anne kam herbeigeeilt und machte ein besorgtes Gesicht. Schnell
erkannte ich den Grund, denn Steve war gerade in den Ballsaal
geschlendert.
Die Stimmung war festlich und schien sich noch zu verbessern, als die
Tänzerinnen in ihren farbenprächtigen Gewändern mit
atemberaubenden Formationen das Publikum fesselten.
Anne war nun dicht an meiner Seite und schien sich förmlich an meinen
Arm klammern zu wollen. Ich spürte ihre zunehmende Nervosität,
nachdem Steve den Raum betreten hatte. Die Worte des
goldbehangenen Mannes hallten noch in meinem Kopf wider – der
schreckliche Handel mit Menschen war allgegenwärtig, und trotzdem
wirkte dieser Abend wie ein Märchen aus tausendundeiner Nacht.
Melodien erklangen, Bauchtänzerinnen betörten ihr Publikum, der Duft
von exotischen Gewürzen und Parfüm strömte durch den Raum.
Ich hatte mich lange und intensiv auf diesen Abend vorbereitet. Der
gewagte Schnitt meines Kleides, kombiniert mit den heimlich versteckten
Waffen, verlieh mir ein Gefühl von Anmut und Stärke.
Das Lachen und Geflüster um uns herum schien augenblicklich zu
verstummen, als die Tänzerinnen auf der Bühne sich in einer
spektakulären Formation zu einer menschlichen Pyramide auftürmten,
die im Scheinwerferlicht glitzerte. Just in dem Moment fiel mein Blick auf
Steve und ich spürte, wie mein Puls sich beschleunigte.
Ich blickte auf die Uhr. Es waren nur noch wenige Minuten, bevor wir
zuschlagen würden. Der Moment war gekommen.