Das Überraschungsmoment half die Bastion binnen kurzer Zeit und ohne eigene Verluste in die Hand zu bekommen. Leider fanden sie dort nur wenige brauchbare Pferde und zu wenige Wagen für den Transport der Beute, die recht überschaubar war. Es gab zwar genügend Gatter, aber das erhoffte Vieh fehlte. Offenbar waren die Herden bereits auf den Weg nach Ranak. Nur etwa einhundert Rinder und etwa doppelt so viele Schafe und Ziegen standen in den Gattern. Dafür war die Beute an Waffen und Gold überraschend hoch. Zusätzlich fanden sie noch viel Salz und hunderte Säcke mit Dörrobst, die sie gerne in die Heimat transportierten, um dort die Not der Menschen zu lindern. Nach einer kurzen Visite wurde entschieden, den Bach und das Regenwasser für das Land nutzbar zu machen, um dem Vieh ohne umständliches Nachfüllen der Tröge aus den Brunnen Wasser bereit zu stellen. Zudem sollten von den Gefangenen zahlreiche Gräben und eine großes Becken ausgehoben werden, um dem kargen Land zumindest Obst und ausreichend Tierfutter abzuringen. Beides sollte vorrangig der Bastion und dem Vieh zu gute kommen.
Der Ritt zur Festung Bleiberg wurde einen Tag nach der Eroberung der Bastion begonnen. Zwei Tage wurden für den Ritt eingeplant, um die wesentlichen Positionen für die Eroberung einnehmen zu können. Die Wiesen entlang der Bachauen reichten, um die Pferde ausreichend zu versorgen. Getreidefelder und Dörfer suchte man jedoch vergebens in dieser Region. Unterwegs fiel ihn eine große Viehherde in die Hände, die von einem stattlichen Tross begleitet wurde. Auf den Wagen lagen Säcke mit Getreide, getrocknete Erbsen, Linsen und Bohnen. Dazu noch die Tribute von etwa fünf Vasallenstaaten, was an den unterschiedlichen Waren zu erkennen war. Binnen kurzer Zeit wurde der Plan zur Einnahme der Festung Bleiberg in einigen Punkten verändert. Dieses Mal waren das Vieh und der Wagenzug der Köder. Weit genug entfernt wollten sie das Vieh und den Wagenzug stellen, um das Augenmerk der Wachen auf diesen Punkt zu lenken. Ein Wagenzug aus dem Kernland von Ranak sollte zur gleichen Zeit von der anderen Seite kommen und in der Festung Schutz suchen. Bei so einem Verlust auf der Nordwestseite der Bastion würde sicher kein einziger Wachmann nach den Papieren fragen, sondern alle eigenen Truppen in die Festung einreiten lassen.
Späher mussten zügig einen geeigneten Punkt finden, der nahe genug bei der Festung lag und dennoch weit genug entfernt war, um nicht von der Festung aus beschossen zu werden. Zudem musste ein nur scheinbar beladener Wagenzug mit einhundert Lanzenreitern die Festung auf einem halbwegs sicheren Weg umrunden, um zur richtigen Zeit von der östlichen Seite einreiten zu können. Es war ein heikles Manöver, aber auf diese Weise konnten sie mit mit etwa zweihundert Männern ungehindert in die Festung gelangen. War dieses erreicht, konnte man nach und nach die Besatzung der Festung übermannen. So sah es der Plan vor. Zudem sollte das Tor so präpariert werden, dass es sich nicht mehr schließen ließ. Bei den Gattern sollten weitere fünfzig Männer postiert werden, um einen Teil der Beute zu sichern. Johlend warf Gerster ein. "Das sind doch alles nur Wetterfühlige alte Kröten. Die putzen wir mit Links von der Platte. Mit denen werden wir locker fertig, wenn sie alle zu den Viehherden gaffen, wie alte blinde Weiber."
Der Oberst war zwar für diesen positiven Einwurf dankbar. Dennoch musste er die Euphorie bremsen. "Gerster, es ist gut, wenn du es so siehst, aber wir sollten zu jeder Zeit vorsichtig agieren. Nur so gelangen meine Pläne bisher. So wie wir wissen, stehen dort etwa dreihundert Männer. Sie mögen nicht mehr voller Tatendrang sein, aber sie werden leisten sicher Widerstand, wenn wir sie übermannen wollen. Immerhin geht es dabei um ihr Leben. Zuerst müssen alle Männer an dem Tor übermannt und gebunden werden. Ist dieser Schritt erfolgreich gemeistert, dann wird die zweite Kaserne am Ausfalltor eingenommen und alle Gegner dort überwältigt. Danach folgt die dritte Kaserne und erst danach nehmen wir sämtliche Türme und die Mauer ein, um die Gegner am Haupttor zu übermannen. Jeder einzelne Akt erfordert Disziplin, kluges Vorgehen und rasches Handeln. Unvorsichtigkeit spielt nur den Gegner in die Hände. Verstärkung kann ich noch nicht zusagen, erst, wenn wir wissen, dass die Straße nach Ranak frei von Gegnern ist, rücken die Späher nach und verstärken euch. Natürlich wäre es angenehmer, wenn sie einen Ausfall wagen, aber auf dieses Glück dürfen wir nicht hoffen, denn innerhalb der Mauer fühlen sich die Gegner offenbar recht sicher. Wagen sie keinen Ausfall, dann beginnen wir die Festung abzuschotten, indem wir den Weg nach Ranak mit Hindernissen verbauen müssen. In dem Fall sind wir die ollen Kröten, denn es wird uns viel Zeit kosten, um die Festung auszuräuchern. Natürlich gefällt mir die erste Variante besser, aber leider steht man nicht immer in der Gunst der Götter." Die Männer nickten, da alle wussten, dass es dieses Mal vermutlich schwerer werden würde. In seinen Gedanken spielte der Obrist alle weiteren Varianten in seinem Geist durch. "Natürlich könnte Verstärkung in der Bastion stehen, aber es könnte auch leichter werden, wenn der General bereits Truppen von diesem Standort abgezogen hatte, um andernorts Löcher zu stopfen."
Erneut blickte er zu den Männern. "Wenn ihr einen Mauerabschnitt eingenommen und gesichert habt, dann hängt ihr bunte Tücher von den Wehrgängen, damit ich von innen die Fortschritte beobachten kann. Bedenkt ebenso, dass wir uns hohe Verluste nicht leisten können. Und erst nach der Einnahme der Bastion beginnt die harte Arbeit. Immerhin wollen wir die Bastion sichern und einige Gruppen müssen die beiden anderen Wege verbauen. Erst danach können wir uns halbwegs in Sicherheit wiegen. Im Anschluss daran müssen wir drei oder vier Bastionen errichten, um den alten Hauptweg zu sichern. Leicht wird auch diese Arbeit nicht. Und erst danach dringen wir in das Kernland von Ranak vor. Einige Trupps sorgen dort bereits für Aufruhr und kleine Angriffe, um den General stetig mit Hiobsbotschaften zu füttern. Verliert er erst den Überblick, dann haben wir leichteres Spiel, um den wirklich harten Schlag auszuführen. Bedenkt, dass davon das Überleben aller Leute in Ethymien abhängt, da das Rote Tor nur von eine schwache Besatzung gesichert wird. Noch fehlt das Vorwerk und ein Fallgatter für das Vorwerk muss erst noch geschmiedet werden. Erst in Monaten sind die Bauarbeiten abgeschlossen. Bis dahin dürfen wir uns keine Verluste leisten." Die Worte hatten Wirkung gezeigt, denn viele Männer schauten nun beklommen auf den Boden, da sie erkannten, dass sie nur mit Vorsicht und Glück alle Aufgaben erfüllen konnten. Sie ahnten nicht, dass sie jederzeit einen Ritt auf Messers Schneide vollführen mussten, um wirklich erfolgreich agieren und siegen zu können. Nur auf diesem Weg konnten sie das Land beschützen und dem Volk dienen.
XXX
Nachgeschrieben nach dem Ablauf der sechzig Minuten.
Natürlich war es nicht die volle Wahrheit, aber es galt die Gemüter zu zügeln und zugleich an das Gewissen der Männer zu appellieren. "Ruht euch nach dem Fetten der Wagenachsen und dem Umwickeln der Wagenräder aus. Futtert genug und nachher in der Nacht werden wir die Festung in aller Stille auf einem Nebenweg passieren. Ich mag mich wiederholen, aber alles muss in größter Stille ablaufen, sonst scheitern wir." Zwei Stunden nach der Dämmerung rückten sie ab. Die Wagen und das Rüstzeug verursachte kaum Lärm. Über vier Stunden dauerte diese Aktion, bis sie gut drei Meilen vor der Festung neben einem Bachlauf ihre Stellung bezogen und sich endlich ausruhen konnten.
Späher meldeten, dass auf der Straße über fünfzehn Meilen keine Truppen aus Ranak unterwegs waren. Weitere Späher würden erst später zu ihnen stoßen, da sie bis zur nächsten Stadt vorstoßen sollten, die Eisenstein hieß. Diese lag über zwanzig Meilen entfernt. Es galt in Erfahrung zu bringen, wie diese Stadt befestigt war und welche Truppen dort stationiert waren. Die Raststation musste auch noch erobert werden, da sie eine Engstelle auf der Straße bildete. Zugleich waren dreihundert Männer unterwegs, um einen ersten Vorposten weiter nördlich zu errichten. Alles musste klappen, um die alte Straße zu sichern und ihnen Zeit zu verschaffen, um diese Festung und das Land ausreichend zu sichern und das Land wieder fruchtbar zu machen. Oberst Durlass wusste, dass es einst die Kornkammer von Ethymien war, aber dazu musste zuerst das in die Jahre gekommene Bewässerungssystem wieder gereinigt werden, um das Wasser von den Bergen und aus den Bächen auf die Felder zu leiten. Erst danach konnte der Getreideanbau wieder Mägen satt machen. Bis weit in den Tag hinein durften die Männer und Pferde sich ausruhen, denn nur muntere Männer und gut gestärkte Pferde würden gut ihren Dienst versehen. Ab und an trafen Späher ein, die allesamt positive Nachrichten brachten. Der Angriff würde erst kurz vor der Dämmerung beginnen, wenn die Sonne schon tief stand. So war es geplant und bisher gab es keinen Grund, um von diesem Plan abzuweichen. Die Wagen wurden in der Zwischenzeit mit Heu ausgepolstert, damit die versteckten Männer unter den Planen halbwegs schmerzfrei die Fahrt überstanden. Die Späher waren längst auf dem Weg, um sich die Gegebenheiten vor der Festung Bleiberg näher zu erkunden. Es galt die Truppenstärke in Erfahrung zu bringen, damit sie genau über die Besatzung der Festung informiert waren. So wie es aussah, hatte der General bereits zwei Schwadronen von der Festung abgezogen, um damit die Reihen der eigenen Truppen zu füllen. Damit sollten nur noch vierhundert Männer in der Festung stationiert sein.
Nachmittags bereiteten sie sich für die Eroberung der gut gesicherten Festung vor. Langsam und ohne Hektik näherten sie sich dem alten Gemäuer, um auf das Signal von der Truppe auf der Südseite zu warten. Abgemacht war, dass sie Rauch aufsteigen ließen, damit sie zur richtigen Zeit in die Festung einritten. Geduldig warteten sie, bis sie endlich den Rauch aufsteigen sahen. Jetzt begann bei den Männern das übliche Jucken in den Gliedern, da ein neuer Kampf bevor stand. Im Galopp steuerten sie nun auf das Tor zu. Zuvor passierten sie die Gatter und danach preschten sie in ihren schönen Rüstungen durch das Tor. Nur vier Wachen sicherten das Tor, die sie binnen eines Wimpernschlages übermannt hatten. Die Männer stiegen von den Wagen und nahmen die erste Kaserne, die nur mäßig bemannt war im Handstreich. Das Tor wurde gesichert und die ersten Mauerabschnitte wurden von ihnen kampflos eingenommen. Zur gleichen Zeit umzingelten sie die alte Kaserne und nahmen auch diese ohne nennenswerten Widerstand ein. Es folgten noch die Kaserne am Ausfalltor und danach die kleine Kaserne an einem Nebentor. Langsam und stetig rückten sie auf der Mauer und durch die Stadt vor, um sich dem Haupttor zu nähern. In den Straßen herrschte inzwischen großer Aufruhr, weil sich das Volk von dieser Aktion bedroht fühlte. Nur etwa siebzig Lanzenreiter warteten neben ihren Pferden hinter dem Haupttor. Fast zweihundert Wachen hatten inzwischen die Mauern über dem Tor bemannt und betrachteten gebannt, wie die Viehherde und der Tross von fremden Truppen abgeschlachtet wurde. Was hinter ihnen passierte realisierten sie nicht, da ihre Blicke einzig auf das Drama vor dem Tor gerichtet waren. Die wenigen Lanzenreiter konnten sie noch relativ schnell ausschalten und durch eigene Männer ersetzen. Aber die verbliebenen Wachen auf der Mauer mit ihren Bögen ließen sich nicht kampflos überwältigen.
Mit einem lauten Ruf machte sich nun Oberst Durlass bemerkbar. "Hey, ihr Hornochsen. Die Schlacht ist geschlagen. Die Stadt befindet sich in unserer Hand und jeglicher Widerstand ist zwecklos. Ich bitte, dass der derzeitige Kommandeur die Lage klug überdenkt, um ein Blutvergießen unter ihren Männern zu vermeiden." Stetig stießen weitere Männer zu ihnen, damit die Wachen erkannten, dass es keinen Ausweg mehr gab. Es dauerte, bis sich die Wachmänner umgeschaut hatten und erkannten, dass sie vollständig umzingelt waren. Sie sahen auch, dass die Reiter allesamt neben ihren Pferden lagen und gut gebunden waren. Einen Schutz vor Pfeilen gab es auch nicht. Sorgsam wog der Kommandeur die Lage ab und rief nun seinerseits dem Obristen zu. "Wir haben nichts zu verlieren, da der König sowieso unsere Familien töten wird, wenn die Einnahme der Festung erst einmal im Land die Runde macht. Also, was bietet ihr uns an, damit wir die Festung kampflos übergeben?"
Der Obrist lachte. "Ihr behaltet euer Leben und wenn ihr uns sagt, wo eure Familien stecken, dann befreien wir sie auch. Danach haben sie die Wahl. Sie können sich uns anschließen oder ihrer Wege ziehen. Natürlich wird es etwas dauern, denn wir wollen diese Festung bedeutsam verstärken. In diesem Zustand lässt sich das Gemäuer kaum gegen geübte Truppen verteidigen. Wenn sie sich uns anschließen, dann können sie auch nach Ethymien übersiedeln und dort in Frieden ihr Leben als Bauern oder Handwerker führen. Dazu ist es nur notwendig, dass sie ihre Waffen niederlegen und langsam zu uns herunter steigen. In diesem Fall retten sie das eigene Leben und das Leben ihrer Familien. Gerne gewähre ich ihnen Zeit, um die Lage zu überdenken. Aber betrachten sie auch die einhundert Armbrüste, die auf sie gerichtet sind. Rechts und links von ihnen stehen Bogenschützen, die allesamt den Krieg besser kennen als sie." Noch einmal ließ der Hauptmann seine Blicke über die Ecktürme und die Gegner vor ihm schweifen. Danach schaute er zu seinen Mitstreitern, die inzwischen mutlos zu den Armbrustschützen spähten. Erste Wachen ließen bereits ihre Waffen fallen und die Mehrzahl der älteren Männer schüttelten den Kopf. Erst danach entschied sich der Offizier "Gut, ich verlasse mich auf ihr Ehrenwort. Wir legen unsere Waffen nieder und ergeben uns, da jeglicher Kampf für uns zwecklos ist." Seine Männer nickten ihm zu und folgten dem Beispiel von dem Offizier. Langsam stiegen sie die beiden Aufgänge neben dem Tor herunter. Unten angekommen legten sie ihre Waffen nieder, während die Männer vom Obristen das Tor öffneten. Der Obrist winkte den älteren Mann zu sich.
"Ihr sagt mir jetzt euren Namen, und wo eure Familien leben. Dann unternehmen wir alles, um eure Familien zügig zu retten. Zuerst allerdings, müssen wir euch in einer Kaserne als Gefangene unterbringen. Wenn die ersten Familien hier sind, dann sollten sie sich entscheiden, wie ihre Zukunft aussehen soll. Zuvor erwarte ich jedoch, dass sie eifrig unseren Anweisungen folgen. Wir werden vor dem zweiten großen Tor ein Vorwerk errichten und einen Graben ausheben, damit der General uns nicht all zu schnell auf die Pelle rückt, falls er zu Besuch kommt. Danach wird der Graben über die gesamte breite des Tals ausgedehnt und es werden kleinere Wachtürme auf den aufgeschütteten Wällen errichtet. Zuerst jedoch zeigt ihr mir, welche Güter hier für Ranak lagern und natürlich wird ein Teil der Beute auf Wagen verladen, damit mein Volk nicht länger hungern muss. Ich hoffe, dies wurde verstanden. Versteht, meine Männer waren seit zehn oder mehr Jahren Kreigssklaven, die weder Sold noch ausreichend Nahrung erhielten. In mancher Seele kocht noch der Zorn gegen den König und den General."
Der Hauptmann stellte sich nun vor. "Mein Name lautet Hauptmann Trikot, unsere Familien leben zumeist in der Stadt Eisenstein etwa zwanzig Meilen Richtung Ranak. Dort lagern die Erze, aus denen die Rüstungen geschmiedet werden und zumindest eine große Menge Gold und Silber. Dort stehen etwa zweihundert Männer, die die Stadt bewachen. Ab und an schauen einhundert Reiter nach dem Rechten. Die Schätze in der Stadt werden von einer Hundertschaft schwer bewaffneter Elitekrieger bewacht, die in einer eigenen kleinen Bastion leben. Nur so nebenbei. Der König verstarb vor Tagen, was zu einer gewissen Anspannung im Volk führt, da keiner abschätzen kann, was nun wieder auf uns zukommen wird. Wenn ich ehrlich sein darf, dann war der König nur ein arroganter Arsch. Bei seinem Bruder, dem General, dürfte die Drangsal noch bedeutend größer werden, denn er ist ja für seine morbiden Neigungen bekannt. Der General ist nun König und General zugleich. Was er vor hat, wissen wir nicht, aber ich erfuhr, dass seine Männer alle jungen Männer in die Armee pressen, um die Lücken zu füllen. Offenbar fehlen dem General gerade tausende Reiter und Männer, die die Residenzstadt bewachen. Überall im Land gibt es Aufstände und so manches Dorf wurde ein Raub der Flammen. Offenbar treiben viele Gegner derzeit ihr Unwesen im Land. Manche nehmen so Rache an dem König und der Unterdrückung durch den brutalen General." Kühl antwortete der Obrist. "Ich gehe nicht gegen das Volk vor, sondern ich werde einzig gegen den General und seine Truppen kämpfen. Seid beruhigt, ich wurde nur von dem General verarscht, wie so viele andere Männer auch. Ich kann unterscheiden, wer meine Gegner sind und wen ich nicht antasten werde. Schon zu lange blutet das Land durch die vielen Kriege aus und zu viele Mütter trauern um ihre toten Männer und Söhne. Nein, dieses Leid möchte ich nicht verantworten. Ich lasse allen Menschen eine Wahl und ich hoffe darauf, dass die Menschen mir folgen werden und ein friedliches Leben anstreben. Mehr kann ich nicht bieten, weil wir selbst am Abgrund stehen. Ich bin nur an diesem Ort, weil ich mein Volk ernähren muss."
XXX
Während der Rast wurde der Plan zur Befreiung der Familien mit Hauptmann Trikot noch einmal in aller Ruhe besprochen. "Meine Späher sind schon mit zweihundert Männern voraus geritten, um die Flucht von Wachen und Volk zu unterbinden. Zugleich müssen wir die Zollstationen an der Grenze einnehmen und die dortige Besatzung einkassieren. Erst danach können wir uns Eisenstein zuwenden. Zuerst werden einige meiner Männer in die Stadt eindringen und die Stimmung einfangen und die Besatzung beobachten. Danach also morgen gegen Mittag reiten wir in die Stadt ein. Und danach muss alles schnell ablaufen. Die Schatzhüter vom König zwingen wir erst im zweiten Schritt zur Aufgabe. Ich möchte mir erst diese Bastion mit eigenen Augen ansehen, um einen guten Plan auszuhecken. Ich denke, auch diese Nuss werden wir knacken. Nebenher sammelt ihr die Familien ein und meine Männer beladen die Wagen mit der Beute. Alles was wir an Vieh bekommen können, nehmen wir mit. Natürlich werde ich mich auch den Wachen und dem Volk stellen, damit sie sich entscheiden können. Vielleicht muss ich noch etwas anfügen. Man bemerkt uns erste, wenn wir den Leuten auf den Zehenspitzen stehen. Dann ist es zumeist zu spät. Ihr habt es ja selbst erlebt." Der Hauptmann lächelte karg. "Leider oder möglicherweise auch zum Glück. Wir alle wussten längst nicht mehr, was das Wort Zukunft bedeutete. Ihr habt uns gefangen genommen und zugleich befreit. So ein alter Holzkopf muss das erst einmal verarbeiten. Positiv ist, dass ihr euch für unsere Familien einsetzt, denn dass ist unser größter Schatz. Merkwürdig ist auch, dass ihr uns nicht wie Gefangene behandelt. Alle bei euch bekommen die Suppe aus einem Topf und selbst der Obrist bekommt keine Extraration. So was kennen wir nicht, da wir nur lernten jederzeit auf den eigenen Vorteil zu achten. Noch verrückter ist, dass uns ein angeblicher Feind besser behandelt als der eigene König. Verstehen kann ich es noch nicht, dennoch denke ich jetzt wieder an meine Zukunft. Noch verrückter ist, dass möglicherweise bald wieder mit meiner Familie zusammenleben darf. Bisher hatte ich immer nur wenige Stunden mit meiner Familie. Auch an diesen Gedanken muss ich mich wohl gewöhnen. Vermutlich lerne ich jetzt sogar meine Kinder besser kennen, was mir bisher verwehrt war. Verzeiht, dass sind merkwürdige Gedanken, die mich derzeit plagen. Möglicherweise bin ich ja nur ein sentimentaler reifer Mann, der das Leben nicht versteht."
Durlass lachte. "Ich kannte bisher auch nur dieses Leben und meine Gedanken sind ähnlich. Über Jahre dachte ich nur, dass ich irgendwo bei einer Schlacht verrecken würde. Nun bin ich ein freier Mann. Meine Männer folgen mir, weil wir über Jahre alles brüderlich geteilt haben und jeder Mann für seine Kameraden einstand. Aber nun ruht euch aus. Morgen geht es sicher etwas härter zur Sache, wenn ich an die Kerle in diesem Turm denke. Immerhin ermöglicht es mir schneller meine Pläne umzusetzen und meinem Volk besser beistehen zu können. Das sind meine bescheidenen Ziele. Natürlich hege ich auch Gedanken an Rache, gegenüber dem General. Verzeiht, aber er hat uns schlechter als Tiere behandelt und das will ich diesem alten Hurenbock heimzahlen." "Ich glaube, da seit ihr nicht der einzige Mann. Ich habe noch sehr viel Sold zu bekommen. Dennoch scheiße ich derzeit auf den Sold, um meine Familie zu befreien. Das sind die Dinge, auf die es ankommt." Der Offizier erhielt nur eine knappe Antwort. "Ja, ich glaube, dass wir alle Gefangene sind, die nur an andere Menschen denken. Denkt darüber nach."
Nach de Ausgabe der Suppe pflegten sie die Pferde und begaben sich zur Nachtruhe. Wachen umrundeten stetig das Lager und legten Holz in die beiden Feuer nach. Erst im Morgengrauen gönnten sie sich eine Reinigung im Bach und danach gab es einen geschmacklosen Getreidebrei mit Nüssen und Obst. Die Pferde wurden noch gut versorgt und jeder Mann bekam Zeit, um sich um seine Sachen und ihr Pferd zu kümmern. Erst danach wurde ein Appell durchgeführt, um den Sitz der Rüstung zu kontrollieren und die Lanzen vorzuzeigen. Jetzt wurden auch die Gespannpferde angeschirrt und die Wagen mit den Männern besetzt. Nach der Prüfung der Marschordnung ritten sie gemächlich los. Immerhin hatten sie Zeit, da sie erst verspätet eintreffen wollten. Der Hauptmann sollte eine unfassbare Geschichte vortragen. Die Vasallen hatten keine Tribute geliefert und da sie kaum eigenen Truppen besaßen, konnten keine Nachforschungen mehr durchgeführt werden. Somit führten sie nur leer Wagen mit, um zumindest den Proviant für die nächsten Wochen mitführen zu können. Die Lanzenreiter waren überraschend eingetroffen, um in Bleiberg nach dem Rechten zu sehen. Von diesem Punkt an wollte Oberst Durlass das Gespräch übernehmen. Das war der Moment, in dem sie das Tor im Handstreich erobern wollten. Alles musste schnell gehen, damit die Überrumplung ihnen den nötigen Vorteil brachte. Keiner der Wachen durfte entwischen. Das war der Plan. Wie es ausgehen würde stand auf einem anderen Bogen Pergament.
Stetig näherten sie sich dem offenen Stadttor. Längst waren sie erspäht worden und die die Wachen staunten, dass Lanzenreiter die Wachen aus Bleiberg begleiteten. Allerdings sahen sie auch, dass die Viehherden fehlten. Mit dieser Ungewissheit mussten die Wachen abwarten, was sie erfuhren. Dennoch, die Lanzenreiter wirkten bedrohlich, da sie im allgemeinen als Elitetruppe galten und jeder Mann im Land wusste, dass sie selbst vor Massenhinrichtungen nicht zurückschreckten, wenn der General dieses befohlen hatte. Durlass wusste, dass die Wachmänner bereits bei diesem Anblick böse Vorahnungen bekamen. Zugleich wusste er, dass sich ihm kein einziger Mann in den Weg stellen würde. Nahe vor dem Tor blickten sie erstmals zu den Wachen auf. Sie sahen die kreidebleichen Gesichter und spürten die Hoffnungslosigkeit. Durlass sog diese Gefühle auf, um entsprechend vor den Wachen handeln zu können. Schneller als ein Pfeil änderte er seinen Plan. Die Wachen sollten vor ihm antreten und dann sollte alles bedeutend einfacher ablaufen. Weil sie rascher die Stadt in die Hand bekamen, als erwartet.
Dieser neue Plan gefiel ihm besser, weil sie auf diese Weise zwei Fliegen mit einer Klappe schlugen. Zuerst bekamen sie alle notwendigen Informationen und sie konnten die Truppe elegant entwaffnen und unter Arrest stellen. Dies bedeutete auch, dass sie alle Waffen ungehindert einsammeln konnten. Der Rest würde später folgen. Würden sie alsbald Verstärkung bekommen, dann wäre dieser Fall recht schnell erledigt. So sahen die Pläne aus. Gereizt stieg er von seinem Ross und beorderte den Offizier mit nur einem scharfen Befehl zu sich. Langsam und eingeschüchtert begab sich ein älter Mann zu ihm.
"Sie krummbeiniges Gehopse sind also der Hauptmann? Oder welchen dummen Spruch wollen sie mir anbieten." Der Mann versuchte Haltung anzunehmen, aber die Furcht beförderte das Unvermögen deutlich zu Tage. "Stellvertretender Leutnant der Wachmannschaft von Eisenstein. Mein Rang ist Unterleutnant. Meine Name lautet Sinner. Derzeit besteht die gesamte Wachmannschaft nur noch aus einhundertvier Männern, weil der General uns zweihundert Männer nahm, um seine eigenen Truppen zu verstärken. Den Befehl zeige ich ihnen gerne." "Das klären wir gleich. Sie und zwei ihrer Männer zeigen uns den Weg zur Wachstube und dann werden wir die Papiere genau prüfen. Drei weitere Männer führen zwanzig meiner Männer zu dem zweiten Tor und dort werden die Papiere in gleicher Weise geprüft. Vorerst senden sie einen Melder zu ihren Unterkünften, damit ich die Truppe genau inspizieren kann. Sie kennen doch sicher die Maßgaben des Generals. Schlendrian können wir uns an keiner einzigen Stelle erlauben. Jede Nachlässigkeit wird hart bestraft." In seiner Not gab der Mann eine aufschlussreiche Antwort. "An den Missständen sind der Zollmajor und der Stadtrat schuld. Sie stehlen die Viehherden und das Gold. Den Herren solltet ihr auf die Finger klopfen. Ich bin doch nur der Mann, der für alles seinen Kopf hinhalten muss. Es ist doch immer das gleiche böse Spiel." Barsch fuhr der Obrist den Mann an. "Sofort in die Wachstube. Noch ein Wort und ich vollstrecke sofort das Urteil."