Der Truppenaufbau und die Ausbildung der Truppen zeigten erste Erfolge. Achthundert Männer von den Vasken und aus den Nordlanden konnten hinreichend gut mit den Bögen schießen und hatten genügend Disziplin erlernt, um die meisten Befehle selbst unter Kampfbedingungen zu befolgen. Sicher, es fehlte noch der Feinschliff, aber für Gefechte vor der Mauer und von der Mauer herab reichte es. Märsche von zwanzig Meilen liefen nun ohne Probleme und Gemurre ab. Jede Hundertschaft wurde nun von einem eigenen Offizier und etwa zehn Unterführern kommandiert. Bis zum Beginn der zu erwartenden Kämpfe würden weitere fünfhundert Männer, diese Kriegskunst erlernt haben. Gleichzeitig wurden die Reiter ausgebildet. Die Meldereiter bekamen wendig Pferde und erlernten das Schießen mit den Bögen vom Pferd aus. Die leichten Reiter wurden in Gruppen von dreißig bis vierzig Männern ausgebildet, die mit Bögen, Kurzwaffen und den Pferden bestmöglich umgehen konnten. Schwieriger war die Ausbildung der Späher, die bedeutend mehr lernen mussten, um den Aufgaben gerecht zu werden. Sie waren die Augen und Ohren der Truppe und mussten jederzeit mit Bedacht handeln. In Gruppen von zehn Reitern wurden diese Einheiten ausgebildet, da sie möglichst unentdeckt bestimmte Informationen für die Truppe sammeln sollten und möglichst ohne Gefechte ausüben zu müssen zur eigenen Truppe zurückkehren sollten. Das verlangte eine intensivere Ausbildung, als bei den Infanteristen.
Vorab wurden jeder Hundertschaft der schweren Infanterie drei Meldereiter zugeordnet und es sollten später zwanzig berittene Bogenschützen folgen, um die Einheiten deutlich zu verstärken. Die ersten Hundertschaften mit ihren Meldereitern wurden nun zu den beiden Festungen weiter im Osten verlegt. Zu jeder Einheit gehörten fünf Trosswagen, auf denen die zusätzliche Ausrüstung, wie Proviant, Stangenwaffen und Zelte verstaut werden sollten, nebst einem Kessel und dem notwendigen Schaufeln, Spaten und Äxten. Vor dem Abmarsch sammelte Leondur die Offiziere der neuen aufgebauten Einheiten in einem großen Kreis um sich herum. "Was haben sie in den letzten Wochen gelernt und was war hilfreich? Es sind scheinbar einfache Fragen, die allerdings schwierig zu beantworten sind."
Leutnant Johnson antwortete forsch. "Aus jungen Bengeln wurden Krieger gemacht, die jetzt besser kämpfen können. Die Junker wurden durch die Märsche und Kampfübungen stärker und sie lernten Disziplin. Da es sicher ohne Disziplin nicht geht einen Gegner erfolgreicher zu bekämpfen." Hauptmann Harkson blickte nachdenklich. "Wir erlernten das wichtige Zusammenspiel mehrerer Männer und von vielen Gruppen, um rasch und konzentriert verschiedene Formationen einnehmen zu können. Die Vorgesetzten und Krieger müssen dafür ausgebildet werden, jederzeit Handeln zu können und jede Order rasch sowie präzise umzusetzen. Wir haben gelernt Verluste zu vermeiden und uns taktisch klüger aufzustellen. Ich als Offizier muss die Truppe, den Gegner und das Kampfgeschehen ständig im Blick behalten und rechtzeitig reagieren, damit wir die Gegner vorteilhafter als bisher bekämpfen können." Leondur nickte eifrig. "Sie haben vieles knapp zusammengefasst. Aber, ihre Ausbildung ist noch nicht beendet. Sie lernen noch mit langen Piken zu kämpfen, um auch gegen Reiterangriffe bestehen zu können. Das erfolgt in den Festungen. Später wird jede Hundertschaft durch zwanzig Bogenschützen und zwanzig berittene Bogenschützen verstärkt. Erst dann sind sie vollständig ausgebildet und aufgestellt. Von jeder Einheit werden zwanzig Männer abgezogen und daraus werden weitere Hundertschaften gebildet, damit ihre Länder zukünftig gegen verschiedenste Gegner bestehen können. Dennoch, den wesentlichen Punkt haben sie noch nicht angesprochen. Dieses Element macht sie noch einmal deutlich stärker. Hat einer von ihnen eine Idee?"
Die Offiziere schauten sich fragend an. Ein anderer Hauptmann antwortete vorsichtig. "Ich weiß nicht, was es sein könnte. Bisher haben wir wacker gelernt und haben dabei viele blaue Flecken bei den Übungen eingesteckt. Zum Nachdenken oder tieferen Betrachtungen über das Erlernte hinaus blieb da keine Zeit. Aber, ich hoffe, dass wir eine Antwort auf diese kryptische Frage bekommen." Leondur schmunzelte die Männer an. Sacht fragte er nach. "Was hatten die Ausbilder sehr oft in der Hand, wenn sie etwas lernten? Möglicherweise kommen wir so dieser Lösung näher." Blicke wurden ausgetauscht. Scheinbar versuchten sie sämtliche Erinnerungen aufzurufen, um der Lösung ein Stück näher zu kommen. Ein junger, schlanker Hauptmann hatte offenbar eine Idee. "Am Ende jeder Übung setzten wir uns zusammen und der Ausbilder erzählte Geschichten von längst vergangenen Kriegen. Er erklärte uns warum eine Truppe einmal einen Sieg einfuhr und warum sie in anderen Gefechten unterlagen. Es wurde erklärt, welche Zusammenstellung der Truppen in jedem Gelände von Vorteil war und welche Fehler die Anführer begingen. Es wurde immer erklärt, worauf wir zu achten hatten und welche Gedanken uns bewegen sollten, um klug zu agieren. Ist es das, was erfragt wurde?"
Leondur nickte zunächst nur zufrieden. "Sie sind auf der richtigen Spur. Was wurde dabei mehrfach betont und was wurde darüber gesagt, woher dieses Wissen stammt. Hauptmann Harkson nahm den Faden auf. "Es wurde gesagt, dass dieses Wissen aus alten Zeiten stammt und wir jedes Gefecht hinterher auswerten sollen, um aus den Fehlern zu lernen. Ferner wurde von anderen Truppen erzählt, einmal von der leichten Infanterie, dann von leichten Reitern oder berittenen Bogenschützen. Dann gab es noch Panzerreiter, die im passenden Moment die Gegner niederreiten sollten. Und, wenn ich mich richtig erinnere, dann gab es noch mehr verschiedene Truppenarten. Verzeiht, alles konnte ich mir in der knappen Zeit nicht merken." "Jetzt ist die Spur schon heiß. Dennoch fehlen mir noch ein paar entscheidende Worte, damit sie diese harte Ausbildungszeit richtig einordnen können und zukünftig noch mehr und bessere Truppen ausbilden können."
Momente verstrichen, bis einer ein Satz entließ. "Es ist die Wiederbelebung oder Wiedergeburt alter Kriegstaktiken, die unsere Vorfahren erlernten und zu erfolgreichen Taktikern machten. Allerdings wurde auch oft betont, dass man ohne eine Kriegsplan oft scheitern würde. Dann wurde noch Taktiken, wie die Verteidigung und verschiedenen Angriffen angesprochen. Worte wie Überraschung, wie Hinterhalte und Scheinangriffen wurden gesagt, aber das ist für uns noch zu kompliziert, um das alles zu verstehen. Verzeiht, wir waren bisher nur einzelne Krieger, die jeder für sich gekämpft haben, um zu überleben." "Ja, das ist es. Wir wollen und müssen den Offizieren noch mehr Wissen vermitteln, damit sie nicht dem Irrglauben verfallen, von nun an jederzeit siegen zu können. Dieser Weg wird noch viele Monate dauern. Daher bitte ich fünf Offiziere von den Vasken und den Nordmännern zu mir, damit sie noch tiefer in die Taktik eingeführt werden können. Diese Wiederbelebung soll darin münden, dass sie in naher Zukunft größere und vor allem gemischte Einheiten in Kämpfe führen können. Sie werden lernen, wann und wie sie die verschiedenen Einheiten und Waffen einsetzen können und welche Fehler sie niemals begehen dürfen, um ihre Männer nicht leichtfertig zu opfern. Denn, als Majore müssen sie dieses Wissen besitzen, um einen Kriegsplan aufstellen zu können. Nur dann war die bisherige Ausbildung erfolgreich. Nur so können sie weitere Einheiten in ihren Heimatländern ausbilden, ausrüsten und aufstellen. Dazu haben wir uns von jedem Volk fünf Namen notiert, die wir gerne weiter ausbilden möchten, da sie bisher durch kluges und sachliches Handeln aufgefallen sind. Nun bitte ich sie in sich zu gehen, um eine Entscheidung für sich und ihr Land zu treffen."
Erneut wurden fragende Blicke unter den Männern ausgetauscht und jeder Mann schien sich zu fragen, ob er zu diesen Männern gehören könnte. In manchen Geist wurde Ablehnung aufgebaut und andere Männer kamen zu der Entscheidung, dass es ein notwendiger Schritt sei. Nach und nach traten von jedem Volk sechs Männer vor. Hauptmann Harkson war der erste, der mehrere Männer mit sich riss. Erst jetzt bestätigte Leondur die Auswahl. "Die richtigen Männer haben sich gemeldet und ich bin froh, dass sich jeweils einer mehr gemeldet hat. Sie werden somit die Keimzellen neuer und kriegstüchtiger Einheiten in ihren Heimatländern. Im ersten Schritt werden sie diese Bücher unter Anleitung lesen und die Grundzüge über Taktik und Strategie verinnerlichen. Danach werden sie ihre Einheiten in den bevorstehenden Kämpfen anführen. So ist es geplant und so steht es in den Verträgen mit ihren Herzögen. Mehr möchte ich vorerst nicht verraten. Weil sie später wichtige Entscheidungen zu treffen haben. Ich bitte sie vorerst im Hinterkopf zu behalten, dass mehrere Männer hier bleiben dürfen, um hier weiter Einheiten aufzustellen, die meinem und ihrem Land von nutzen sein sollen. Zudem möchte ich auf diesem Weg erreichen, dass unsere Völker in Zukunft fest zusammenstehen und gemeinsam kämpfen werden. Mit Sicherheit werden neue Gegner auf der Weltbühne auftauchen und auch gegen diese Gegner müssen wir uns wehren können. Und sie, werden in diesen Kämpfen jederzeit eine entscheidende Rolle spielen. Ich weise jedoch darauf hin, dass sie auch bereit sein müssen, die Verantwortung zu übernehmen."
XXX
Nachgeschrieben nach dem Ablauf der Zeit.
Erst nach einer Pause sprach er die Offiziere erneut an. "Offizier zu sein, bedeutet nicht, dass sie weniger zu tun haben. Sondern es beutet das Gegenteil. Zukünftig müssen sie mehr Verantwortung auf ihre Schultern laden und neue Pflichten erlernen. Einige kann und will ich ihnen jetzt näher bringen. Die Unterführer, kümmern sich jederzeit um ihre Männer. Insbesondere vor während und nach den Kämpfen und auf den Märschen. Sie bilden zugleich den Nachwuchs aus und korrigieren Fehler. Offiziere schauen es sich an und verbessern diese Männer in ihrem Handeln. Darüber hinaus haben sie noch weitere Pflichten, die oft mit Bitternis verbunden ist. Sie müssen den Familien erklären, warum ihr Ehemann, ihr Sohn oder Freund während einer Schlacht das Leben ließ. Von ihnen wird strikte Ehrlichkeit erwartet und sie müssen jederzeit schwierige Entscheidungen treffen, auch wenn sie genau wissen, dass nicht alle Männer unter ihrem Kommando den Abend erleben werden. Und sie müssen auch dann noch ackern, wenn sich ihre Kameraden zur Nachtruhe begeben. Sie müssen jederzeit auf Überraschungen gefasst sein und binnen weniger Momente handeln, um Schaden von der Truppe abzuwenden. Das klingt vorerst banal, aber das bedeutet, dass sie noch vieles zu lernen haben. Ich kann es kurz umreißen. In den vielen Feldzügen habe ich es recht blutig gelernt und es war nicht immer leicht für meine Seele, wenn ich einmal mehr einen Freund zur letzten Ruhe betten musste. Ich kann nur von mir sprechen, jedes Mal dachte ich, dass es mein Herz zerreißt, wenn ein Freund oder Mann starb. Daher müssen Offiziere besondere Eigenschaften mitbringen."
Er schaute kurz zu den Männern. "Sie müssen in sich ruhen, die müssen gewissenhaft sein und sie müssen wissen, dass ihre Arbeit niemals enden wird. Sie lernen, dass jedes Opfer schmerzt und zugleich sollen sie erkennen, was ihr Pflicht ist. Sie beschützen mit ihren Truppen ihre Heimat, die vielen einfachen Leute und sie beschützen wehrlose Frauen und Kinder. Nur wenn sie es schaffen stetig die Balance zu halten, werden sie zu dem, was ich und andere von ihnen erwarten. Sie werden zu einem Truppenführer, der alle Seiten des Lebens kennenlernt und unverzagt jeden neuen Tag diese Pflichten schultert, um ihren Einheit, um ihren Männer möglichst geringe Verluste aufbürdet. Ja, das sind meine Erfahrungen und die vieler anderer Offiziere. Zugleich müssen sie sich um die Ausbildung junger Offiziere kümmern und ihr Wissen mit den jungen Männern teilen, denn selbst ihre Leben können jederzeit vorzeitig enden. Nur durch den Nachwuchs erhalten sie die Truppen am Leben. Bedenken bitte auch, dass sie neue Aufgaben schultern müssen, um weiteren Anforderungen gerecht zu werden. Und selbst, wenn es Scheiße regnet, müssen sie darüber lachen können, um ihren Männern ein Vorbild zu geben. Denn, die Männer folgen nur einem Mann, der alles und noch viel mehr erträgt als sie es von ihnen erwarten."
"Verstehen sie bitte, Offiziere sind Personen, die Leid und Freude teilen müssen, die ihren Männern vertrauen und sie jeden bitteren Tag aufs Neue motivieren müssen, um mehr als die Einheit zu beschützen. Andererseits erwarte ich und jeder Vorgesetzte von ihnen, dass sie Missstände aufzeigen, Mängel abstellen und das Herz besitzen, um unsinnige Befehle abzulehnen. Mit einhundert Männern kann man kein Regiment besiegen, dass sind die unnötigen Opfer, die sie vermeiden müssen, nur dann sehen die Männer unter ihnen, dass sie beherzt für die Einheit einstehen. Ich hoffe, dass einige Brocken hängen geblieben sind und in ihren Geist und gleichzeitig in ihr Herz gedrungen sind. Mehr kann ich nicht erwarten und mehr dürfen sie nicht von sich verlangen. Und, wenn sie glauben, dass ich Fehler in einer Beurteilung gemacht haben, dann sagen sie mir es bitte, denn selbst ich übersehe möglicherweise manches Detail. Bitte haben sie jederzeit den Mut, mir ihre Meinung mitzuteilen, denn auch der Schutz ihrer Männer obliegt ihnen. Nur dann nehmen ihre Männer sie ernst und folgen ihnen mit einem guten Gefühl, selbst wenn sie wissen oder spüren, dass manches Leben ein Ende finden wird. Und bitte, trauern sie mit ihren Männern, um jedem Mann das Gefühl zu geben, dass sie die Trauer verstehen. Ihre Männer werden ihnen das durch Treue und Gefolgschaft in schwierigen Situationen danken. Ich hoffe, dass sie jetzt immer noch bereit sind, um diesen Weg zu beschreiten." Die Männer schauten zu ihm.
Hauptmann Warnusch lächelte und gab die Antwort. "Jetzt sogar noch mehr als zuvor. Ich habe mehrere Kämpfe überstanden und kenne jedes Gefühl, welches uns begleiten und möglicherweise formen wird. Ich habe mich freiwillig gemeldet, um zu lernen, um zu verstehen und weniger Fehler zu machen. In den Kämpfen gegen den Roten Teufel und die Lanzenreiter hatten wir zu hohe Verluste, weil wir nie als Einheit gekämpft haben. Das habe ich erkannt. Zugleich erlebte ich mit, was ihr nach der Schlacht mit uns gemacht habt. Ihr ward großherzig und habt uns zwar geschlagen aber lebend in die Heimat entlassen, um uns ein schlimmeres Schicksal zu ersparen. Genau das möchte ich auch erlernen, um zum rechten Zeitpunkt zu erkennen, wann ich oder mein Volk besser unnötige Opfer zu vermeiden haben. Erkennt man vorab, dass man einen Kampf nicht gewinnen kann, dann sollte man klüger handeln. Ich habe bis heute nicht verstanden, warum ihr uns die Waffen gelassen habt. Diese Frage bewegt mich." "Ich wusste, dass sie ihre Heimat und ihre Familien beschützen wolltet. Ich bin der Meinung, dass es zu bestimmten Zeiten besser ist Leben zu verschonen, um ein Zeichen zu setzen. Ich besitze auch nur ein Herz und ich vermied es mir zusätzliche Bitternis aufzuladen. So einfach ist es und zudem wollte ich Ranak die Chance nehmen, um geschlagene Männer abzuschlachten. Nach meinem Glauben ist es verwerflich, Menschen grundlos zu erschlagen. Genau so habe ich meine Truppen ausgebildet, denn ohne Menschlichkeit geht es nicht. Selbst der härteste Krieger besitzt ein Herz aus Fleisch und Blut, welches in ihm schlägt. Verliert er dieses Herz, dann endet er, wie der General und König aus Ranak. Genau das möchte ich ihnen vermitteln."
Ein Leutnant lächelte entspannt. "Was habt ihr mit dem Arsch gemacht? Das würde mich interessieren." "Ich habe die Verantwortung an einen Freund übergeben, der nun König von Ranak ist. Er hat mir diese Tugenden beigebracht. Also das verantwortungsvolle Handeln. Ich hoffe, er trifft eine weise Entscheidung. Einen Bestie abstechen kann jeder Idiot. Ein weiser Mann handelt jedoch klüger, um die Bitternis von dem Volk fern zu halten und das Land ohne Blut an den eigenen Händen neu aufzubauen. Ist es das, was ihr hören wolltet. Unsere Pflicht ist es stets auch an die Zukunft zu denken. Das ist eine Verantwortung, die ihn kein Gott oder anderer Mensch zukünftig abnehmen wird. So sehe ich es."
"Ist es nicht riskant Gegner zu verschonen? ich meine nur, dass wir auch das bedenken sollten." "Wie sie sehen, stehen sie hier. Sie haben erkannt, dass ich nicht ihr Feind bin. Sie denken möglicherweise, dass ich Fehler begangen habe. Damit liegen sie richtig. Aber in ihren Fällen habe ich keine Fehler gemacht, weil ich dadurch neue Freunde gewonnen habe, die ich nun zu Männern ausbilden will, die im gleichen Maß das Leben anderer Menschen achten. Natürlich beging ich auch Fehler, aber in der Gesamtbetrachtung, habe ich durch manchen meiner Fehler neue Freunde gewonnen und das sind die größten Siege, die ein Krieger erringen kann. Denken sie darüber nach, denn nur so erkennen sie, was der Begriff Menschlichkeit oder Größe bedeuten kann."
Die Männer gingen in sich und grübelten. Dennoch Leondur musste die Gedanken zunächst in andere Bahnen lenken. "Nun bitte ich sie, zu ihren Einheiten zu gehen und den Männern ihre Schritte zu erklären. Danach verabschieden sie ihre Einheiten und wünschen sie bitte allen Männern das größtmögliche Glück. Versprechen sie ihren Männern, dass sie bald wieder zu der Truppe stoßen werden und sie diese Einheit noch die nächsten Jahre anführen werden. Mehr bleibt nicht zu tun. Außer sie wollten an diesem Ort festwachsen." Jetzt schmunzelten die Männer und grüßten locker ab. "Das ist eine gute Idee. Zumindest besser als untätig an diesem Ort zu verweilen. Danke für die Worte. Ich nehme an, dass es Zeit erfordern wird, bis wir selbst auf uns stolz sein können. Ich glaube, dass es die versteckte Botschaft in der Wiedergeburt von uns ist. Oder irre ich mich?" Leondur gab keine klare Antwort. "Finden sie es bitte selbst heraus. Das kann ich ihnen nicht abnehmen. Und ehrlich gesagt, sollten sie mir ab und an ihre Gedanken zutragen, damit ich ihnen hilfreich zur Seite stehen kann, denn auch das ist meine Verantwortung und Pflicht. Ich will keine Jasager, sondern Offiziere, die ihre Pflicht mit einen fest geformten Regelwerk und einer eigenen Persönlichkeit ausfüllen. Und ich verspreche ihnen, jeder wird sich in eine vorher nicht absehbare Richtung entwickeln. Genießen sie diese Reise, denn es ist ihr Weg."
XXX
Truppen gingen und neue Truppen wurden ausgebildet. Es war ein schier endloser Kreislauf, der erforderlich war, um das eigene Land zu sichern. Eine erste Hundertschaft, von jedem Land, wurde jedoch in die Heimat zurückgeführt, um den Aufbau weiterer Einheiten in den Heimatländern zu ermöglichen. Die Tage füllten sich mit Meldungen, von allen Bastionen und auch von den Vasken und den Nordländern, die offenbar erkannt hatten, dass dieser Krieg ernster verlaufen könnte. Erze wurden geliefert und Schmiede samt ihrer Lehrburschen erschienen. Wagen voller Holzkohle und Proviant wurden geliefert. Dazu Leder, gute Gitterrüstungen und Kettenhemden, sowie den Kettenschürzen für die Beine. Es war erstaunlich, welche Anstrengungen die beiden Völker unternahmen, um nicht zu Opfern einer unbekannten Armee zu werden. Bereitwillig übergab er gegen eine ausreichende Bezahlung jeweils fünfzig Pferde, Bögen und Pfeile. Dazu noch Kurzwaffen und Helme, sowie die begehrten Armschienen aus Metall.
Von den Bastionen wurden ihm knapp dreihundert Steppenpferde von den Gegnern übergeben. Die Pferde waren zäh, genügsam und dennoch robust. Sie schienen an das Leben an eine trockene Umgebung angepasst zu sein. Die Hengste waren gerne ungestüm und dominant, aber die Stuten glänzten durch Gutmütigkeit. Der Gedanke wurde geboren, diese Pferde zu züchten, um den Bestand an Pferden für die Truppen auch zukünftig decken zu können. Die erbeuteten Waffen der Gegner waren in den Festungen zurückgeblieben. Die eintreffenden Meldungen der Kommandeure schilderten manche Verbesserungen an den Verteidigungsanlagen und auch ausführlich die ersten Gefechte. An beiden Festungen hatten sich gut fünfhundert berittene versucht. "Aus dem Nichts tauchten sie in der Morgendämmerung auf und ritten gegen die Wassergräben an. Die eigenen Bogenschützen schossen die ungerüsteten Gegner rasch zusammen. Zumeist besaßen die Angreifer nur einen Bogen und kürzere Handwaffen. Nur höher gestellte Krieger besaßen darüber hinaus Kettenrüstungen, leichte Helme und gebogene Säbel. An jedem Pferd wurden große Lederhäute mit einem stattlichen Wasservorrat vorgefunden. Dazu getrocknete Datteln und Feigen. Nach dem ungestümen Angriff zogen sich die restlichen Gegner jeweils rasch zurück."
Ein Major berichtete noch. "Wir bauen die Festungen weiter aus, um mehr fruchtbares Land für unsere Pferde zu gewinnen. Jeden Tag befördern wir mehrere Fuhren Heu und Grünfutter in die Festung, um die Versorgung der Pferde zu verbessern. An den Bergflanken errichten wir gerade hohe Türme, um die Gegner zukünftig von verschiedenen Seiten aus bekämpfen zu können. Beide Türme sind von tiefen Gräben umgeben, um die Angreifer auf Distanz zu halten. Diese Gräben sind nicht mit Wasser gefüllt und über fünf Spannen tief. Regenwasser sammelt sich nur kurzzeitig in den Gräben, da wir das Gestein in regelmäßigen Abständen aufgebrochen haben. Zudem verwenden die Männer viel Zeit darauf auf einem Bergplateau neue Plantagen zu errichten. Den Boden entnahmen sie dem ehemaligen Ödland. Das Wasser pumpen wir mit Windrädern auf das Plateau. Dort wachsen nun Kirschen, Äpfel, Birnen und anderes Obst. Zwischen dem Bäumen haben die Männer Wintergemüse gesetzt, um unsere Versorgung zu verbessern. Alle Pflanzen gedeihen gut, obwohl schon der Spätherbst angebrochen ist. Offenbar ist das Land fruchtbarer als wir dachten. Zur Gewinnung weiterer Weideflächen haben wir eine weitere Mauer vor der ersten Bastion errichtet. Die Mauer wird ebenfalls von einem tiefen Graben umgeben. In naher Zukunft wird noch ein hoher Aussichtsturm errichtet, um weiter in das nunmehr grüne Ödland blicken zu können. Hinter den Festungen entstehen gerade erste Siedlungen, um die Landwirtschaft und die Nahrungsmittelversorgung zu verbessern. Dem Schreiben ist ein grober Plan über die Erweiterungsflächen beigefügt. Ich hoffe, meine Angaben sind dienlich. Das Ödland verändert sich täglich. Nach jeden Regen erblüht das Land mehr. Es ist absehbar, dass wir bald Siedler benötigen, um das fruchtbare Land für uns nutzbar zu machen. Ich denke, eine Siedlung für fünfhundert Menschen ist keine Utopie. Was uns jedoch fehlt, sind die Siedler, die sich dieser harten Herausforderung an einer ungewohnten Ort stellen." Die neuesten Aufklärungsergebnisse besagten, dass sich weit im Süden, jenseits eines großen Sees bereits erste Truppenkontingente sammelten. Bisher waren nur ausgedehnte Zeltlager zu erkennen, die eine Truppenstärke pro Lager von fünfhundert Gegnern erwarten ließen. Diese Aussage ließ Leondur nachdenklich werden, weil der Winter noch lange nicht begonnen hatte. So eine große Truppenansammlung ließ viele Spekulationen zu, die aber nicht zu einem Ziel führten, weil ebenso eine vorübergehende Stationierung sein konnte, wie eine erste Kriegsvorbereitung. Lange grübelte er über diese Informationen, bevor er Melder zu den drei großen Festungen entließ. Danach wollte er sich Asja widmen, die inzwischen zu einem festen Teil seines Lebens geworden war.
XXX
Die Tage mit Asja waren eine Bereicherung, zumal Rediet fast täglich für das Wohlbehagen seiner Frau sorgte. Es hatte sich ein kleiner Hofstaat gebildet. Zumeist waren es Frauen aus der Umgebung, die Asja mit allem versorgten, was notwendig war und die Damen erfuhren so jeweils die neuesten Neuigkeiten. Schneller als Meldereiter es tun könnten erfuhr das Volk nun alle Veränderungen und die Damen kannten kaum Grenzen, um an Informationen zu gelangen. Andererseits waren diese Damen auch eine Bereicherung für Asja, deren Mutter zu früh gestorben war. Rediet steuerte diese Kontakte, um Asja vor bösen Überraschungen zu bewahren. Anders als erwartet, entwickelte Asja sehr schnell das nötige Feingefühl, um sich mit den richtigen Damen zu umgeben. Zwei junge Frauen umsorgten daher Asja täglich, damit es ihr an Nichts mangelte. Das Volk schien jederzeit größtes Interesse an Asjas Wohlergehen zu entwickeln, was erfreulich war. Andererseits mussten mehr Wachen zum Schutz seiner Frau abgestellt werden, da es immer wieder pikante Zwischenfälle gab, da manche Frauen Asja zu sehr bedrängten. Die Abende und die Nächte gehörten dem Ehepaar, die harmonisch das neue Haus bewohnten. Gemeinsam konnten sie lachen und die stillen Momente genießen, obwohl ein dunkler Schatten am Horizont aufzog. Asja war nicht entgangen, dass Feinde aus dem Süden sich sammelten. Eine kurze Abwechslung bot der Besuch von Treidur, der eine Vielzahl an Geschenken aus Ranak mitgebracht hatte. Sogar eine Wagenladung mit Gold hatte er mitgebracht, um die Schuld ein wenig gegenüber Ethymien abzumildern. Für Leondur, waren die Waffenlieferungen und vor allem die Bereitstellung von Ausrüstung jedoch entscheidender. Schwere Armbrüste und hunderte Bögen samt Pfeilen waren gerade jetzt von Bedeutung.
In den Gesprächen wurden verschiedene Eckpunkte der staatlichen Beziehungen abgeklärt. Leondur erfuhr auch, dass der König Selbstmord begangen hatte, weil er keinen Ausweg mehr wusste. Die Familien des ehemaligen Königs und des Generals wurden als einfache Bürger nach Ranak entlassen, damit auch diese Schuld beglichen wurde. Zur Freude von Leondur schenkte Treidur ihm fast dreihundert Pferde von den Reiter von den Steppenvölkern, die ebenfalls bei einem Angriff auf die Weißen Festung gescheitert waren. Auch dort wurde immer noch eifrig gebaut und die Truppen wuchsen zu einer schlagkräftigen Einheit zusammen. Die Lage im Osten von Ranak hatte sich ebenfalls stabilisiert und viel Volk suchte eine neue Heimat. Gerne gestattete Leondur dreihundert Familien die Landnahme in seinem Land, damit die Familien neue Wurzeln schlagen konnten. Zusammen mit Treidur brach Leondur, mit zwei neuen Einheiten auf, um die beiden Festungen zu besuchen. Das Ödland hatte sich nach den Niederschlägen in eine Art grüne Oase entwickelt, die vielen Wildtieren wieder eine Heimat bot. Über hunderte Meilen hatte sich das Land verändert. Gras und Sträucher begrünten das Land und irgendwann würden auch Bäume wieder Schatten spenden. Doch vor diesem Ereignis musste es offenbar einen Konflikt geben, um die Grenzen neu zu definieren. Über Schuld wurde nicht gesprochen, sondern nur über die relevanten Probleme.
Die Rast in Talin tat allen gut. Ross und Reiter konnten sich erholen und Leondur bemerkte, dass die Stadt vitaler und lebendiger wirkte als zuvor. Viele Neubürger hatten sich hier angesiedelt, um hier auf eine neue Chance zu hoffen. Diese Wünsche konnte Leondur rasch befriedigen, denn er besaß derzeit genügend fruchtbares Land für Menschen, die bereitwillig als Bauern ihre Existenz bestreiten wollten. Der Stadtrat verfasste eilig ein Schreiben, um die Wünsche nach Land unter dem Volk zu verbreiten. Gerne Ritt Leondur mit Treidur, der nun nicht mehr in einfacher Lederkleidung neben ihm ritt. Treidur fand in Leondur einen gleichgestellten und umsichtigen Gesprächspartner, der offen jedwede Frage beantwortete. "Verzeih, Leondur, du bekommst von Ranak eine große Menge an Gold, demnächst werde ich dir das Gold zukommen lassen und dazu lege ich noch etwas, was deiner Familie gehörte. Lass dich einfach überraschen. Immerhin habe ich auch Pflichten gegenüber Freunden. Du hast uns geholfen, als wir Hilfe bedurften. Du hast uns mobilisiert und mit deinem Wissen die Festung im Süden aufgebaut. Ich sage einfach Danke, da es manche meiner Räte noch nicht verstehen, dass ich einem ehemaligen Sklaven und Feind so freundschaftlich verbunden bin. Sie leben noch in der Vorstellung, dass Ranak ein Großreich werden könnte. Vier ehemalige Generäle haben bereits die Segel gestrichen. Ein drittel der Räte musste ich in den Ruhestand versetzen, weil sie sich reichlich an der Staatskasse bedient hatten. Das Geld habe ich gerettet, aber deren Leben nicht. Du glaubst nicht, wie viel Gold ich eingesammelt habe. Dazu andere Schätze und Ländereien. Jetzt meine Frage. Ich benötige gut einhundert Männer, die mein Leben schützen. Ist es im Bereich des möglichen, dass du mir einige Männer überlassen könntest, denen ich voll und ganz vertrauen kann?"
"Ja, ich dachte eher an fast zweihundert Männer. Fünfzig stammen aus Ranak und fünfzig von deiner kleinen Truppe. Die anderen Männer stammen aus den Nordlanden und von den Vasken. Alle sind gut ausgebildet und werden dir treu dienen. Sehe es als puren Eigennutz. Nur zusammen können wir unsere Grenzen sichern und die Stürme der Zeit überstehen. Ich möchte einfach keine Freunde mehr verlieren. So einfach ist meine Welt, obwohl ich jetzt selbst König bin. Auch ich brauche kluge Ratgeber und Menschen, denen ich vertrauen kann. Wichtig ist nur, dass wir überleben, damit wir die Geschicke der Völker lenken können. ich meine nicht Politik, sondern, dass wir einen dauerhaften Frieden hinbekommen und die Menschen spüren, dass wir ihnen helfen wollen. So verhindern wir, dass es in den verschiedenen Ländern Unzufriedenheit und Feindschaft gibt. Mehr wünsche ich mir nicht." Treidur reichte ihm die Hand. "Den selben Wunsch habe ich auch. Es freut mich, dass wir einer Meinung sind. Das einzige, was mir derzeit noch fehlt ist eine passende Königin, die mir den Rücken stärkt. Wenn du einen Rat hättest, wäre ich erleichtert." Das ist kein Problem. Haldur und Drogusch haben bezaubernde Schwestern. Frage sie. Mehr möchte ich nicht sagen. In der großen Krondomäne nahe dem Tanin können wir uns nach den Kämpfen treffen und mit ernsthaften Verhandlungen beginnen. Ach noch eine Kleinigkeit. Leute vom Syndikat sind bei mir aufgetaucht. Es ist nicht die erste oder zweite Garde, sondern eher Kerle aus den letzten Gliedern, die ihr Glück bei Narren versuchen. Sei auf der Hut."