Einstufung + 16
Dieser Text enthält Szenen einer Folterung, wie sie bis ins 17. Jahrhundert üblich bei Prozessen waren.
Die Inspektion neigte sich dem Ende zu. Drei, nein vier Transporte hatten alles heran transportiert, was fehlte und sogar noch einige Überraschungen gebracht. Dreihundert Nordmänner, die hier ihre Ausbildung bestreiten wollten. Dazu noch dreißig Pferde und eine große Menge an Federvieh. Besonders wichtig waren vierzig Armbrüste und zehn schwere Armbrüste samt den Bolzen. Der Bestand an Pfeilen war ebenfalls aufgefüllt und dazu noch dreißig Fässer mit Erdpech und zehn Fässer mit Terpentin. Dazu gehörten noch zwei Ballisten, die Steine oder Feuergeschosse weit in die Reihen der Gegner schleudern konnten. Erfreut nahmen sie diese massive Verstärkungen der Bewaffnung zur Kenntnis.
Kurz darauf traf ein Meldereiter bei ihnen ein. Schweißgebadet sprang er von seinem Pferd und blickte zwischen dem Major und Leondur hin und her. "Eine brisante Meldung. Der Bruder von Haldur wurde entführt. Dafür verantwortlich gemacht wird eine Gruppe von Halsabschneidern und Dieben. Es ist nur bekannt, dass es etwa siebzig oder mehr Männer gewesen sein sollen, die sich nach Süden abgesetzt haben sollen. Dabei haben sie verschiedene Dinge mitgehen lassen. Ein feines Schwert mit der Aufschrift Dendur, einen Gürtel und sein Pferd. Hier ist ein Schreiben mit einer Lösegeldforderung." Sorgsam studierten der Major und der König das schreiben. Beide wussten sofort, wer diese Männer sein konnten oder sein mussten. "Major, durchsucht bitte die Unterkünfte der Männer und die Stallungen, wo die Pferde der Nordmänner stehen. Ich erinnere mich ein gutes Schwert mit einer Runenaufschrift gesehen zu haben. Dieser Iva Ratson hatte seine Waffe hingeworfen. Zudem passt solch eine Waffe nicht zu einen Verbrecher. Wenn wir die Waffe, den Gürtel und das Pferd finden, dann haben wir die Gewissheit, die Richtigen Männer erwischt zu haben. Danach müssen wir sie nur noch einfangen. Sie sind ja nicht all zu weit von uns entfernt." Dem Meldereiter gab er ein Zeichen, damit er wartete und das Pferd versorgte.
Nach kurzer Zeit war das Schwert und das beschriebene Pferd gefunden. Auch zwei Beutel mit Goldmünzen und Silbergeld waren aufgetaucht. Leondur nickte. "Ich werde diese Männer dingfest machen. Eine Hundertschaft zu mir, wir reiten sofort los, dazu noch zehn leichte Reiter und drei leere Wagen. Wir brauchen Lederschnüre, Seile und Ketten." Zügig brachen sie auf den Weg. Im mäßigen Galopp statteten sie der Baustelle einen Besuch ab. Die Gäste aus dem Nordland waren rasch gebunden und auf die Wagen verladen. Im gleichen Tempo ging es zurück. Der Plan, um den Verbrechern die Zunge zu lösten stand bereits fest. Beginnend mit der leichten Folter würde man nach kurzer Zeit zu derberen Methoden greifen. Bisher hatten noch alle Männer gestanden, wenn sich glühende Eisen hektisch vor ihrer Nase bewegten und hin und wieder ein solches Eisen eine Hand traf.
In der Festung angekommen wurden die Männer in kleinere Gruppen separiert, um sie getrennt zu befragen. Irgendeiner der Männer würde etwas sagen und danach begann die leichte Folter. Die Männer, die das Verhör durchführen sollten wurden gut instruiert, damit alle die gleichen Fragen stellen. Zur Unterstreichung des Wissensdurstes durfte der Stock eingesetzt werden. Jeder Offizier samt zehn Männern widmete sich einer Gruppe. Bereits nach kurzer Zeit wurden einige Kerle gesprächsbereit. Bereitwillig plauderten sie manche Namen und Details aus, um den unangenehmen Stockschlägen auf die Rippen und der Armen zu entgehen. Nachdem eine Liste mit Namen vorlag übernahm Leondur die Befragung der Beschuldigten in einem Kerker. Die Männer waren an Ringen über ihren Köpfen gefesselt und die Kleidung war ihnen genommen worden. Entkleidet standen sie an den Wänden und freundlich begann Leondur. "Meine Herren, ihnen werden schwerste Verbrechen vorgeworfen. Beweisstücke liegen vor und zahlreiche Aussagen haben wir auch schon gesammelt. Wenn sie also Schmerzen und Pein vermeiden wollen, dann können sie jetzt Geständnisse ablegen und danach überstellen wir sie der Gerichtsbarkeit von Haldur. So einfach wird ihre zukünftige Welt sein, wenn sie rasch plaudern. Gerne hören wir ihnen zu.“
Fast schon heiter setzte er erneut an. „Wenn sie nichts oder zu wenig sagen, dann beginnen wir mit der leichten Folter. Die Schmerzen sind noch nicht zu arg und die kleinen Schrammen heilen binnen weniger Tage ab. Zeigen sie sich jedoch verstockt, dann greifen wir zu anderen Mitteln. Glühende Eisen, das Festnageln der Hände und Füße an Brettern, das Ausrenken von Gelenken und den beliebten glühenden Kohlen. Da wir die Beweisstücke bei ihnen gefunden haben, erfolgt auf jeden Fall eine mehr oder minder schmerzhafte Hinrichtung. Ich rate ihnen daher schnell zu plaudern, bevor sie der strengen Folter unterzogen werden. Diese Wunden heilen leider nicht mehr so rasch ab. "
Die Worte ließ er kurz im Raum stehen, bevor er seine erste Frage an einen weniger stämmigen Nordmann richtete. "Dein Name lautet?" Es erfolgte keine Antwort. Sofort traf den Mann ein Schlag mit der Nadelbürste. Ein Schrei und schon spuckte der Kerl den Namen aus. Sachlich kommentierte Leondur. "Stimmt, so haben es auch die anderen Männer ausgesagt. Nun die zweite Frage. Warum haben sie Bosko, den Bruder von Haldur beraubt und getötet?" "Wir haben ihn nicht getötet. Als wir ihn verließen hat er noch gelebt. Wir gaben ihn in die Hände einer alten Frau in so einer alten Bastion mit Holzpalisagen. Innen drin war fast alles kaputt. Für die Pflege gaben wir dem alten Weib zwei Golddukaten. Danach entschlossen wir uns ehrbar zu werden. Also schlossen wir uns einem Tross an, um hier unseren Dienst zu verrichten. Iva Ratson wollte den Mann sogar töten, weil er sich bei dem Sturz vom Pferd den Arm oder die Hand gebrochen hatte. Die beiden Begleiter von dem Hohen Herrn hat er abgestochen und in der Nähe verscharrt, sie ritten auf leichten Pferden und hatten das Geld dabei. Ivar sagte uns, dass es nur Lakeien sein, die keiner vermissen würde. Das schwöre ich." Nach und nach wurden die anderen Kerle befragt. Zum Schluss wendete sich die Aufmerksamkeit Iva Ratson zu.
"Hallo Iva Ratson, was hast du zu dem Vorwurf zu sagen?" Ivar zitterte am gesamten Körper. "Es war ein Unfall und Missgeschick von mir. Wir hatten so was nie geplant" Sofort traf ihn die Nadelbürste. Einmal, zweimal und dann folgte ein Schlag gegen sein Schienbein. "Geht es etwas ehrlicher und genauer?" "Bei den Göttern des Nordens, wir brauchten Geld und hatten Hunger. Da kam der Kerl und wollte uns nicht seine Geldbörse überlassen. Da haben wir dann einfach zugeschlagen. Wir wollten doch nur sein Geld und dann wäre alles vorbei gewesen, aber der Idiot musste den Helden spielen und dabei stürzte er vom Ross. Und die Kälbchen mussten beseitigt werden, damit sie nichts ausplaudern." Schreiber notierten jedes Wort und so gelangten sie rasch zu einer vollständigen Aussage von Iva Ratson.
"Ivar, du und die anderen führen unsere Männer zu dem Ort, wo ihr Bosko zurückgelassen habt und wo ihr die ermordeten Knappen verscharrt habt. Lebt Bosko noch, dann bekommt ihr möglicherweise eine mildere Strafe. Ist er jedoch nicht mehr am Leben, dann wird Haldur sicher ein recht unangenehmes Urteil an euch allen vollstrecken. Ihr werdet jetzt in Lumpen gehüllt, nachdem euch das Schandmal eingebrannt wurde und morgen reist ihr gen Norden, um uns Bosko zu zeigen. Alle anderen Mittäter verurteile ich zu zehn Jahren als Arbeitssklaven in dieser Festung. Lasst euch noch gesagt sein. Ich werde auch noch eure anderen Taten in einem Brief an Haldur hinzufügen. All eure Habe wird eingezogen und ihr werden nur noch in Lumpen durch diese Welt wandeln. Das Tragen von Schuhen wird euch untersagt. Zugleich bete ich zu den Göttern, das Bosko noch lebt."
Damit war der Gerichtstermin beendet und die Offiziere und Schreiber verließen den Raum. Rasch wurden noch die Stühle und Tische aus dem Raum entfernt, damit die glühenden Eisen in das Fleisch gepresst werden konnten. Die Schreie waren nur unangenehm, aber der Geruch nach verbranntem Fleisch hing noch lange Zeit in der Luft.
PS. Bosko hat überlebt. Alle Täter wurden von Haldur abgeurteilt.
XXX
Nachgeschrieben nach der Zeit
Der Empfang am Roten Tor gestaltete sich anders als erwartet. Eine weitere Schutzmauer erweiterte das Vorfeld vor dem Roten Tor. Ein Roter Teufel rief ihnen von der neuen Mauer zu. "König, wir waren fleißig. Auf diesen neuen Flächen können wir viele Pferde weiden lassen. Müde Späher und Melder können hier Rasten und Ruhen. Wir haben eine neue Quelle eingefangen, um Angreifern das Leben in der Steppe schwerer zu machen. Falls sie uns angreifen wollen, müssen sie ihr Wasser mitbringen." Leondur bedankte sich mit einem Gruß und ritt einfach auf die Pforte zum Roten Tor zu. Das Land war grün und Pferde weideten auf großen Koppeln. Bäume zwischen den Koppeln waren angepflanzt worden Und kleinere Hütten standen bei den Koppeln. Hecken aus Jasmin und Rosen waren zu sehen, genauso, wie kleine Ackerflächen. Am Roten Tor wartete bereits ein Melder. Die Botschaft war veraltet und erklärte, dass die Täter geschnappt worden sein und sich auf dem Weg in die Nordlande befanden. Sofort hetzte der Melder los. Der Aufstieg forderte sie noch einmal, aber die Pferde schafften es ohne Aufmunterungen. Endlich in der Heimat angekommen schnaufte er kurz durch. Noch lagen einige Tage auf dem Pferderücken vor ihm. Viele Männer zogen in ihre Quartiere ein oder ritten zu ihren Familien. Mit nur wenigen Männern ritt er einfach weiter. In den Raststationen erfrischten sie sich und nächtigten auch dort.
Endlich am Ziel angekommen sah er weitere Veränderungen. Der Palast wurde gerade umgebaut und sein Haus war größer geworden. Auf einem Schaukelstuhl neben dem Eingang saß Asja und strickte. Als sie ihn sah lief sie ihm entgegen. Schon wollte sie ihm alles berichten. Ein langer Kuss unterbrach ihre ersten Worte. "Wir haben die Verbrecher dingfest gemacht und sie sind unterwegs in die Nordlande. Was mit Bosko ist wissen wir noch nicht. Ich entsende gleich einen Melder. Mehr kann ich derzeit nicht für deinen Bruder unternehmen. Zudem bin ich müde von der langen Reise." Asja lächelte verlegen. Ich stricke gerade Kleidung für unser erstes Kind. Rediet meinte, ich solle nicht mehr so viel reiten. Und stell dir vor, sie kann wieder sehen. Jeden Tag besucht sie mich und wir plaudern viel. Nebenher unterrichtet sie mich in euren Sitten und Gebräuchen. Sie ist wirklich eine kluge Frau. Eine Delegation aus Purnis wird in vier Tagen hier eintreffen. Ich weiß nicht, wo das Land liegt. Aber es scheinen reiche Leute zu sein, denn mit dem Boten trafen wertvolle Geschenke ein. Das Zeug liegt alles in deinem Zimmer. Deshalb ist das Haus vergrößert worden. Schließlich wollen wir doch die Familie von der Arbeit trennen." Leondur lachte. "Genau das habe ich von dir erwartet. Es ist schön, dass du dich für unsere Familie einsetzt. Nun lass dich erst einmal ansehen. Ich hoffe, dass du mich wiedererkennst. Ein Bad und frische Kleidung würden mir guttun. Ich hoffe, dass ich nicht zu sehr nach Pferd rieche." Asja, lachte herzerfrischend. "Wenn das deine ganzen Sorgen sind, dann kann ich dich beruhigen. Ich kenne den Geruch von Pferden und der schreckt mich nicht. Wichtiger ist mir jedoch, was du zu mir sagst. Jetzt bin ich nicht mehr so schlank, wie zuvor. Das betrübt mich."
Jetzt durfte Leondur lachen. "Du bist meine Frau. Du wirst immer die schönste Frau in meinem Herzen, diesem Land und in meinen Gedanken sein. Das habe ich dir versprochen. Aber du kennst leider nicht meine Gedanken. Stetig fragte ich, wie es dir ginge und die Götter haben nicht geantwortet. So konnte ich nur von dir träumen." "Du hast wirklich an mich gedacht, das ist wundervoll. Ich habe auch an dich gedacht und die Götter gebeten, dass sie dich beschützen. Offenbar haben meine Gebete geholfen." Nun las uns ins Haus gehen, damit ich dir nach dem Bad einen ersten richtigen Kuss geben kann."
XXX
Die Tage kamen und gingen. Nach der ersten Ratssitzung wusste er, dass die Ernten gut ausgefallen und alle Speicher bis zum Rand gefüllt waren. Die Bevölkerung hatte sich offenbar recht gut von der Herrschaft Ranaks erholt. Hunderte neue Bewohner gab es und es gab viele Kinder, die geboren worden waren. Alle Provinzen berichteten gutes und freuten sich, auf das nächste Jahr. Es folgten langweilige Berichte zu den Erträgen der Ernte, den Überschüssen, die verkauft werden konnten und den Auszahlungen an die Provinzen, um erforderliche Bauvorhaben umzusetzen. Erstaunlich war der Fakt, dass das Schatzhaus erweitert werden musste. Treidur, Drogusch und Hanlar hatten ihm großzügige Geschenke gemacht. Damit reichte der Raum längst nicht mehr, um das Gold, Silber und die vielen Münzen übersichtlich zu lagern. Dazu kamen noch die Edelsteine und die Geschenke aus verschiedenen Ländern.
XXX
Tage später erschien die Delegation aus Purnis, einem Land weiter westlich, dass ebenfalls an die südliche Ödnis grenzte. Die Delegation führte ein Herzog an, der möglicherweise mit dem König verwandt war. Elf andere Personen und zwanzig berittene Krieger begleiteten den Herzog Alfonz von Marona. Leondur begrüßte die Personen und lud sie zu einem Gespräch in den Palast ein. Asja begleitete ihn unentwegt, um endlich die Details der Staatsgeschäfte kennenzulernen. Die Krieger wurden zu einem nahegelegenen Stall geführt und Asja fand Zeit, die kostbare Kleidung der Gäste zu bewundern. Die Delegation wurde zu ihren Quartieren geführt und Magda die Köchin erklärte, dass es heute Hirschgulasch mit Pilzen geben würde, danach Käse und Obst und danach eine Auswahl an Obstkuchen. Leondur nickte die Speisefolge ab und bedankte sich freundlich bei Magda.
Erst viel später erschien die Delegation und eröffnete das Gespräch mit Vorschlägen zu Handelsbeziehungen und Wünschen, die Purnis dezent an ihn heran trug. Asja und Leondur hörten zuerst nur zu, um in dem Wortschwall die echten Wünsche zu erkennen. Danach bekam Asja wertvolle Stoffe übergeben und eine Perlenkette. Leondur bedankte sich und übergab seinerseits Gastgeschenke. Die Saphire aus Ethymien waren hoch geschätzte Handelsgüter und der Herzog hakte sofort nach. "Das sind die Dinge, die wir gerne erstehen möchten. Unser Land handelt mit wertvollen Edelsteinen, Gold und Tuchwaren. Dazu züchten wir kräftige Rinder und wir handeln auch mit Wolle, Silberwaren und dem kostbaren Porzellan. Wenn ihr Wünsche habt, dann sagt es uns und wir stellen es für euch her." Leondur ahnte eine Falle. "Lasst mich zuerst erfahren, was eure Wünsche an mein Land und mich sind. Im Anschluss können wir beide besser über verschiedene Waren verhandeln." Der Herzog schaute auf und bedankte sich für diese Direktheit. "Wir wissen, dass ihr ein genialer Feldherr seid. Ihr habt Ranak bezwungen und wir erfuhren, dass sich die Steppenvölker auf den Weg gemacht haben um Ranak oder euer Land zu erobern. Natürlich wissen wir, dass sie möglicherweise auch andere Länder angreifen wollen oder können. Mit Sicherheit gehört auch Purnis zu ihren Zielen, weil wir wohlhabend sind. Bisher haben wir uns immer freigekauft, aber auf Dauer können wir es uns nicht leisten. Was wir brauchen sind Waffen, Pferde und Truppen. Zudem schützt unser Land keine einzige Festung, Bastion oder vergleichbare Wehranlagen, wie wir sie hier sahen. Unsere Fragen konzentrieren sich daher auf den Ankauf von Waffen und der Ausleihe eines Strategen, der unsere Truppen auf einen Kampf vorbereiten kann." Dezent öffnete er eine Kartenrolle und zog eine Karte heraus, die er auf dem Tisch ausbreitete. Leondur studierte kurz die Karte. Rasch sah er die Einfallstore und grübelte kurz.
"Welche Wege gibt es und wie breit ist das Tal? In der Karte habt ihr Hügel eingezeichnet. Wie hoch sind die Hügel und woraus besteht der Untergrund. Wenn es Felsgestein ist, dann könnte man etwas machen, wenn ihr genügend Arbeitskräfte zu den Baustellen entsenden könnt." Herzog Alfonz von Marona holte weit aus. "Die Karte verzerrt eventuell die Realität. Bisher fielen die Südvölker über diese drei Wege ein. Den Sumpf im Westen haben sie bisher stets gemieden, weil dort vom Frühjahr bis in den Herbst Myriaden von Mücken leben, die jeden Menschen und jedes Tier in den Wahnsinn treiben und krank machen. Dort gibt es immer wieder Ausbrüche von Gelbfieber, Fleckfieber und andere Krankheiten, die die Leute rasch sterben lassen. Vorrangig wären daher nur der Hauptweg, von etwas über einer Meile breite und weiter westlich die beiden Nebenwege an diesen beiden Stellen. Jede Lücke misst kaum eine halbe Meile. Durch kleine Eingriffe in die Landschaft könnte man die beiden Stellen noch entschärfen, weil dort tiefe Kastentäler, die wir Torrenten nennen immer wieder für Hochwasser sorgen. Der Untergrund besteht aus porösen hellen Gestein. Kalkstein ist es nicht, sondern eher Travertin, wie wir das Gestein nennen. Andere Leute nennen es Sinterkalk oder Quellkalk. Immer, wenn Wasser aus dem Boden oder den Fels austritt bildet sich dieses Gestein. Es lässt sich gut bearbeiten."
Kurz hielt der Mann inne, um die nächsten Antworten in seinen Gedanken zu formulieren. "Wir können etwa zweihundert Handwerker und etwas über eintausend Helfer stellen. Dazu zweihundert Gespanne und jegliche Art von Werkzeug, die für den Bau notwendig sind. Unser Architekt sagte, dass es in der Nähe auch besseres Gestein gäbe, wie etwa Massenkalk oder guten Bausandstein. Wir verfügen über genügend gebrannten Kalk, um sehr viel Zement herstellen zu können, um die Steine dauerhaft miteinander zu verbinden. Dazu haben wir auch noch Poroskalk und Granit, aber der Stein lässt sich nicht so schnell bearbeiten, wie die anderen Gesteine."
"Das sind erste wichtige Informationen, aber ich denke, damit sollten sich meine Architekten beschäftigen, weil ich eben kein Fachmann für solche Fragen bin. Gerne rufe ich ein oder zwei der Herren herbei, damit sie euch Rede und Antwort stehen können. Nun muss ich fragen, welche Waffen ihr euch vorstellt und in welcher Stückzahl. Im Moment kann ich euch nur vier schwere Festungsarmbrüste und etwa vierzig normale Armbrüste zusagen. Die Bolzen müsstet ihr selbst herstellen. Natürlich geben wir Muster mit, damit eure Handwerker die Bolzen in beliebiger Anzahl herstellen können. Zusagen kann ich ferner zweihundert Stahlbögen und derzeit fehlt mir die Übersicht, was wir noch an Waffen abgeben können. Zumindest zweihundert Kurzschwerter kann ich zusagen und dazu etwa einhundert Kriegsäxte, Schilde, Lanzen und sehr viele Messer und Dolche."
Der Herzog grinste entspannt. "Das sollte für den Moment reichen. Natürlich benötigen wir noch zweihundert oder mehr Pferde. Also Pferde zum reiten." Skeptisch fragte Leondur nach. "Was versteht ihr unter Pferden zum reiten. Ich sah eure Pferde und solche Pferde gibt es hier nur bei den Bauern." Stutzig blickte der Herzog zu Leondur. "Gibt es noch andere Pferde? Nicht, dass ich eure Aussage anzweifeln möchte, aber vorstellen kann ich es mir nicht." Asja schaltete sich jetzt ein. "Mein Herr, hier gibt es Pferd für Könige und Fürsten und hervorragende Reitpferde oder Pferde für die Truppen. Dazu ungemein rittige Zelter und riesige Gespannpferde, wie ihr sie noch nie gesehen habt. Ich bin eine der wenigen Damen, die das Privileg genießen, derartige Pferde reiten zu dürfen." Noch stutziger hinterfragte der Herzog diese Aussage. "Verzeiht, das kann ich mir kaum vorstellen. Ich ging immer davon aus, dass unsere Pferde bereits sehr gut seien."
Leondur machte ein Angebot. Nehmt euer Pferd und vergleicht es mit meinen Pferden. Wir können gerne einen Ausritt machen. Danach dürft ihr urteilen." Gemeinsam ritten sie zu den Stallungen und Gestüten. Bereits die Kaltblüter zeigten enorme Wirkung bei den Gästen. Solche Pferde kannten sie nicht, die beeindruckend ihre Kraft zur Schau stellten. Die Zelter bewirkten den zweiten Schock. Ein Junker führte vor, was diese Pferde konnten. Spritzig ritten sie um jedes Hindernis herum und auf dem Rückweg übersprang das Pferd sämtliche Hindernisse. Es folgte die Vorführung der großen Reitpferde. Der Herzog durfte eine Runde drehen und bemerkte die hervorragende Ausbildung der Rösser. Schneller als jemals zuvor ritt er auf der Stute. Schweigsam stieg er von dem Pferd ab. Der Höhepunkt folgte jedoch noch. Die besten Pferde waren noch einmal eine Klasse besser. Locker erklärte Leondur. "So ein Pferd wünscht sich jeder König, Fürst oder Herzog. Ein solches Pferd kostet so viel, wie zwanzig der vorhergehenden Pferde und die wiederum kosten das fünfzehnfache von den Zeltern. Und die Kaltblüter kosten auch ihr Geld."
"Ihr ruft enorme Preise auf. Mein Pferd hat drei Gulden in Gold gekostet, demnach kostet ein Zelter sicherlich das doppelte, also sechs Goldgulden. Ein großes Reitpferd kostet etwa neunzig Gulden Ich nehme an für neunhundert bis eintausend Gulden bekommt man eines der Elitepferde. Verzeiht, solche Pferde können selbst wir uns nicht leisten." Asja lächelte charmant. "Reitet einmal so ein Pferd und ihr wollt danach sicher nie mehr auf einem anderen Pferd reiten. Das kann ich euch versichern." "Verzeiht, aber ich soll Pferde für einfache Soldaten einkaufen. Mein König hat mir da strikte Vorgaben gemacht. Ich glaube, dass ich all meine Ämter verlieren würde, wenn ich solche Kostbarkeiten erwerben würde."
Leondur verstand das Argument. "Von wie vielen Pferden reden wir?" "Wir dachten an etwa zweihundert Pferde. Vom Gespannpferd über leichte Pferde für Meldereiter und bis hin zu Pferden, die für die Truppe geeignet sind." Leondur nickte. "Dann besuchen wir eine weitere Stallung. Dort werdet ihr finden, was ihr sucht. Dennoch, meine Frage. Habt ihr jemals zuvor so großartige Pferde gesehen?" "Nein, ich gebe euch Recht. So wunderbare Pferde habe ich noch nie zuvor gesehen. Zudem, die Pferde sind bestens ausgebildet und zeigen ein Können, was unseren Pferden fehlt. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass mein König euch gerne besuchen würde, um so ein Pferd zu erwerben."
"Das wollte ich hören Herzog Alfonz von Marona. Ich bin tief in das Herz von Ranak geritten, um die gestohlenen Pferde zurück zu holen. Bis auf wenige Tiere habe ich alle ausfindig gemacht. Wir reiten nun zu den Pferden, die ihr erstehen könnt, ohne euer Amt einzubüßen. Bei einem entsprechenden Angebot von eurer Seite kann man über viele Kleinigkeiten reden." An der Koppel für Pferde, die zum Verkauf standen wurde der Herzog schnell fündig. Vierzig Kaltblüter, zwanzig leichte Pferde für Meldereiter und vierzig Pferde für berittene Bogenschützen waren die erste Auswahl. Danach folgten einhundert Pferde für die Truppe. Gerne hätte er mehr Pferde erstanden, aber das Budget ließ nicht mehr zu. Der Besuch in der Rüstkammer war einfacher, da es viele gebrauchte Waffen gab. Messer und Dolche wurden rasch ausgewählt. Es folgten Kurzschwerter und Streitäxte, Piken und die Bögen. Helme verschiedener Bauart wurden ausgesucht und leichte Harnische für die Bogenschützen. Armschienen verschiedener Güte wurden gehandelt und gebrauchte Gitterrüstungen aus Leder, die mit Metallplatten verstärkt waren. Alles wurde sofort auf Wagen verladen und abgedeckt. Ein Schreiber notierte die Anzahl und Preise für jedes Teil oder die genannten Gesamtpreise für die Waffen.
Danach folgten die Armbrüste und vier schwere Armbrüste. Zurückhaltend bot Leondur noch zehn Schwerter für die Offiziere an. Mehr Waffen waren derzeit nicht entbehrlich, da Kämpfe in naher Zukunft drohten. Gerne nahm der Herzog das Angebot an, da er vergleichbare Waffen dringend benötigte. Zu gerne hätte er vierzig Klingen erworben, aber er zeigte Verständnis für die Lage des Königs. Immerhin hatte er bereits die Ausstattung für über zweihundert Kämpfer erstanden und dabei weniger ausgegeben als erwartet. Zügig schob der Herzog nach. "Somit hätte ich noch Geld für zehn leichte Pferde. Aber vielleicht kann ich auch einige unserer Waren anbieten. Ihr hattet verschiedene Wünsche geäußert. Lasst mich einige unserer Waren vorstellen." Dafür müssen wir in den Palast. Dort kann ich euch zeigen, was ich mir wünsche. Unterwegs kann ich euch weitere Wünsche erzählen."
Im Palast ließ Leondur ein wenig von dem ehemaligen königlichen Porzellan bringen. "Schaut euch unser Wappen an. Es ist schlicht, aber es birgt die Erinnerung an meine Kindheit. Früher waren die Schränke voll und jeder Gast bestaunte unser stilvolles Geschirr. Sagt mir bitte, was einhundert flache Teller, einhundertzwanzig Suppenteller und die dazugehörigen Suppenschüsseln, Platten und andere Dinge kosten. Dazu braucht es noch einhundertfünfzig kleine Teller, zwanzig Kerzenhalter für fünf Kerzen und natürlich zweihundert mittelgroße Trinkbecher." "Ihr seid nicht kleinlich und daher will ich euch einen guten Preis machen. Es sind etwa sechshundert Teile und alle sollen euer Wappen tragen. Ohne einen Aufpreis zu berechnen für kleine Goldverzierungen schätze ich den Preis auf eintausend Gulden in Gold. Dazu würde ich noch zweihundert Damast Servietten mit eurem Wappen geben, die ebenfalls mit Goldfäden verziert sind für neunzig Gulden und zwanzig Tischtücher von fünf Fuß auf zwölf Fuß. Die Tischtücher werden durch Seidenstickerei veredelt, die in der Form eurem Wappen ähneln - jedoch einen abgesetzten Rand besitzen. Als Muster lasse ich euch vier Tischglocken hier, sie haben einen feinen Klang und ihr bekommt natürlich auch fünf mit eurem Wappen, wenn die Lieferung erfolgt." Leondur nickte entspannt, denn das Geschirr wurde gebraucht, um die Gäste des Hauses angemessen zu bewirten. Der Herzog notierte sich knapp die Bestellungen und schrieb einige andere Dinge dazu auf. In diesem Moment glich der Herzog eher einem Händler auf einem Marktplatz.