Am Abend saßen die Gäste mit den jungen Offizieren von Leondur zusammen und stellten hunderte Fragen, die eigentlich alle auf zwei Fragen hinausliefen. Wie bildet man solche Truppen aus und wie werden diese Angriffe erfolgreich durchgeführt? Die wesentlichen Fragen übersahen die Gäste jedoch. Warum waren die eigenen Lanzenreiter so ausgebildet und warum kämpften sie nicht in gemischten Einheiten. Leondur hörte nur zu und schmunzelte, da er den Mangel an Fantasie bei seinen Gästen bemerkte. Die Generäle glaubten offenbar, dass es in einem Gefecht jeweils nur einen Angriff gab. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass die Reiter absichtlich Finten einstreuten, um jeweils in eine bessere Position für einen zweiten Angriff zu gelangen. Nach einem Glas Rotwein Griff er ein.
"Sie haben nicht erfasst, worum es bei diesen Übungen ging. Pferde sind schneller als Infanteristen. Ich stelle jetzt die Figuren auf." Sorgsam stellte er die Formation der Lanzenreiter nach. Danach drei Zehnergruppen. Langsam zog er die fünfzig Reiter über die flache ebene. „Zuerst übersahen die fünfzig Reiter die leichten Reiter. Die leichten Reiter griffen zuerst von hinten an. Sie nahmen fünfzehn Reiter aus dem Rennen. Danach griffen zehn Reiter von der rechten Flanke an und fegten wieder mehr als zehn Reiter von den Rössern. Sofort griffen aus einer anderen Richtung zehn Reiter an und stießen erneut elf Reiter von den Rössern. Und den Rest der Einheit erledigten sie zusammen mit Bögen und und Lanzen. Auch das zweite Treffen spielte Leondur mit den Figuren nach. Erneut griffen leichte Reiter die Gegner von der Flanke aus an. Zehn Lanzenreiter verfolgten sie und nun erfolgte ein Frontaler Angriff, der die zehn Reiter von den Rössern warf. Der Stoß von der Gegenseite erfolgte. Fünfzehn Lanzenreiter purzelten von ihren Pferden und nun wurde erneut von drei Seiten angegriffen. Und gleiches machte er mit dem Treffen am Waldrand. Die leichten Reiter spielten den Köder für die Lanzenreiter und zwanzig Lanzenreiter setzten den leichten Reitern nach, die einfach zwischen den Bäumen verschwanden. Als sie umkehrten wurden die ersten Zehn von den Bogenschützen getroffen und zehn eigene Lanzenreiter fegten sie aus den Sätteln. Von Hinten griffen nun zehn Lanzenreiter an und als sich die Lanzenreiter neu orientiert hatten griffen alle drei Gruppen konzentriert an.
"Sie sehen, es ist keine Magie sondern eher ein Spiel mit der Taktik. Eben kam der Angreifer aus einer Richtung, danach aus einer zweiten Richtung und dann aus drei Richtungen. Gegen solche Angriffe können sich einheitliche Verbände nicht wehren, weil sie keine Distanzwaffen mit sich führen. So einfach ist es. Damit habe ich demonstriert, dass gemischte Einheiten besser und erfolgreicher agieren können. Zudem sind meine Pferde besser ausgebildet und die Reiter wurden gut geschult. Das ist meine Art der Magie. Das einzige was die Junker lernen müssen ist es einen Kreis zu reiten. Verzeihen sie, aber die einfachsten Dinge bleiben immer die erfolgreichsten und besten Dinge." Sofort kam die Gegenfrage. "Wie bringt man einfach gestrickten Junkern bei so schwierige taktische Manöver zu beherrschen? Immerhin erfordert es doch eine gewisse Auffassungsgabe, um so effektiv zu kämpfen."
"Das Rezept ist einfacher als gedacht. Sie lernen einfach bis zehn zu zählen. Danach machen sie kehrt und greifen erneut an. Der Unterführer gibt die Handzeichen und dann klappt es. Die Junker sind danach so stolz, wie Königstiger. Erst wenn sie länger dabei sind lernen sie mehr. Als zweiter Schritt folgt die Erfassung des Momentums. Das ist der Moment, wann es am günstigsten ist einen Angriff oder Gegenangriff zu starten. Danach werden sie Unterführer und dabei lernen sie die dritte Kunst. Das ist das Zusammenspiel aus Beobachtung und und dem Zusammenwirken mit anderen Reitern. Jedes Detail wird ausgiebig geübt, bis alles sitzt. Zudem tragen Junker gerne Auszeichnungen. An ihren Gürteln erkennt ihr, wie lange sie geübt haben oder bereits gedient haben. Durch diese kleinen Lernschritte lernen sie mehr als durch komplexe Erklärungen. Haben sie jedoch das Muster selbstständig erkannt, dann werden sie weiter ausgebildet und erhalten weitere Auszeichnungen und weitere Dienstgradabzeichen auf der Rüstung oder an den Gürteln. Wissen das auch die Bürger, dann erkennen die Junker, dass lernen sich lohnt. Mit den gut sichtbaren Rangabzeichen verdienen sie etwas mehr Geld und steigen im Rang auf. Und aus den besten Junkern fischen wir die heraus, die sich als Truppenoffiziere eignen. Sie beherrschen sämtliche Taktiken ihrer Truppengattung und können kleine Einheiten führen. Zeigen sie noch mehr Talent, dann können sie weiter aufsteigen. So einfach ist es, wenn man die Ausbildung mit finanziellen Anreizen versieht. Nennt es Magie oder Schwindel. Mir ist es egal, wie ihr es nennt, aber mir ist es egal, was andere denken, weil die Männer dadurch ständig zum Nachdenken angeregt werden. Oder, wie kann es sein, dass ich vom Sklaven zu einem akzeptierten Obristen aufstieg? Ich passe somit nicht in die Ränge oder adeligen Armee, sondern ich stieg auf, weil ich rascher als alle anderen Männer die taktischen Winkelzüge begriff." Nachdenklich blickte ihn der Lordherzog an. Es sind solche banalen Kleinigkeiten, die ihr zu eurem Vorteil nutzt. Das ist eine interessante Perspektive mein Freund. Die Junker, die gut lernen steigen somit schneller auf und gewinnen gleichzeitig an Selbstvertrauen. Das Konzept haben wir bisher nie ins Auge gefasst. An dieser Stelle muss ich ehrlich sein. Wir sind eine recht konservative Armee mit uralten Vorstellungen und genauso sieht auch unsere Ausbildung aus. So neumodisch haben wir es bisher noch nie betrachtet."
"Es ist im Prinzip recht simpel. Junker schmücken sich gerne mit Auszeichnungen und der Aufstieg in der Hierarchie verschafft ihnen auch später noch Vorteile. Zuerst ist es etwas mehr Sold und später bekommen sie größere Häuser, wenn sie eine Familie gründen und noch später bekommen sie noch mehr Land, wenn sie weiter in der Truppe dienen. Deshalb habe ich das Land für mich erschlossen. Diese Männer lernen rasch dazu und erinnern sich stetig an mich. So einfach ist meine Denkweise gestrickt und sie führt zum Erfolg. Da ich nicht reich genug bin, muss ich diese Variante anwenden, um die Männer bei mir zu behalten. Und verlasst euch drauf, die Männer danken es mir durch treuen Dienst." Der Lordherzog verstand dieses System der Anreize nun in groben Zügen und nickte. "Ihr seid offenbar ein Fuchs und versteht es vorteilhaft eure militärische Gefolgschaft an euch zu binden." "Durch das Gold in der ehemaligen Ödnis versuche ich mich frei zu schwimmen. In gewisser Weise befinde ich mich noch in der Phase der Konsolidierung. Habe ich einen ersten großen Sieg errungen, dann kann ich mehr Land freigeben, um daraus später Steuereinnahmen zu generieren."
"Euer militärisches Wissen und eure anerkennenswerte staatsmännische Kunst sind bemerkenswert. Das darf ich ohne Zweifel anmerken. Dennoch verstehe ich diese enge Gefolgschaft noch nicht." Leondur konterte offenherzig. "Ihr macht die Junker gleich zu Grafen, das ist der Fehler. Zuerst macht ihr sie zu Herren, dann zu Rittern der Ehrendivision und erst danach steigen sie in den unteren Adel auf. Als Freisasse dürfen sie mehr Land besitzen und gewinnen mehr Einnahmen. Ein höherer Dienstgrad und mehr Land generieren Treue und Gefolgschaft. Gute Leute erhaltenen besseres Land und größere Häuser. Zugleich müssen sie mehr Buben und Junker ausbilden. Alles sind kleine Mosaiksteinchen, die mir helfen eine große Truppe aufzubauen. Oder glaubt ihr etwa, dass ich eine Hexenküche besäße, die mir Goldmünzen beschert. Erst im nächsten Jahr darf ich Veränderungen im Steuerrecht durchsetzen. Und erst danach besitze ich deutlich mehr Einnahmen. Und der Bau, der Festungen kostet ebenfalls Unsummen an Gold. Noch sage ich den Leuten, dass wir uns vor mächtigen Gegnern schützen müssen, aber ewig kann ich das meinem Volk nicht erzählen.Daher muss ich nebenbei politische Erfolge erzielen, um ein gewisses Gleichgewicht in der Stimmung im Volk zu erhalten. Dafür Rufe ich zukünftig zwei Mal im Jahr Messen in Talin aus, damit der Handel in meinem Land in Schwung kommt. Einmal im Frühjahr und danach im Herbst. Ich werde alsbald Boten in die befreundeten Länder schicken, damit die Termine dort bekannt sind. An wenn müsste ich mich in eurem Land wenden? Natürlich werde ich auf der Messe auch meine Pferde anbieten. Die Pferdezucht ist immerhin meine Haupteinnahmequelle, um die Truppe zu erhalten. Zudem muss ich das Rätesystem im Land dramatisch reformieren, damit ich wirklich vertrauenswürdige Räte erhalte, die klug agieren. Nach einem Sieg über den Großkahn kann ich mehr Land verteilen und generiere nach drei oder fünf Jahren mehr Steuereinnahmen. Jede Goldmünze mehr in meinem klammen Steuersäckel fördert somit meine Beliebtheit im Land."
Lordherzog Lester lächelte und staunte. "Die Vorhaben klingen allesamt ambitioniert. Und das Schreiben für die Messe könnt ihr gerne an mich richten. Nun zu den etwas schwierigeren Punkten. Ich würde gerne Ausbilder mitnehmen und wenn die Möglichkeit besteht nehme ich gerne fünfzig Zelter mit. Dazu zwanzig Gespannpferde und eigentlich noch zwei Vollblüter. Gerne auch noch einhundert Bögen und zwanzig Armbrüste samt den Pfeilen und Bolzen. Zudem sehen eure Lanzen moderner aus und auch die langen Lanzen für die Infanterie gefallen uns. Macht einen fairen Preis und dazu hätte ich noch gerne einige blaue Saphire. Ich werde bald heiraten und dafür brauche ich ein passendes Geschenk für mein Frau. Ich glaube ferner, dass meine Begleiter ebenfalls großes Interesse an schönen Edelsteinen besitzen. Die Generäle und der Baron wandeln auf Freiersfüßen und benötigen vermutlich noch angemessene Geschenke. Schicke Waffen und außergewöhnliche Stücke gehen auch immer. Last es hier auslegen, dann finden sich schon Käufer, zumal euer Land für gute Steine bekannt ist.
Leondur reagierte und ließ bestimmte Gegenstände aus der Schatz und Waffenkammer holen. Die Junker freuten sich, da sie endlich einmal in die heiligen Hallen durften. Normalerweise durften sie nie in die gut bewachte Waffenkammer. Und nur in Begleitung anderer Wachen durften sie in die Schatzkammer. Dieser Ort gehörte zu den angeblich von bösen Geistern bewachten Bereichen. Nach und nach wurden vier Tische mit diversen Kisten und einen reichen Sammelsurium an prächtigen Waffen voll gestellt und nach und nach belegt. Heraus stachen zuerst die Prunkschwerter und die reich verzierte Prunkdolche. Es folgten goldene Sporen und Ausrüstung für Pferde, die mit Silber und Gold verziert waren. Aus den letzten Kisten wurden die Edelsteine entnommen, die in Samtbeuteln lagen. Neben jedes Stück wurden kleine Karten gelegt, auf denen die Preise und die Angaben zum Stein und die Karatangaben standen.
Erstaunlich rasch griffen Leondurs Gäste zu und bezahlten die aufgerufenen Preise. Jeder wusste, dass es vergleichbare Edelsteine dieser Qualität nicht im Umkreis von fünfhundert oder mehr Meilen gab. Zudem waren Saphire extrem rar gesät, so dass sich der Handel mit dieser Ware vermutlich für alle Personen lohnte. Auch die anderen Waren wurden rasch erworben, weil es eben beste Waren waren, die es andernorts kaum zu erwerben gab. Dreitausend Golddukaten wanderten somit in seine private Kasse, die sich über jede Einnahme freute. Fast unbemerkt war König Temelos gegen Mittag abgereist, da er nun wusste, was seinem Land der Truppenaufbau, die Bewaffnung und der Ausbau der Festungen kosten würde. Es war weniger als befürchtet und mehr, als angedacht.