Daniela schluckte, als sie ihm nun so nahe gegenüberstand. Seinen Blick konnte sie nicht deuten.
„Geht es dir jetzt besser? Es schien dir drin etwas zu heiß zu sein“ fragte er mit ernster Mine.
Zu heiß? Sie musste sich zusammennehmen, um nicht laut aufzulachen. Er machte sich jetzt über sie lustig, oder? Aber sein Gesicht war undefinierbar. Er musste doch bemerkt haben, warum es ihr so heiß geworden war, oder nicht?
„Wo steht dein Auto?“ Erneut überraschte er sie. Sie hatte mit einer ganz anderen Frage gerechnet.
„Da drüben, hinten links, ganz außen. Der weiße Note“.
Er trat an ihre Seite und hakte sich ein. „Ja, ich sehe dein Auto. Ich begleite dich dahin, zum Abschied“.
Sie war zu verwirrt, und Widerstand zu leisten und ließ sich von ihm führen. Was war los? Sollte das jetzt alles gewesen sein?
Hätte sie ihm in diesem Moment angeschaut, hätte sie wieder ein seltsames Funkeln in seinen Augen gesehen. Dieses war auch im Dunkeln sehr gut zu sehen.
Sie jedoch war viel zu sehr damit beschäftigt, Haltung zu bewahren. Ihr Herz pochte wie verrückt, seit er sich untergehakt hatte, ihr Magen flatterte und das sehnsuchtsvolles Ziehen ihrer Scheide nahm mit jedem Schritt zu. Verdammt, sie begann sogar leicht zu schwanken, hätte er sie nicht gestützt. Wie war es möglich, dass er von all dem nichts mitbekam? Oder war er einfach zu höflich, um eine Bemerkung darüber zu machen? Für schüchtern hielt sie ihn nicht.
Viel zu schnell waren sie an ihrem Auto angelangt. Unsicher kramte sie in ihrer Handtasche herum. Was sollte sie nur tun? Wollte er sie nicht?
Ihre Blicke trafen sich.
„Findest du den Schlüssel nicht?“ fragte er unschuldig.
Sie konnte nichts antworten, dafür war ihre Kehle zu trocken. Stattdessen starrte sie wortlos auf seinen Mund. Mit seinen blendend weißen Zähnen hätte er ohne Probleme Werbung für Blendax oder irgendeine andere Zahncreme machen können. Allerdings waren alle seine vier Eckzähne allesamt verkürzt, doppelt so breit wie normal und seltsam spitz. Normalerweise hätte diese Abweichung von der Norm abschreckend wirken müssen, aber seltsamerweise machte dies seiner Attraktivität keinen Abbruch. Es wirkte aber seltsam auf sie, dass diese Veränderung gerade diese vier Zähne betraf. Sein Lächeln wirkte dadurch fast noch intensiver und ihr war dies am Anfang gar nicht aufgefallen.
Sie musste sich geradezu zwingen, ihren Blick abzuwenden.
„Soll ich dir helfen?“ fragte er freundlich.
„Wie?“ kam ihre verständnislose, zitternde Stimme, die aufgrund ihres trockenen Halses sehr krächzend klang.
„Mit deinem Autoschlüssel“ erklärte er geduldig.
„Äh… nein, Michael. Es ist nur… ich…“ stotterte sie, dann brach sie ab.
„Ja?“
Immer mehr spürte sie ihr lautes, sehnsuchtsvolles Pochen. „Ich… ich möchte nicht, dass…, dass… dass wir uns jetzt einfach so trennen, Michael“.
Gott sei Dank, endlich war es raus.
„Wie meinst du das genau?“ fragte er leise, während er sanft seine Hand auf ihre Schulter legte.
„Bitte geh nicht“ flüsterte sie verzweifelt und sah ihm flehend in die Augen. Dann, nach einer kurzen Pause: „Bleib heute Nacht bei mir“.
In seinem Gesicht las sie etwas, was irgendwie nach einer Mischung von Zärtlichkeit und Gier aussah. „Du bist dir sicher?“ Ihm war keine Unruhe anzumerken.
Seine Gefasstheit war geradezu unheimlich. Sonderlich überrascht schien er jedoch nicht zu sein.
Sie nickte entschlossen.
„Dann soll es so sein“. Er trat einen Schritt näher an sie heran und nahm sie in die Arme. Langsam streichelte er sanft ihren Rücken.
Seltsamerweise ließ ihre Erregung nun ein wenig nach. Sie verstand ihren Körper heute nicht, war aber erleichtert. Das Pochen war jedoch immer noch sehr präsent.
„Wann musst du morgen raus?“ wollte er wissen.
Zuerst erwiderte sie nichts darauf, überrascht von seiner Frage. Dann aber meinte sie: „Ich studiere, Michael, daher kann ich morgen auch schwänzen“.
Er lachte leise. „Und ich muss erst gegen Abend los. Das Schicksal meint es gut mit mir“.
Diesmal hatte sie eindeutig Gier in seiner Antwort gespürt und es wurde ihr mit einem Male unbehaglich zumute. Er schien es zu spüren, denn er drückte sie fester an sich, und ihre Besorgnis wich einem angenehmen, wohligen Gefühl.
Noch nie waren ihre Emotionen so widersprüchlich gewesen.
„Du bist zu durcheinander, du solltest in diesem Zustand nicht fahren“ meinte er.
Dieser Mann hatte wirklich feine Antennen. Trotzdem widersprach sie.
„Ich möchte mein Auto nicht hier stehen lassen“.
„Dann lass mich damit fahren. Sofern du deinen Autoschlüssel findest“.
Er ließ sie wieder los. Seufzend suchte sie erneut. Diesmal fand sie ihn. Kurzes Zögern, dann reichte sie ihm ohne weiter darüber nachzudenken den Schlüsselbund.
Er eilte auf die Beifahrerseite und drückte auf die Entriegelung der Fernbedienung. Galant öffnete er die Türe. „Darf ich bitten, meine Dame?“
Dieses etwas antiquiertes Benehmen gefiel ihr, trotzdem musste sie kurz etwas albern kichern. Sie war ein solches zuvorkommendes Verhalten nicht gewohnt. Eine weitere Bestätigung dafür, dass ältere Männer einfach die bessere Wahl waren.
Brav setze sie sich und griff nach dem Gurt. Vorsichtig schlug er ihre Türe zu und saß kurze Zeit später neben ihr.
„Bist du einverstanden, wenn wir zu mir fahren? Ich habe hier eine sehr großzügige Wohnung mit einem herrlichen Blick auf die Skyline, sie wird dir gefallen“ schlug er vor.
„Natürlich“. Dass sie nicht zu ihr konnten, war klar. Ihr Zimmer war klein und sie wohnte zusammen mit anderen in einer hellhörigen Wohnung, das konnte sie gewiss nicht brauchen.
Normalerweise wäre sie jedoch nie mit jemanden, den sie gerade kennengelernt hatte, alleine mitgegangen. Sie wunderte sich jedoch seltsamerweise nicht weiter darüber. Bei Michael war irgendwie alles anders und sie akzeptierte das einfach.
„Sie wird dir gefallen und es dauert nicht allzu lange, bis wir da sind“ versprach er mit leuchtenden Augen und startete den Motor. „Entspanne dich einfach“.
Trotz des fremden Autos fuhr er routiniert aus dem Parkplatz und bog rechts auf die Hauptstraße ein.
Tatsächlich wurde sie endlich innerlich etwas ruhiger und ihre Erregung wurde teilweise durch Vorfreude ersetzt. Es war zweifellos die richtige Entscheidung gewesen und sie war froh, den Mann so einfach davon überzeugt zu haben, bei ihr zu bleiben.
Erleichtert lehnte sie sich zurück und beobachtete ihn verliebt von der Seite. Ihr Blick fiel auf seine Hände, die ruhig das Lenkrad ihres Autos umfassten. Er hatte außergewöhnlich lange Finger, die ein wenig zu lang im Verhältnis zu seiner Körpergröße waren. Die Hände wirkten elegant, wie bei einem Künstler, und trotzdem vermittelten sie den Eindruck, viel Kraft zu besitzen. Das klang widersprüchlich, aber besser erklären konnte sie es nicht. Seine Fingernägel hatten die Farbe ähnlich von Milchkaffee, ohne irgendwelche Flecken oder Furchen zu besitzen und wirkten dadurch stabiler als üblich. Er hatte sie ein wenig spitz abgeschnitten. Ungewöhnlich, aber irgendwie passend. Der übliche weiße Rand am Ende fehlte. Ob sie lackiert waren? Auch manche Männer bedienten sich ja heute der Hilfe der Schönheitsindustrie. Sie wirkten trotz diesem perfekten Zustand natürlich auf sie und sie konnte keinen Glanz erkennen, der auf Nagellack hindeutete.
Sie sah, dass ein leichtes Schmunzeln seine Lippen umspielte. Ohne seinen Blick von der Straße abzuwenden, wollte er wissen: „Zufrieden, was du siehst?“
Verdammt! Das war peinlich. Ein Kribbeln ging über ihren Kopf. Sie wusste, dass sie gerade einen roten Kopf bekam.
Er wurde wieder ernst. „Beruhige dich, es ist alles in Ordnung“. Er schaute weiter geradeaus, löste jetzt aber seine rechte Hand und legte sie auf ihre linke, die auf ihrem Oberschenkel ruhte.
Ein erschrockener leiser Schrei einfuhr ihr. Seine Hand war furchtbar kalt.
Unwillkürlich fröstelte sie.
Er löste sofort den Körperkontakt. „Verzeih bitte, wie unaufmerksam von mir“ entschuldigte er sich und umfasste das Lenkrad wieder mit beiden Händen.
Daniela atmete tief ein. Was war das gewesen? Hatte sie Halluzinationen? Seine Hand war doch zuvor nicht so kalt gewesen?
Und was dachte er jetzt von ihr? Verzweifelt krallte sie die Fingerkuppen in den Stoff ihrer Hose. Hoffentlich hatte sie jetzt nicht alles verdorben. Ihre Finger waren nun schwitzig und feucht.
Erneut wanderte seine Hand auf die ihre.
Diesmal spürte sie eine warme, angenehme Hand, die beruhigend und beschützend auf sie wirkte.
Sie verstand nicht so recht, was das alles zu bedeuten hatte. Offensichtlich konnte sie ihren Sinnen nicht mehr ganz trauen.
Sie wunderte sich darüber, aber es beunruhigte sie nicht. Sie fühlte mit einem Male seltsam geborgen, fühlte sich einfach nur wohl und kuschelte sich an die Rücklehne ihres Autos, um schließlich zufrieden die Augen zu schließen.
Michael hatte einen angenehmen Fahrstil. Das Auto fuhr ruhig, so dass sie schon bald in einen Dämmerschlaf abdriftete. Seine eine Hand war, wenn er sie nicht gerade zum lenken oder schalten benötigte, immer bei ihr und gab ihr ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Sie dachte nicht mehr weiter darüber nach aber sie wollte nur noch mit ihm zusammen sein und fühlte sich glücklich dabei. Sie verstand ihre eigenen Körperreaktionen nicht immer und auch manche Aussagen von Michael waren ihr rätselhaft – aber obwohl sie sich durchaus wunderte, akzeptierte sie es einfach. Und auch dieses Verhalten war streng genommen ein weiteres Rätsel, da sie sonst gewohnt war, alles zu hinterfragen.
Nach einer Weile – sie wusste nicht wie viel Zeit vergangen war – fuhr er langsamer. „Wir sind gleich da“ verkündete er.
Die angenehme Müdigkeit, die sie umgeben hatte, verflog und sie öffnete ihre Lider.
Überrascht riss sie sie Augen auf.
Sie befanden sich in einer sehr noblen Wohngegend. Hoteliers konnten hier Spitzenpreise verlangen- ganz zu schweigen von den Eigentumswohnungen. Ihre Eltern waren nicht arm, sondern verdienten etwas über den Durchschnitt – aber das hier war eindeutig nicht ihre Welt. Sie fühlte sich seltsam schäbig angesichts dieses Protzes und Prunks, der hier so offensichtlich zur Schau gestellt wurde.
Ihr Begleiter war ihr einen kurzen Seitenblick zu, ehe er verriet: „Lass dich nicht zu sehr davon einnehmen. Nicht jeder, der eine Menge Kohle besitzt, hat dies wirklich verdient oder ist besonders tüchtig. Manchmal sind es einfach Zufälle, wie wohlhabend man ist“.
„Und du? Bist du wohlhabend?“ wollte sie mit heiserer Stimme wissen, während sie sich furchtbar klein vorkam.
„Die Firma, für die ich arbeite, ist sehr mächtig“ gab er zu. „Und ich verdiene mittlerweile sehr gut. Dahin war es aber ein langer Weg und ich musste mich sehr, sehr viele Jahre bewähren, bis ich den Posten bekam“.
Ihr kam der Gedanke, dass ‚sehr, sehr viele Jahre‘ relativ war angesichts der Tatsache, dass sie ihn auf Mitte 30 schätzte.
„Ich bin schon länger in dieser Firma, als du dir vorstellen kannst. Aber aufgrund meiner Lebenserfahrung kann ich dir sagen, dass der Reichtum in dieser Welt und auch hier in Deutschland oft höchst ungerecht verteilt ist“.
Sie fand, dass er übertrieb. So wie er sprach könnte man fast meinen, er sei ein alter Mann. Sicher, mit Mitte Dreißig hatte er schon einiges erlebt, aber er trug schon etwas dick auf.
Sie griff das Thema jedoch nicht weiter auf. Viel mehr beschäftigte sie die Tatsache, dass Michael scheinbar um einiges höher in der Gesellschaft stand wir sie. Das war ihr nun doch unangenehm. Weiter kam die Angst, seinem Ansprüchen nicht zu genügen. Er war sicher ganz andere Dinge gewöhnt als eine kleine Studentin.
Ihre Lust und Sehnsucht auf ihn war so groß, was sollte sie nur tun?
„Mach dir keine Gedanken“. Er hatte ihr Unwohlsein wohl bemerkt. „Wir sind jetzt eh gleich da“. Er bog vor eine vergitterte, edel sehende Tiefgarage und öffnete das Seitenfenster. Er streckte den Kopf heraus und blickte in die daneben angebrachte Kamera.
Es dauerte nur einen kurzen Moment, und das Gitter ging nach oben. Vorsichtig fuhr der Mann durch den Eingang und gelangte zu den unterirdischen Parkplätzen. Überall waren Kameras angebracht und alles war angenehm hell erleuchtet.
Die Frau war inzwischen wieder ein wenig ruhiger. Was machte ihr Körper nur mit ihr, ein ständiges Auf- und Ab.
Er fuhr zielstrebig auf eine mit „Reserviert“ gekennzeichneten Platz. Danielas bekam auf einmal ein schlechtes Gewissen.
„Mensch Michael, wie kommst du jetzt wieder an dein Auto?“ wollte sie besorgt wissen. „Wir müssen morgen unbedingt zurückfahren“.
„Heute ist heute, morgen ist morgen“ antwortete er grinsend und schaltete den Motor ab. „Lass uns in meine Wohnung gehen, sie ist ganz oben“. Rasch war er ausgestiegen und schon hielt er ihr wieder die Türe auf. Etwas zögerlich ergriff sie seine Hand und stieg hinaus.
Kaum war sie ausgestiegen wäre sie fast hingefallen, da eine plötzliche Lustwelle sie erfasste. Verdammt, wenn das so weiterging, würde sie wohl nicht einmal mehr zu seinem Bett kommen.
„Hoppla“. Geistesgegenwärtig hielt er sie fest und stütze sie. „Kommt, da vorne ist schon der Fahrstuhl“. Er lachte kurz amüsiert auf, was sie aber nicht bemerkte.
Sie bekam gerade noch mit, dass er sich bei ihr unterhakte und sie nach rechts führte. Es existierte nur noch ihr sehnsuchtsvolles Ziehen und erregtes Pochen. Gut möglich, dass sie gleich noch hier einen Orgasmus bekam.
Sie bestand nur noch aus Lust, als sie die Kabine betraten und der Mann irgendeinen Knopf drückte.
Das nächste Mal gibt es ein Kapitel zur Hauptgeschichte. Aber keine Angst, wir verlieren die beiden nicht aus den Augen.