Sie wimmerte leise, mehr vor Schreck als vor Schmerz. Trotz der Augenbinde bemerkte sie, wie der Kreislauf zusammenbrechen drohte und ihr auf ganz andere Art begann, schwarz vor Augen zu werden.
Seine Zunge lecke kurz über ihren Hals, genau dort, wo sie den Schmerz gemerkt hatte. Dann meinte sie zu spüren, wie er begann, heftig an dieser Stelle zu saugen.
„Mich...“ krächzte sie überrumpelt, die Silben blieben ihr aber Halse stecken. Ihr gefiel das nicht, ihr war gerade ganz flau im Magen. Merkte er es denn nicht, dass es ihr gerade schlecht ging?
Seine Hände fixierten weiterhin fest ihren Kopf, ein Bewegen oder Entkommen war nicht möglich. Seine Finger waren mit einem Male eiskalt und die Kälte drang durch ihre Haut. Seltsamerweise brachte sie dies wieder zur Besinnung, die drohende Ohnmacht trat nicht ein. Ihr Magen beruhigte sich ein wenig – was seltsam genug war - und der Schwindel wurde weniger.
Weiter diese Einbildung, er würde an ihrem Hals saugen, gleichzeitig meinte sie Schluckgeräusche zu hören.
Das alles registrierte sie am Rande. Ihr Lustzentrum, welches sich ja schon eine ganze Weile bemerkbar gemacht hatte, steigerte sich. In einem gleichmäßigen Rhythmus zogen sich ihre Scheidenwände zusammen, während sie gleichzeitig von einem starken Glücksgefühl übermannt wurde.
Es war eine Art Orgasmus, der allerdings anders war als alle anderen, die sie bisher gekannt hatte. In gleichmäßigen Abständen spürte sie die Kontraktionen, die in ihrer Intensität etwa gleichblieben.
Es war, als ritte sie auf einem Meer von Lust, ein gleichmäßiges Auf- und Ab.
Wieder wollte sie seinen Namen rufen, es jedoch nur ein undeutliches Wimmern aus ihrer Kehle. Vielleicht lag es auch daran, dass ihr Kehlkopf so kalt war und er ihren Hals so überstreckte und fixierte. Selbst schlucken fiel ihr schwer.
Das alles war aber im Moment nicht wirklich wichtig. Da war dieses regelmäßige und erfüllende Ziehen, welches sie so in ihren Bann nahm. Sie konnte nicht anders und nahm den Rhythmus auf, stöhnte mit jeder Kontraktion, wenn schon Worte zu anstrengend für sie waren.
Dafür sorgte auch dieses intensive Gefühl von Lebensglück, welches sie so noch nie erlebt hatte und mehr war, als die übliche Lust, die man sonst beim Sex verspürte. Ihr Stöhnen war synchron mit dem Ziehen an ihrer Halsschlagader, und in den kurzen Pausen hörte man diese Schluckgeräusche.
Ein gleichmäßiges Treiben dieser Geräusche, welches diese beide in diesem Moment auf seltsame Weise verband, stärker als es „normaler“ Sex hätte tun können.
Die Zeit schien stillzustehen oder einfach nicht mehr zu existieren. Michael hatte kein Wort mehr gesagt, und außer den keuchenden Lauten kam auch von ihr keine weitere Reaktion. Sie kam sich vor wie in einer Blase voll Glück und Lust, zusammen mit ihrem Michael.
Sie stöhnte, mal lauter, mal leiser, manchmal schrie sie auch, aber immer zusammen mit ihm und sein Saugen, beide im gleichen Takt.
Eine ganze Weile – oder nur kurz? – war vergangen, als sie erneut spürte, dass sie drohte, erneut das Bewusstsein zu verlieren. Ihr Stöhnen wurde leiser und sie begann langsam, in dieses Nichts abzudriften. Sie fühlte sich wunderbar, dieses Glücksgefühl vermischt mit der Erregung, und es war ihr auch völlig egal, was mit ihr geschah. So konnte sie auch sterben, wenn es denn jetzt sein musste. Sie war bereits schon halb in dieses angenehme schwarze Loch gefallen, als diese Woge des Glücks plötzlich aufhörte.
Von ganz weit weg eine besorgte Stimme hörte: „Daniela, geht es dir gut?“
Sie reagierte nicht und wartete darauf, dass dieses herrliche Gefühl wieder zurückkam, wo war es denn jetzt?
Sie verstand nicht, was er weiter sagte, es hörte sich aber besorgt an. Sie wartete nur darauf, endlich wieder so zu schweben.
Seine Hände streichelten ihren Hals, ohne ihn weiter zu fixieren.
Irgendwas war anders.
Das schöne Gefühl kam leider nicht wieder. Erneut murmelte er etwas, aber sie hörte nicht hin, da sie verwirrt war.
Sie erinnerte sich an das Gefühl des Nebels um ihren Verstand, den sie gefühlt hatte. Dieser schien verschwunden zu sein. Trotzdem hatte sie den Verdacht, gerade einiges vergessen zu haben, was aber durchaus wichtig war.
Was sie noch wusste war, dass sie sich eingebildet hatte, er würde Blut von ihr saugen, ein kleines Vampir- Rollenspiel seinerseits. Und dass es ihr unheimlich gefallen und sie im Ektase versetzt hatte.
Aber da war doch noch mehr gewesen, oder nicht?
Was war nur mit ihr los?
Sie spürte nun seine Hände zu ihrem Hinterkopf wandern und er nestelte an ihrer Binde. Langsam und vorsichtig schob er den Stoff nach oben. Nach kurzer Zeit war sie so von ihrer Binde samt Pads befreit.
Unsicher öffnete sie die Augen, die sie bisher auch unter der Maske geschlossen gehalten hatte. Mit verkniffenen Augen blinzelte sie ihm entgegen.
Im Schlafzimmer war es ziemlich dunkel, allerdings verbreitete eine Stehlampe gegenüber in der linken Ecke genug Licht, um ihn erkennen zu können.
Sie überlegte ob diese schon vorher an gewesen war, aber irgendwie schien alles so unwirklich und so konnte sich nicht daran erinnern.
„Alles in Ordnung?“ fragte er besorgt.
Sie nickte vorsichtig und wollte etwas sagen. Statt einer Antwort kam jedoch nur ein trockenes Husten aus ihrem Rachen.
„Vorsichtig. Warte, ich hole dir etwas zu trinken. Bleib liegen“. Rasch sprang er vom Bett und die Matratze wippte kurz rauf und runter.
Er verließ den Raum. Da er die Türe einen großen Spalt offen ließ und im Nebenzimmer das Licht anschaltete, war es nun im Schlafzimmer heller als zuvor.
Daniela hatte den Eindruck, dass die aus Rücksichtnahme auf sie sie geschah. Sie seufzte kurz auf und schloss kurz die Augen.
„Blieb liegen“ wiederholte sie leise seine Worte und hätte fast aufgelacht. Offensichtlich war er sich der Ironie nicht bewusst. Wie hätte sie denn aufstehen sollen? Eine Entfesselungskünstlerin war sie schließlich nicht.
Sie hörte ihn in der Wohnung herumlaufen und irgendetwas wurde geöffnet und wieder geschlossen. Es klang wie ein Kühlschrank.
Nun hörte man ihn reden, er schien zu fluchen. War das eine andere Sprache, in der er sprach?
Erneut ein Öffnen und Zuschlagen, diesmal wohl von einem Schrank.
Oh Mann, was für ein Tag oder besser eine Nacht. Sie verstand nicht, was mit ihr geschehen war oder was überhaupt mit ihr los war.
Ein Wasserhahn wurde aufgedreht. Kurz darauf näherten sich seine Schritte.
Sie war unendlich müde und musste sich geradezu zwingen, die Augen zu öffnen.
Lächelnd kam er ihr entgegen, mit einem Glas in der Hand. Er kniete neben sie auf die Matratze und schob die linke Hand unter ihren Kopf. Vorsichtig hob er ihn an und hielt ihr mit der anderen Hand das Glas hin.
„Hier, trink das. Dann wird es dir gleich besser gehen. Ich habe leider im Moment nichts Besseres da, aber das hier tut es auch fürs erste“.
Wie bei einem kleinen Kind schob er ihr den Rand des Glases an ihren Mund und zwang sie, einige Schlucke zu trinken.
Als er kurz absetzte, meinte sie verwirrt: „Willst du mich nicht wieder entfesseln und mich befreien?“
„Wenn du möchtest, werde ich das tun. Aber wir sind eigentlich noch nicht fertig“.
Verständnislos blickte sie ihn an. „Willst du weiterhin Vampir spielen?“
Er lachte kurz auf. „Nein, keine Sorge. Ich fürchte, ich war etwas zu heftig bei der Sache“.
Sie lachte nun ebenfalls und meinte scherzend: „Hoffentlich hast du mir nicht zu viel Blut abgenommen, du kleiner Vampir“.
Er antwortete nicht sofort, sondern sah sie mit ernstem und besorgten Blick an. Was er genau dachte, verriet er nicht. Schließlich ging er aber auf ihr scherzhaftes Spiel ein und antwortete: „Ich denke nicht, mehr als ein halber Liter dürfte es eigentlich nicht gewesen sein. Allerdings habe ich vielleicht schlecht aufgepasst und es war doch etwas mehr“.
Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und meinte lachend „Wir sind schon verrückt, wir zwei“.
„Trink noch ein wenig. Geht es dir schon besser?“ wechselte er abrupt das Thema und nötigte sie, weiter zu trinken. Es war offensichtlich, dass er diese Vampirfantasie weitaus weniger spaßig fand als sie.
Er schien sich stattdessen ernsthaft Sorgen um sie zu machen. Immer und immer wieder hielt er ihr das Glas hin.
Es war Wasser, aber es hatte einen leichten Beigeschmack, so dass sie vermutete, dass er etwas hinzugefügt hatte. Und es schien tatsächlich zu helfen, die Benommenheit war schon deutlich weniger geworden. „Ja, ein wenig. Was ist das?“
„Ein Kreislaufmittel“ behauptete er. „Keine Angst, absolut unschädlich“.
„Es tut mir leid, dass ich fast die Besinnung verloren habe“ seufzte sie. „Ich verstehe nicht, warum das passiert ist, aber jetzt habe ich alles verdorben“.
„Hast du nicht“ widersprach er. „Es war meine Schuld, ich habe dich zu heftig rangenommen“.
„So oder so, die Stimmung ist weg“ erklärte sie. „Es tut mir leid“.
Michael streichelte sanft ihre Wange. „Keine Sorge, die kommt sicher wieder“.
Sie betrachtete ihn unwillkürlich genauer, schließlich war es ja jetzt durch den Lichteinfall heller als zuvor.
Wie hatte sie vorhin meinen können, er sei etwas blass um die Nase? Seine Backen waren leicht gerötet und auch sonst hatte er eine sehr gesunde Gesichtsfarbe, soweit man das bei diesem Licht sagen konnte. Und seine Augen strahlten geradezu.
Er wirkte ganz im Gegenteil wie das blühende Leben und schien ihr irgendwie stärker als zuvor zu sein, präsenter. Wie hatte sie sich nur so täuschen können?
„Was machen wir jetzt?“ wollte sie wissen.
„Wie meinst du das?“
„Willst du mich jetzt hier ewig wie ein verschnürtes Paket liegenlassen und warten, bis ich aus heiterem Himmel wieder in Stimmung komme? Das wird nicht funktionieren, Michael“.
„Wir werden sehen. Trink erst mal dein Glas leer“. Auffordernd hielt er das Gefäß abermals an ihre Lippen und ließ nicht ab, bis sie es ganz ausgetrunken hatte.
„So ist es gut“ erklärte er zufrieden. „Jetzt geht es dir besser, oder?“
„Ja“ nickte sie. Es war tatsächlich so. Was er auch immer ihr gegeben war, es half sehr gut und sie spürte im Moment keinen Schwindel oder Benommenheit mehr. „Ich denke, ich kann wieder aufstehen. Bindest du mich jetzt endlich wieder los?“
„Du solltest noch ein wenig liegenbleiben“ widersprach er. „Schließlich hast du eine Belohnung verdient und noch nicht bekommen“.
„Ich weiß nicht, was du meinst. Manchmal sprichst du in Rätseln, Michael“.
„Ja ich weiß“ antwortete er ein wenig zerknirscht und betrachtete sie seltsam.
Sie wandte ihr Gesicht auf einmal von ihm ab. Nicht wegen seiner Antwort, sondern weil plötzlich ihr Herz wieder zu stolpern begann. Gleichzeitig bemerkte sie das bekannte, sehnsuchtsvolle Pochen.
Das war jetzt aber nicht wahr, oder? Sie war gerade fast in Ohnmacht gefallen und kaum war sie wieder einigermaßen bei Sinnen, spielte ihre Libido wieder verrückt?
Ihr Verstand und die Reaktionen ihres Körpers passten im Moment alles andere als zusammen.
„Ist das wirklich so wichtig, Daniela?“ flüsterte er heiser in ihr Ohr. „Dass du mich immer vollkommen verstehst? Dass du immer alles verstehst, was gerade mit dir passiert?“