„Welche Macht kann die Liebe bezwingen und den Fluch brechen?“
Vor langer Zeit, da waren die Gefühle die Götter dieser Welt.
Mut und Trauer waren ihre Eltern, und sie herrschten Seite an Seite, während ihre Kinder - Liebe, Hass, Angst, Neid, Freundschaft und Humor - Welten erschufen.
Jedes Kind erschuf nur eine Welt. Eine Welt voller Liebe. Eine Welt voller Hass. Eine Welt voller Angst und eine Welt voller Neid. Eine Welt voller Freundschaft und eine Welt voller Witz. Es waren kleine Welten, nichts im Vergleich zu den Wundern, die Mut und Trauer bereits erschaffen hatten. Doch die Eltern belächelten die Kreativität ihrer Kinder wohlwollend.
Blind für die Gefahr.
Neid begann es: Ein Wettstreit entbrannte unter den Geschwistern. Jedes wollte die schönste und größte Welt besitzen. Ihre Möglichkeiten waren begrenzt, doch sie arbeiteten Tag und Nacht. Bald stellte sich heraus, dass Liebe und Hass die beiden größten Welten haben würden. Da gaben die anderen vier auf und sahen zu. Weiter und weiter arbeiteten Liebe und Hass, immer größer wuchsen ihre Welten, doch keine Welt wurde größer als die andere. Und sie bauten ihre Welten immer ähnlicher. Liebes Welt war ein Spiegelbild zu Hass' Welt. Der Wettstreit wurde nur noch hitziger, denn jeder warf dem anderen vor, die eigenen Ideen zu stehlen.
Und so begann der Krieg: Hass stand auf der einen, Liebe auf der anderen Seite. Die restlichen Geschwister wählten ihre Seite. Freundschaft und Freude gingen zu Liebe, Angst und Neid zu Hass. Drei gegen drei stand es, und Mut und Trauer konnten nur sorgenvoll beobachten, wie ihre Kinder sich mehr und mehr zerstritten. Längst ging es nicht mehr um ihre Welten: Es ging darum, wer stärker war: Liebe oder Hass.
Liebe oder Hass. Es wurden Waffen gezogen und Schwester kämpfte gegen Schwester, Bruder gegen Bruder. Mut und Trauer sahen zu. Die Kinder waren nicht mehr zu versöhnen, egal, wie oft Mut schimpfte und Trauer flehte. Hass und Liebe zogen gegeneinander und der Kampf wurde lang. Schlacht folgte auf Schlacht, es gab wilde Kämpfe, listige Intrigen, Lügen und Verräter. Die Welten brannten in den Flammen der Wut oder versanken in Meeren der Liebe. Ganze Landstriche wurden verwüstet; von der Schöpfung, die Mut und Trauer erschaffen hatten, blieb nichts als Asche und Staub.
Trauer zog sich zurück, als ihr Werk zerstört wurde. Mut dagegen wurde grausam und kalt. Die Kinder kämpften weiter und sahen nicht, was ihre Wüterei anrichtete. Bald lebte nichts mehr in den unzähligen Welten von Mut und Trauer - nur die sechs kleinen Welten der Kinder existierten noch.
Eine Welt aus Liebe, eine Welt aus Hass. Eine Welt aus Freundschaft, eine Welt aus Angst, eine Welt aus Neid, eine Welt aus Freude.
Und ansonsten war die Welt leer und öde. Die Waffen von Liebe und Hass zerbrachen mitten im Kampf, und als letzten Ausweg packte sich jeder zwei der kleineren Welten. Liebe griff nach den Welten von Neid und Angst, Hass nach denen von Freundschaft und Freude. Und sie warfen die Welten aufeinander.
Die kleinen Welten zerbrachen, zerplatzten und wurden zerstört. Da erst hielten die Kämpfenden inne.
Plötzlich war es leer und still um sie. Das einzige Licht kam von den beiden gleichgroße, spiegelbildlichen Welten von Liebe und Hass. Stille senkte sich über das Schlachtfeld, als den sechs Gefühlen bewusst wurde, was sie getan hatten: Sie hatten zerstört.
Und da war kein Unterschied in der Zerstörungskraft von Liebe und Hass, Angst und Freundschaft, Neid und Freude. Da war nichts, was die sechs noch unterschied.
Da verstanden sie, dass ihr Wettkampf unsinnig gewesen war, denn die Gefühle waren gleich. Zwischen Liebe und Hass zu unterscheiden, war, wie ein Tal von den Bergen zu trennen. Eines gab es nur mit dem anderen. Sie waren so stark oder so schwach wie ihr Gegenpart. Sie waren alle zerstörerisch.
Und sie konnten alle erschaffen.
Da sie sich vertragen hatten, schufen die Geschwister gemeinsam eine neue Welt. Eine Welt aus Liebe, Hass, Angst, Freundschaft, Neid und Freude. Dieses Werk war größer als jedes, dass sie zuvor erschaffen hatten. Und dieses Werk war kein Spiegelbild - es war etwas Neues. Es wurde größer und herrlicher als die Welt ihrer Eltern Mut und Trauer. Und die beiden kamen, als sie von der Versöhnung hörten, um ihren Kindern zu helfen.
Alle Gefühle gemeinsam ließen eine neue Welt entstehen, eine einzige Welt, die sich Eigenschaften aller Gefühle teilte.
Denn das Gleichgewicht von ihnen war wichtig und gut. Niemals sollte eine Welt alleine einem Gefühl gehören, denn nur gemeinsam konnten sie einander stärken und bändigen und neue Größe erreichen.
Und so schlossen die Geschwister Waffenfrieden. Nie wieder würden sie gegeneinander kämpfen, nie wieder gemeinsam zerstören. Dem Neid würde sich die Freude entgegenstellen. Freundschaft würde die Angst bändigen. Und der Liebe würde immer der Hass gegenüberstehen.
Das Gleichgewicht musste gewahrt werden. Einen Sieg von einem Gefühl durfte es nicht geben.
„Und so war weder Liebe noch Hass stärker als der andere. Und da war keine Macht, die die Liebe besiegen und den Fluch von Sean und Bellaconealy brechen konnte.“