„Zwei Zwillinge tragen das gleiche Gesicht,
Wann weiß man, mit welchem von Beiden man spricht?“
Einst liebt' ich ein Mädchen, es scheint heut' so fern,
Amalia liebt' mich, ich liebte sie mehr.
Doch war'n wir unter dem schlechtesten Stern:
Denn Aurelia neidete uns die Liebe so sehr.
Aurelia glich mir bis auf's letzte Haar,
weil sie meine Zwillingsschwester war,
Mein Haar gelb wie Feuer, ihr Haare gelb wie Gold,
Doch nur ich hatte einen Jüngling mir hold.
Amalia traf ich jed' Tag für ein Jahr,
Aurelia sah uns kommen und geh'n,
Haare wie Feuer, Goldhaar, fürwahr,
ich dachte, ich könnte den Unterschied seh'n.
Er war mein Traum, so schön vom ersten Tag,
er vereinte, was ich an Menschen so mag,
Und nichts war größer als diese Qual,
als ich ihn an der Seite einer anderen sah.
Nicht nur für den Unterschied war ich blind,
ich übersah auch den Hass, der da schwelte.
Dumm und naiv, ein spielendes Kind,
nicht kannt' ich das Los, das ich wählte.
Ein' Tag, da blieb mein Liebster mir weit,
Ich weinte und sorgte um unsere zukünftig' Zeit,
Er kehrte zurück und fragt' unbedacht,
wir hätten den Tag doch gemeinsam verbracht?
Mit Zwillingen hat' ich ein schweres Los,
Nicht nur, weil sie sich so ähnlich.
Der Neid und der Hass zwischen diesen war groß,
Er wuchs und wuchs nun allmählich.
Im Schatten der Schwester seit dem ersten Tag,
Der Grund, warum keine die andere mag,
Jetzt hieß es für Amalia, bald kommt das Glück.
Und für Aurelia hieß es, du bleibst zurück.
Tag für Tag wurd' es nur schlimmer:
Es folgte Lüge auf Täuschung auf Trick.
Bald hatte ich nicht den blassesten Schimmer,
in welcher Schwester Augen ich blick'.
Zwillinge teilen mehr als das Gesicht,
nur für uns beide galt das wohl nicht.
Aurelia war böse, voll Hinterlist und Neid,
Das wurde der wahren Liebe Leid.
Mit Amalia erdachte ich Plan um Plan,
wie wir Aurelias Treiben gegen sie wenden.
Es wurde zu Paranoia und Wahn,
Genug wohl, um schwächere Liebe zu enden.
Doch obwohl wir einander von Stund an hassen,
konnten wir doch einander nicht lassen.
Ich wollte nicht ohne die Schwester sein,
doch Liebe und Familie, das wollte nicht sein.
Doch blieben wir gemeinsam noch stark,
da muss Aurelia verzweifelt sein.
Es traf die Angst vor Verlust sie ins Mark,
Sie traf sich mit Amalia zum Wandern allein.
Ein Tag wie jeder, an dem es geschah,
ich wusst' nicht, dass es mein letzter war.
Ich ging mit Aurelia lachend am Meer,
doch zurück kam ich dieses Mal nimmer-mehr.
Ihr totes Gesicht, ich wusste sofort:
Mein Leben endet mit ihr in der Flut.
Sie zog mir voraus an besseren Ort,
mir blieb nur der Liebe erloschene Glut.
Ich wollte nie wieder die Einsamkeit,
Ein Leben lang waren wir beide zu zweit.
Doch wollte Amalia mich wirklich verlassen,
dann nur auf den unbeschreitbaren Gassen.
Und Tags darauf sah ich in die Flut,
zerrissen von Trauer, zerrissen von Schmerz.
Gekettet ans Kreuz, und atmend in Blut,
im Sturme schlug ihr's neben meinem Herz.
„Zwillinge tragen das gleiche Gesicht,
wer weiß, wann Welche von Beiden spricht?“