nachgeschrieben am 16.01.20 von 8:00 bis 08:45
»Jetzt hab dich nicht so, David! Sie ist deine Oma!«
Und? Ich hab sie das letzte Mal gesehen, als ich fünf Jahre alt war. Scharf auf ein Wiedersehen war ich nicht, schließlich erinnerte ich mich noch gut an die ganzen Backpfeifen, die sie mir gegeben hatte. Immer dann, wenn ich ihr zu vorlaut gewesen war und nicht nach ihrer Pfeife tanzte.
»Ist ja schön, wenn du auf diesen Besuch abfährst, aber ich nicht. Ich bleibe hier.«
In meinem Zimmer, das ich sogar abschließen konnte, wenn mir zu Ohren kam, dass sich die alte Krähe die Treppen hochkämpfte.
Ich verstand nicht, warum Mama nach all den Jahren so erpicht auf diesen Besuch war. Oma behandelte sie wie Luft und nicht wie die Frau ihres Sohnes. Ich würde mein letztes Taschengeld darauf verwetten, dass sie sich nur angekündigt hatte, weil Papa ihr was hinterlassen haben könnte.
Sie verdiente keinen Cent für ihr Benehmen uns gegenüber. Eher sollten wir Kohle dafür bekommen, dass Mama so ein Gutmensch war und Oma hier bleiben durfte, bis das mit dem Testament geklärt war. Je schneller das ging, umso schneller waren wir sie los.
Papa hätte das sicher auch so gesehen ... aber der wollte unbedingt, dass seine Mutter zur Testamentseröffnung erschien. Ich verstand das nicht, doch er wird sich was bei gedacht haben. Wie immer.
Ich wünschte nur, dass Oma längst unter der Erde lag. Konnte sie nicht mit Papa tauschen? Niemand würde sie vermissen, doch Mama und ich ... wir vermissten Papa.