nachgeschrieben am 24.02.20 von 16:30 bis 17:30
Ferdor erklomm als einer der wenigen verbliebenen Ritter den Hügel, auf dem sich sein Herr nach der Schlacht zurückgezogen hatte. Er überblickte auf dem Weg das Schlachtfeld zu seinen Füßen, über dem die Krähen ihre Kreise zogen und sich vereinzelt noch Männer auf der Suche nach überlebenden Freunden oder gar Verwandten machten.
Trotz des Sieges fühlte er sich nicht vom Triumph berauscht, sondern todmüde, aber er hielt sich weiterhin auf den Beinen, um seinem Herren beizustehen. Der jedoch hatte sich am Morgengrauen von seinen Männern getrennt, um den höchstgelegenen Ort zu besteigen.
Dunkle Ringe unter den Augen schaute sein Herr zum Horizont, das Schwert auf dem Schoße.
»Ich habe Euch Wasser und etwas zu essen gebracht.«
Er legte alles neben seinem Herrn ab, ehe er sich in einiger Entfernung hinkniete. Auch hier oben war der Boden mit Blut getränkt, stellte er mit einem leisen Seufzen fest.
»Ist alles in Ordnung?«, erkundigte er sich, obwohl er die Antwort bereits kannte, denn sein Herr gehörte nicht zu jenen Männern, die sich von ihren Rittern abwandten. Seinen Kummer ertrank er viel lieber mit seinen Leuten in Bier und Wein, und im Schoße eines willigen Weibes.
»Wie könnte es, Ferdor?«, antwortete sein Herr nach langem Schweigen, »Wir gewannen diese Schlacht, doch ich empfinde darüber keine Freude. So viele sind gefallen ... ich sollte betrübt sein, nicht wahr? Ich bin nicht traurig. Ich fühle gar nichts. Nichts. Bin innerlich wie tot, und weiß mir nicht zu helfen. Jetzt sitze ich hier, um eine Antwort zu finden, doch ...«
»Ich verstehe.«
Mehr sagte Ferdor nicht, als er näher an seinen Herren heranrückte, um diesem eine Hand auf die Schulter zu legen.
»Wenn Ihr noch hierbleiben wollt, bleibe ich bei Euch.«
Auf den Lippen seines Herren trat ein winziges Lächeln.
»Warum? Du solltest zu deiner Familie zurückkehren, damit sie sehen, dass es dir gut geht.«
»Euer Wohlbefinden liegt mir mehr am Herzen«, entgegnete Ferdor, der sich sicher war, dass es daheim niemanden kümmerte, ob er die Schlacht überlebt hatte. Ihm lag auch nichts an der Zuneigung seiner Eltern. Die seines Herren dagegen bedeutete ihm etwas, seit er in dessen Dienste getreten war.