Prompt vom 15.03., nachgeschrieben am 15.05. von 19:20 bis 20:20
Baut auf meinen Beitrag zu »Sieben Minuten« auf
»Ich hoffe, du weißt dich zu benehmen. Es geht hier immerhin um den Hochzeitstag des Mannes, von dem du sagst, dass du ihn liebst.«
Jack bemühte sich um eine teilnahmslose Miene, bevor er das weiße Kärtchen aus seiner Jackentasche zog und sich die dort niedergeschriebenen Worte noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Nachdem Peter ihm Monat für Monat die kalte Schulter zeigte und seinen besten Freund Oliver vorschob, hätte er unter keinen Umständen mit einer Einladung zur Hochzeit gerechnet. Schon gar nicht nach seinem plötzlichen Erscheinen auf der Verlobungsfeier, wo es wieder einmal Oliver gewesen war, der sich seiner annahm.
Oliver.
Jack dachte ungern an den Mann. Wenn er das tat, kehrte die Erinnerung ans köstlichste Blut zurück, das der Vampir nach langer Zeit zu sich genommen hatte. Es holte das schier unstillbare Verlangen danach an die Oberfläche, dass er beinahe die Reise nach London antrat, nur um einen einzigen Tropfen auf der Zunge zu spüren. Er wusste, wie er es bei Oliver anstellen musste. Zu seinem Leidwesen schien die bloße Anwesenheit auszureichen, um den Mann aufzuwühlen.
Er wünschte sich, dass Peter mal so auf ihn reagierte wie sein bester Freund. Er wusste aber auch, dass es wohl bloß auf Wunschdenken hinauslief. Peter war glücklich. Zufrieden in der Beziehung mit einer Frau, die er zu heiraten gedachte.
Jack könnte vor lauter Hilflosigkeit kotzen. Sich das Leben zu nehmen, noch einmal, kam nicht in Frage. Er hatte einen letzten Funken Stolz in sich. Es war ja seine eigene Schuld, dass er sich in Peter verguckt hatte und selbst bei dem Vorschlag, dass sie beide die Ewigkeit miteinander teilen könnten, einen Korb kassierte.
»Was finden Menschen bloß an der Ehe? Bis das der Tod uns scheidet ...«
Jack grauste es allein beim Gedanken, dass Peter diesen Weg mit Leichtigkeit beging. Was waren schon zehn oder zwanzig Jahre, wenn man die Unendlichkeit an Tagen hätte?
Sein Mentor Llew, ebenfalls ein Vampir, der hin und wieder eine Beziehung mit Menschen bis zu ihrem Lebensende einging, nippte ohne ein Wort an seinem Glas Wein. Gerade bei einem Mann wie Llew hatte Jack sich eine Erklärung dazu erhofft. Es stimmte ihn missmutig, dass der Ältere schwieg.
»Sterblichkeit lässt die Menschen in einem völlig anderen Licht erstrahlen«, meldete sich Llew doch zu Wort, ohne dass Jack den Sinn darin verstand. Für ihn sahen sie alle gleich aus. Mit Ausnahme von Peter, und Oliver.
»Ich bin ja so froh, dass du mich an deiner Weisheit teilnehmen lässt. Noch einen letzten Rat, bevor ich aufbreche?«
Es war bereits nach Mitternacht, was an sich kein Problem darstellte. Er würde die Nacht hindurchfahren und im Morgengrauen Unterschlupf bei seiner Familie suchen, bis er sich auf dem Weg zur Hochzeit machte.
»Nur, dass es für dich eine Bewährungsprobe ist und ich dir viel Glück dabei wünsche, nicht erneut über den Trauzeugen herzufallen.«
Jack war sich nicht sicher, ob er belustigt oder verärgert sein sollte. Er brauchte etwas mehr als das, wie eine Zusicherung, dass er hier in Llews Heim willkommen war, wenn er auf der Hochzeit Mist baute. Die Chancen dafür standen immerhin recht gut. Er war sich relativ sicher, dass er in das gleiche Fettnäpfchen wie immer treten würde: früher oder später von Olivers Blut kosten, der es ihm bereitwillig anbot. Er konnte gar nicht anders.