Rove griff nach ihrer Tasse, fühlte beim Anheben sofort, dass sie leer sein musste, prüfte trotzdem kurz mit einem Blick und stellte die Tasse letztendlich enttäuscht zurück. Sie könnte jetzt aufstehen und sich noch einen Kaffee holen, doch das müsste noch ein paar Absätze warten.
…sind grundsätzlich anderen Arten in Stärke, Geschwindigkeit und Sinnen überlegen, oftmals auch magisch stark begabt…
Hinter ihr tönte das Mahlwerk der Kaffeemaschine und riss sie erneut aus dem Text. Der Gemeinschaftsraum war nicht immer der beste Ort, um Nachforschungen anzustellen und konzentriert zu arbeiten, doch manchmal brauchte sie die Gesellschaft, auch wenn sie dabei mit niemandem direkt in Kontakt treten würde.
Rove versuchte das Geräusch auszublenden und begann, den Absatz erneut zu lesen, als das Mahlwerk ein zweites Mal ertönte und die Stille unwirsch durchbrach. Angespannt biss sie die Zähne aufeinander, beugte sich tiefer über den Tisch, doch sie war mittlerweile schon zu weit vom Inhalt des Textes entfernt und hörte zu allem Übel sich nähernde Schritte, die unmittelbar hinter ihr verstummten.
Seufzend legte sie das Buch neben die anderen Unterlagen auf dem Tisch ab und rutschte in ihrem Stuhl herum. Hinter ihr stand Araz, der mit unverhohlener Neugier über ihre Schultern auf das Buch hinunter stierte. Als er den Inhalt erkannte, legte sich ein ebenso unverblümtes Grinsen über sein Gesicht.
„Recherche über Dämonen?“
Rove erwiderte seinen Blick mit hochgezogenen Brauen, sagte aber nichts.
„Darf ich?“, fragte er und deutete auf das Buch, das noch immer aufgeschlagen vor ihr lag.
Sie zuckte mit den Schultern und ließ ihn näher treten, beobachtete, wie er durch einige Seiten blätterte, die Zeilen überflog und sich sein Gesicht beim Lesen immer wieder veränderte. Seine Mundwinkel zuckten beim Lesen, ein paar Mal runzelte er kurz die Stirn, bevor er mit hochgezogenen Brauen wieder zu Rove sah.
„Enttäuscht?“, fragte Rove, während Araz einen Schritt zurück trat.
„Ein bisschen“, antwortete er und nippte an seinem Kaffee, während er ein paar der Zeilen aus der Ferne überflog und den Blick über einzelne Bilder schweifen ließ, die zwischen den ausgebreiteten Unterlagen herauslugten. „Du kannst auch einfach fragen, wenn dich etwas interessiert“, meinte er schließlich mit einem Blick, den Rove zunächst nicht deuten konnte.
„Wieso enttäuscht?“, hakte Rove nach, ohne auf den vorigen Kommentar einzugehen.
„Da fehlen einige Informationen“, meinte er knapp und nippte erneut an seinem Kaffee. Ein gefährliches Blitzen lag in seinen Augen.
„Ach ja?“, fragte Rove mit gehobenen Brauen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und ließ sich tiefer in die Stuhllehne sinken. „Was denn zum Beispiel?“
„Was für leidenschaftliche Liebhaber Dämonen sind.“
Mit einer so plumpen Direktheit hatte Rove nicht gerechnet. Damit war auch der merkwürdige Blick erklärt, mit der er sie immer noch musterte. Meinte er das ernst? Versuchte er mit ihr zu flirten? Sollte das tatsächlich zu irgendeinem Ziel führen? Oder wollte er sie nur provozieren?
Das Funkeln in Araz‘ Augen erlosch auch nicht, als Rove keine Antwort gab. Die junge Frau ließ sich keine Reaktion anmerken, erwiderte nur stumm seinen Blick, bis sich schließlich ihre Lippen zu einem schmalen Lächeln verzogen und es auch in ihren Augen gefährlich zu funkeln begann.
„Mhm?“, meinte sie und lehnte sich ein Stück weiter nach vorne. „Und das soll ich dir glauben?“
Ohne den Blickkontakt abzubrechen, zuckte er mit den Schultern und das kaum merkliche Schmunzeln wurde ein Stück größer. „Es ist die Wahrheit.“
„Davon steht wirklich nichts in den Aufzeichnungen.“
„Hm“, summte Araz und musterte Rove noch immer.
„Hmm…“, machte auch Rove und hob ihr Kinn. „Da es keine Aufzeichnungen gibt, die das Belegen, muss ich mich wohl selbst davon überzeugen“.
Irgendetwas verrutschte in seinem Gesicht und sie könnte schwören, dass sie ihn überrascht hatte, auch wenn er sich alle Mühe gab, sich nichts anmerken zu lassen. Doch die Verwirrung hielt nicht lange an. Stattdessen wurde das Schmunzeln zu einem triumphierenden Lächeln.
Moment, dachte er jetzt…? Rove fühlte ihr eigenes Herz abrutschen, bemüht, ihre Haltung zu wahren. Sie war geübt darin, sich unbeeindruckt zu geben, doch das hier war kein Kampf, kein Einsatz und er war nicht ihr Feind, sondern… ein Freund? Mittlerweile?
Erneut entstand eine kurze Stille, die gerade als Araz Luft holte um zu antworten, von einer anderen Person, die den Raum betrat, unterbrochen wurde.
„Araz“, schellte es durch den Raum, obwohl sich die Person noch im Türrahmen befinden musste.
Sowohl Araz als auch Rove lenkten ihre Blicke zur Tür und musterten die junge Frau, die darin stand. „Samuel will dich sehen. Sofort.“
Das Lächeln aus Araz‘ Gesicht war mit einem Mal verschwunden. Seine Lippen pressten dicht aufeinander und Rove konnte seine Kiefermuskeln arbeiten sehen.
„Ich würde ihn nicht warten lassen“, meinte Rove knapp und nickte Richtung Tür. Araz brummte daraufhin etwas Unverständliches und setzte sich in Bewegung.
Seufzend wandte sich Rove wieder ihren Unterlagen zu, als die beiden den Raum verlassen hatten. Nun war sie so weit aus ihrer Arbeit herausgerissen, dass sie auch gleich aufstehen und sich einen frischen Kaffee holen konnte. Doch als sie nach ihrer Kaffeetasse griff, war sie überrascht, wie warm sich diese plötzlich anfühlte. Sie hob den Blick und bemerkte erst jetzt, dass ihre Tasse wieder aufgefüllt worden war. Wann, wer…? Die Kaffeemaschine, das Mahlwerk war zweimal gelaufen.