Die Nacht war kühl und ruhig, wirkte beinahe leblos. Seine Schicht versprach heute wieder unspektakulär zu werden. Schon die fünfte Nacht in folge, ohne das etwas passierte.
Umso besser, dachte Malik und griff nach der Papiertüte mit den Süßstückchen, die er am Morgen bereits vom Bäcker geholt hatte. Der dicke Zuckerguss blieb sofort auf seinen Fingern haften, während sich der süße Duft von Zucker, Zimt und Früchten langsam aus der Tüte stahl und in seine Nase drang. Herrlich. Er konnte es schon fast auf der Zunge schmecken.
„Faulkner wird dir wieder die Hölle heiß machen, wenn sie mitbekommt, was du hier machst“, brummte Brents Stimme durch die Nacht.
Wirklich? Er gönnte ihm nicht einmal den ersten Bissen?
Für einen Moment verharrte Malik in der Bewegung, das Süßgebäck schon vor dem noch offenen Mund, während er überlegte. Und letztendlich doch abbiss und sich die Süße auf der Zunge zergehen ließ.
„Möchtest du auch eins?“, fragte er, statt auf Brents Kommentar einzugehen. „Ich habe genug dabei.“
„Ich weiß“, brummte Brent und Malik hörte, wie er einige Schritte umher trat, die Umgebung überprüfte und letztendlich Malik entgegen kam.
„Wie oft hat sie dich schon zum Zahnarzt geschickt?“
„Hey, es ist schon lange her, seit ich zur Behandlung musste“, verteidigte sich Malik, während er gleichzeitig mit dem Zucker auf seinen Fangzähnen kämpfte. So sehr er den Geschmack auch liebte, wenn er so klebte, war das durchaus unangenehm. Aber immerhin stach ihm der Zucker nicht mehr in die Nerven.
Malik konnte hören, wie Brent den Kopf schüttelte und den letzten Abstand zwischen ihnen beiden überquerte. „Ich sollte dir besser die ganze Tüte abnehmen.“
„Du kannst mir ein Stück abnehmen, mehr nicht“, erwiderte Malik etwas schärfer, als beabsichtigt und ballte die Faust um die Papiertüte etwas fester.
„Du hast ein Problem, Malik“, kommentierte Brent unbeeindruckt und trat einen Schritt an Malik vorbei.
Ohne auf Brents Kommentar einzugehen, biss Malik ein weiteres Stück ab, möglichst groß, um das Süßstück zu verschlingen, bevor Brent sich überlegte, es ihm doch abzunehmen.
„Ich habe gehört, dass dieses Problem bei fast allen Smillon besteht. Vielleicht solltest du das wirklich etwas ernster nehmen“, ergänzte Brent mit einem etwas ernsteren Unterton. Und ein wenig Sorge in der Stimme.
Ja, Brent hatte Recht mit dem, was er sagte. Doch welchen Schaden erlitt Malik schon, wenn er sich gelegentlich etwas Süßes gönnte? Was konnte er denn schon dafür, dass die Smillon mit einer Vorliebe für Zucker geschaffen worden waren? Ein kleiner Defekt bei der Verspleißung verschiedener DNA, aber nichts, was ihm wirklich gefährlich werden konnte. Bis auf das eine oder andere Loch in seinen Zähnen, dass über die Zeit hatte geflickt werden müssen, war diese Sucht im Vergleich zu anderen doch nicht der Rede wert. Und mittlerweile hatte er es auch besser im Griff, sich ordentlich um sein Gebiss zu kümmern. Sein letzter Zahnarztbesuch, der dem Zucker geschuldet war, lag schon fast ein Jahr zurück. Und ein Zuckerschock… im Gegensatz zu anderen musste ihm das nur ein einziges Mal passieren, bevor er gelernt hatte, wo seine Grenze lag.
Wieder hörte er, wie Brent nur den Kopf schüttelte und erneut seine kurze Runde über das Dach abging. „Ich sehe rein gar nichts“, brummte er dabei vor sich hin. „Hörst du irgendwas?“
Malik schüttelte den Kopf, spannte die etwas breiteren, spitz zulaufenden Ohren dann aber doch noch einmal weiter auf. Sie waren zwar nicht allzu beweglich, erfüllten aber ihren Zweck und lieferten ihm ein Bild der Umgebung, das angeblich sogar das jener Lebewesen, die stärkere Augen hatten als er, überschreiten sollte. Menschen brauchten sogar spezielle Geräte oder kybernetische Implantate, um in der Nacht sehen zu können, da ihre Augen Licht brauchten, um zu sehen. Für Malik machte es keinen Unterschied, ob die Umgebung hell oder dunkel war. Seine Augen nützten ihm nicht viel. Dafür hatte er seine Ohren. Doch wie Brent schon festgestellt hatte, war immer noch alles ruhig. In der Ferne waren einzelne Leute zu hören, doch sie befanden sich außerhalb des zu bewachenden Gebiets und der Inhalt ihrer Unterhaltungen ließ auf keiner Weise auf etwas verdächtiges schließen.