Edit: Anbei mein erster Versuch einer Vorlesung. Wirklich, der erste Versuch. Erfordert sicherlich noch einiges an Übung. Wer weiß, ob ich das weiter verfolgen möchte...
„Also… was kannst du nun alles? Irgendwelche magischen Tricks?“ Ihre großen Augen bohrten sich tief in seine. Sie lehnte sich ein Stück nach vorne, die Unterarme über der Tischplatte überkreuzt.
„Zaubern?“, fragte er stirnrunzelnd. „Wie kommst du denn darauf? Ich bin kein Magier.“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich habe gehört, dass manche von euch das können sollen. Natürlich nicht wie ein Magier oder ein Begabter. Aber ein paar Tricks, die damit vergleichbar wären?“
Araz seufzte und verschränkte seine Arme vor der Brust. „Nein, nicht wirklich.“
„Ach komm schon“, beharrte sie weiter, „selbst Vampire können Fähigkeiten haben.“
„Warum bist du so neugierig?“
Naomi zuckte mit den Schultern, doch ihr Blick verharrte stur auf ihm.
Wieder seufzte Araz und ließ sich in die Stuhllehne sinken. „Naja, ich kann das hier“, meinte er knapp und ließ seine tiefschwarzen Augen für einen Moment glutrot aufleuchten.
„Pfft“, schnaubte Naomi und hob beide Brauen. „Das ist doch lächerlich. Ist das wirklich alles?“
Araz mustere sie mit zusammengekniffenen, wieder pechschwarzen Augen. „Dafür, dass du noch so frisch in dieser Welt lebst, bist du ganz schön frech.“
Naomi richtete sich auf und rückte ein Stück näher an den Tisch. „So neu bin ich gar nicht mehr. Ich habe schon viel gelernt.“
„Ach ja?“, meinte Araz mit gehobenen Brauen. „Du bist doch eine Fee. Wieso zeigst du mir nicht einen Zaubertrick?“
„Nein, nein, nein. Versuch nicht, den Spieß umzudrehen.“ Naomi schüttelte vehement ihren kurzen Lockenschopf. „Wenn wir fortan in einem Team arbeiten sollen, will ich wissen, was auf mich zukommt.“
Ah, daher wehte der Wind. Ein schiefes Lächeln legte sich über Araz‘ Lippen. „Du hast doch keine Angst vor mir, oder?“
Entrüstet ballte die junge Fee ihre zarten Hände zu kleinen Fäusten. „Nein, auf keinen - … vielleicht ein bisschen.“ Die letzten Worte waren nicht einmal mehr halb so laut, wie der Beginn ihrer Antwort. Araz‘ Lächeln wurde ein kleines Stück breiter.
„Keine Sorge, kleine Fee. Wir sind im selben Team. Das heißt, wir müssen keine Angst voreinander haben“, meinte er schließlich.
Argwöhnisch schnellte eine ihrer Brauen in die Höhe. „Willst du damit etwa behaupten, du hättest auch Angst vor mir?“
„Nicht doch“, meinte Araz und konnte sich ein kurzes Lachen nicht verkneifen. „Einen guten, gesunden Respekt würde ich es eher nennen.“
Für einen Moment veränderte sich Naomis Gesicht nicht. Erst, als sie begriff, dass er es ernst meinte, entspannte sie sich etwas und der Argwohn wurde durch Erstaunen ersetzt. „Aber, du bist…“
Araz schüttelte den Kopf. „Und? Eine Fee ist nicht zu unterschätzen, wie unerfahren sie auch sein mag.“
Naomi wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Mit einer solchen Reaktion hatte sie nicht gerechnet. Für einen Moment breitete sich eine Stille aus, die Naomi für einen Moment nervös in ihrem Stuhl herumrutschen ließ. Doch wider Erwartens war sein Blick auf ihr alles andere als unangenehm, sondern aufmerksam und geduldig.
Sie wusste immer noch nicht, was sie sagen sollte. Stattdessen musterte sie ihn etwas eindringlicher, wollte irgendetwas finden, dass ihre schwindenden Zweifel bestätigte. Doch in seinen großen, schwarzen Augen ließ sich nichts Zweifelhaftes entdecken. Selbst das Lächeln auf den elegant geschwungenen Lippen wirkte ehrlich, keineswegs gehässig. Ihr Blick wanderte hinunter zu den schwarzen Linien, die sich aus dem Tattoo seiner Kehle über sein Kinn zogen und kurz unter der Unterlippe endeten, wieder hinauf über seinen Mund, die markanten Wangenknochen, zu seinen dunklen, einnehmenden Augen. Das kurze, zerzauste schwarze Haar stand ihm gut. Nicht das erste Mal fiel ihr auf, dass Araz ein gutaussehender junger Mann war. Er erinnerte sie ein wenig an Damian…
„Naomi?“
Araz Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie konnte förmlich spüren, wie sich ihre Wangen röteten. „Tut mir Leid… ich…“ Sie traute sich nicht mehr, ihn wieder anzusehen. Doch das schiefe Grinsen auf seinem Gesicht hatte sie noch erkennen können, als sie den Kopf zur Seite gedreht hatte. Wie peinlich… Er denkt doch nicht etwa…?!
Leise lachend erhob sich Araz von seinem Stuhl. „Keine Sorge. Meiner magischen Wirkung kann sich kaum jemand entziehen“, meinte er zwinkernd, bevor er den Gemeinschaftsraum verließ.
Mit nun hochrotem Kopf war Naomi noch immer, oder wieder, unfähig zu reagieren. Sie wusste nicht, ob sie sich erleichtert, wütend oder peinlich berührt fühlen sollte.