Das verfluchte Gerät sträubte sich noch immer, Rayyas Willen zu gehorchen. Wie sie vor einigen Minuten noch zitternd gefroren hatte, wurde es nun langsam aber sicher unerträglich warm.
"Rayya, ist alles in Ordnung bei dir? Soll ich dir helfen?", vernahm sie die Stimme ihres Kollegen hinter sich. Seufzend lehnte sie sich zurück und wischte sich die Schweißtropfen von der Stirn.
"Ich habe keine Ahnung, warum es immer noch nicht funktioniert. Ich habe die Einstellungen geändert und den Apparat noch einmal zerlegt und wieder zusammengebaut. Fehler konnte ich keine finden, aber es spinnt immer noch."
"Wie lange brütest du jetzt schon darüber?"
Rayya seufzte erneut und zuckte mit den Schultern. "Viel zu lange."
"Lass mich mal einen Blick darauf werfen. Aber zuerst musst du kurz mitkommen", meinte er mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
"Nicht jetzt, der Raum hier sollte schon vor zwei Stunden fertig sein-"
"Jetzt komm schon. Die paar Minuten kann es noch warten. Im Moment interessiert es sowieso keinen, wann es fertig wird."
"Erzähl das mal dem Aufseher, der wird-"
Darrinn schüttelte vehement den schwarzen Schopf. "Du hast echt noch nichts mitbekommen, oder?"
Rayya runzelte fragend die Stirn. "Wovon bitte? Ich sitze hier schon seit drei Stunden und kümmere mich ganz alleine um diesen Container. Hätte nicht schon längst jemand zum Unterstützen kommen sollen?"
"Glaub mir, im Moment haben alle ganz andere Sorgen. Unten bei der Aushebung haben sie Ruinen gefunden." In Darrinns dunklen Augen blitzte es aufgeregt.
Mit einem Mal verschwand Rayyas Ärger und sie erhob sich langsam. "Hier? Unter den Containern? Ich dachte diese Gegend sei unbewohnt? Unbewohnbar?" Deshalb stellen wir hier doch die Container auf. Dafür soll es doch diese Testeinrichtung geben?
"Das dachten wir alle. Kommst du mit?"
"Die lassen uns das doch ohnehin nicht sehen...", meinte Rayya mit skeptisch gehobener Braue.
"Aber nah genug kommen wir auf jeden Fall. Komm schon, das ist spannend. Wir können als Erste bei etwas Großem dabei sein, ist das nicht der Wahnsinn?"
Einen Moment lang überlegte Rayya noch. Doch noch bevor sie entscheiden konnte, nahm Darrinn sie am Handgelenk und zog sie hinter sich her. "Na los, lass uns gehen. Die paar Minuten wird dich keiner vermissen."
Widerwillig ließ Rayya ihre Arbeit hinter sich, verriegelte den Container noch ordnungsgemäß und hinterließ sogar eine kurze Nachricht, dass die Umweltsysteme noch nicht voll funktionsfähig waren, während Darrinn neben ihr nervös von einem Fuß auf den anderen trat.
„Brauchen wir keine Schutzanzüge?“, fiel Rayya ein, während sie schnellen Schrittes durch die Anlage eilten.
„Nein, die Entdeckung liegt im fertigen Bereich. Bis ganz nach unten kommen wir natürlich nicht, aber dort wo wir hinwollen, brauchen wir keine Schutzanzüge.“
Gemeinsam eilten sie durch die entstehende Station, Forschungseinrichtung, Testeinrichtung, Kolonie, wie es manche gar nannten. Ihre Schritte hallten auf den metallenen Verbindungsgängen zwischen den bereits aktiven Containern. Hier hatte es keine so großen Probleme bereitet, die Umweltfunktionen zu installieren. Sie erinnerte sich, wie sie sie eingebaut und installiert hatte. Da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. „Ich habe den Fehler gefunden! Ich weiß jetzt wa-“
„Nicht jetzt Rayya, wir sind fast da“, meinte Darrinn und hielt sie am Handgelenk, damit sie ihm nicht davon sprang. Rayya hatte ohnehin nicht mehr vor zu gehen. Ihre Neugier war mit jedem Schritt gewachsen bis hin zu dem Punkt, dass sie die paar Minuten Auszeit gut verkraften konnte. Immerhin hatte ihr die Ablenkung auch geholfen, den Fehler zu entdecken.
In dem Raum, der direkt in die Ausgrabungen mündete, herrschte reges Gedränge. Einige Neugierige versuchten einen Blick auf den Fund zu erhaschen, doch von hier aus konnte man noch nichts außer einem großen, erdigen Loch weiter abwärts hinter einem Flur erkennen. Bewaffnete Soldaten sorgten dafür, dass sie nicht näher kamen und hielten die Arbeiter streng auf Abstand.
"Und was jetzt", fragte Rayya und stemmte die Hände in die Hüfte.
Darrinn zuckte mit den Schultern und kratze sich nachdenklich am Hinterkopf. "Bis gerade eben waren noch keine Soldaten hier. Wir kommen wohl zu spät. Immerhin haben wir es versucht."
"Dafür habe ich meine Zeit verschwendet?"
"Jetzt sei nicht so böse. Die kleine Pause hast du ohnehin gebraucht."
Wirklich böse war sie nicht, als sie die Gänge zurück zu ihren Arbeitsplätzen trotteten. Ja, sie war dankbar für die Ablenkung gewesen. Dadurch hatte sie erst gemerkt, wie verspannt sie die ganze Zeit über gewesen war. Sie nutzte die Zeit um sich ausgiebig zu strecken und zu dehnen. Vielleicht wollte sie sich noch einen Kaffee holen, bevor sie zurück in ihren Container ging. Natürlich war es schade, dass es sich letztlich nicht gelohnt hatte, zur Ausgrabungsstätte zu eilen. Diesen kleinen Abstecher konnte sie wohl getrost aus ihren Gedanken verbannen. Wenn sie etwas darüber erfahren wollten, müssten sie wohl offizielle Nachrichten abwarten.
Eine Sache wollte ihr aber nicht aus dem Kopf. Gerade als sie sich wieder zum Gehen gewandt hatten, konnte sie noch sehen, wie zwei Arbeiter – zwei ihrer Forscher? – von zwei Soldaten begleitet ein paar Gegenstände aus der Ausgrabungsstätte trugen. Man hatte zwar nicht allzu viel erkennen können, doch bei einem der Artefakte hätte Rayya gerne etwas näher hingesehen. Sie wusste nicht warum, aber es hatte ein mulmiges Gefühl in ihr geweckt. Dieser unscheinbare, noch von Schutt bedeckte Kasten… Mehr hatte sie ja nicht erkennen können. Sie konnte sich das Gefühl auch nicht erklären… Vielleicht lag es auch nur an der Anwesenheit der Soldaten. Warum waren die überhaupt hier? Warum interessierten sie sich für die Ausgrabung und ihre Inhalte? Hatten die Verantwortlichen der Station das veranlasst? Nun gut, wer wusste schon, ob sich unter all dem Schutt, der sich dort unten befinden musste, nicht auch etwas Wertvolles verbarg.
„Alles in Ordnung, Rayya?“
Darrinns Stimme schreckte sie aus ihren Gedanken. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie sie in der Arbeiterküche angekommen waren. Darrinn drückte ihr eine frische Tasse Kaffee in die Hand.
„Oh, ja, alles in Ordnung“, murmelte sie schnell. „Ich habe nur überlegt, dass ich den Generator jetzt noch einmal auseinander nehmen muss. Das wird mich wieder eine halbe Stunde kosten. Ich hoffe, dass es keinen Ärger deswegen geben wird.“
„Mach dir keinen Kopf. Wir liegen doch sehr gut im Zeitplan. Unser Aufseher wird schon nicht meckern. Und selbst wenn?“ Darrinn zuckte mit den Schultern. „Wir können nur so schnell arbeiten, wie es die Umstände zulassen.“
Rayya zwang sich zu einem schiefen Lächeln, nahm einen Schluck ihres schwarzen Kaffees und winkte Darrinn dann zum Abschied. „Danke Darrinn. Ich möchte es nicht darauf ankommen lassen. Wir sehen uns später.“