Rove stützte sich mit beiden Armen über dem Waschbecken ab und starrte in ihr Spiegelbild. Ihr Gesicht war fahl und bleich, ihre Augen unterzogen von tiefen dunklen Ringen. Sie schob ihr offenes Haar in den Nacken und betrachtete das Pflaster, das immer noch an ihrem Hals klebte. Darunter pochte es wild, die Wunde zog und biss schlimmer, als sie erwartet hätte. Sie betrachtete, die feinen weißen Adern, die sich ringsherum gebildet hatten. Vorsichtig schob sie ihre Fingernägel unter den klebrigen Rand des Pflasters und zog es langsam herunter. Ihr entwich ein leises Stöhnen, als sie es endlich gelöst hatte und die fleischige Wunde darunter zum Vorschein kam. Auch sie war überzogen von feinen weißen Linien, die von innen heraus zu leuchten schienen.
Obwohl die Wunde noch so frisch war, heilte sie erstaunlich schnell ab. Sie lehnte sich zurück und warf den Kopf in den Nacken. Und bereute es sofort. Ihre Umgebung schien sich in Bewegung zu setzen, wankte und schaukelte, drehte sich um sie herum.
Innerlich fluchend schleppte sie sich durch das Krankenzimmer, in das man sie verfrachtet hatte. Ein Einzelzimmer, mit verstärkten Wänden und Türen, ausgestattet mit Überwachungskameras und Mikrofonen, von außen bewacht, bis man völlig ausschließen konnte, dass sie sich verwandeln würde.
Sie ließ sich auf das breite Bett fallen, vielleicht schaffte sie es zu schlafen, bis der Schwindel und der Schmerz, der sich immer schneller von der Wunde ausbreitete, vorüber waren. Sie hatte zwar den Vorteil einer schnellen Heilung, denn ihre medizinische Versorgung war Dank der Arbeit ihrer Mutter den meisten um Längen voraus, doch Schmerz und Kraftlosigkeit, die sie schier zu übermannen drohte, blieben ihr nicht erspart. Die Zeit, die ihre Wunden zum Heilen brauchten, war stark verkürzt, doch das bedeutete, dass auch die dafür benötigte Kraft und der damit einhergehende Schmerz viel schneller über sie hereinbrachen.
Sie schlüpfte aus ihrem Pullover, ihr war unglaublich heiß. Es war eine gute Idee gewesen, sich hinzulegen. Auch jetzt noch drehte sich alles um sie herum. Sie könnte fast schwören, sie würde selbst hin und her schwanken, wenn sie nicht die Matratze unter sich spüren würde. Nun wollte sie versuchen zu schlafen, möglichst bis die schmerzvolle Phase vorüber war.
Doch kaum hatte sie ihre Augen geschlossen, flammten die Bilder wieder vor ihr auf.
Leuchtend rote Augen. Spitze Fangzähne in einem weit aufgerissenen Maul. Das Gefühl von Zähnen, die in ihre Haut eindrangen. Das Blut, das aus ihrem Körper gezogen wurde.
Nein.
Als sie ihre Augen wieder aufriss und energisch aus dem Bett hochschnellte, kippte der Raum völlig um. Sie fühlte sich selbst haltlos zurück in ihr Kissen fallen, ohnmächtig ihre verbliebene Kraft zu nutzen.
Diesmal blieb ihr Traum schwarz und still.