Sie schmeckte Asche und getrocknetes Blut auf ihren aufgeplatzten Lippen.
Das war das erste, das sie wahrnahm, als sie langsam wieder zu sich kam. Danach fühlte sie den Schmerz. Vom Kopf bis hinunter in die Zehenspitzen gab es keinen Teil ihres Körpers, den sie nicht spürte. Jeder noch so vorsichtige Atemzug stach wie ein Dolch in ihre Lunge, als wäre das Atmen nicht schon schwer genug. Sie versuchte sich zu bewegen, doch bis auf ein klägliches Zucken ihrer Fingerspitzen schien es unmöglich.
Was war passiert? In ihrem Kopf pochte und hämmerte es, als wolle er zerspringen. Einen klaren Gedanken zu fassen fiel ihr so schwer wie das Atmen. Dann, einzelne Bilder.
Mit einem Mal konnte sie ihren eigenen Herzschlag hören, laut wie Kriegstrommeln in ihrem Kopf. Kalter Schweiß auf Schultern und Brust ließ sie erschaudern. Immer wieder schoben sich die Bilder vor ihre Augen, wollten ihr keine Ruhe lassen.
Schreie in ihrem Kopf. Schüsse, eine Explosion - oder mehrere? Feuer, der Geruch von Blut und verbranntem Fleisch. Alles war wirr. Sie sah die vielen Leute vor Augen, die verzweifelt versuchten dem Chaos zu entkommen. Die meisten trugen die Uniformen ihres Unternehmens, doch sie waren bewaffnet. Warum waren sie bewaffnet? Wieder Explosionen, weitere Schüsse. Schmerzensschreie, Todesangst. Ihre Familie. Sie waren hier.
Für einen Augenblick fühlte es sich so an, als würde ihr Herz aussetzen. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, heiße Tränen bahnten sich einen Weg über ihre Schläfen hinab. Es ist gut, redete sie sich ein. Sie haben sie nicht bekommen. Sie sind in Sicherheit. Sie müssen es sein.
Ihre Eltern. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihre Brust. Sie hatte gesehen, wie sie…
Sie öffnete die brennenden Augen. Sie sah den unschuldigen, blauen Himmel über sich, wo eigentlich hätte die Decke zu einem anderen Stockwerk sein sollen. Ächzend zwang sie sich, sich langsam zu erheben. Ihre Glieder zitterten vor Anstrengung, doch sie schaffte es auf ihre Beine. Vorsichtig bewegte sie sich durch die Trümmer ihres Zuhauses. Der warme Wind hauchte sanft über ihre wunde Haut.
Wie hatte das nur passieren können? Wieder stahlen sich Tränen über ihr Gesicht. Ihre Kiefer pressten hart aufeinander. Sie würden für das bezahlen, was sie angerichtet hatten. Sie würde sie finden. Und dann würden sie es bereuen.