Sie fühlte ihren eigenen Körper kaum noch. Nicht das Schmerzen ihrer Brust, das Zittern ihrer Hände, das Flattern ihres Herzens. Nur ihre Knie. Sie waren seltsam weich.
„Amea!“, donnerte Gerods harte Stimme gegen Ameas Ohr und riss sie damit unsanft aus ihrer Trance. Erschreckend langsam richtete sich ihr Blick auf ihn. Erschreckend langsam stahl sich ihre Stimme ihre Kehle hinauf. „Das… das kann nicht wahr…“ Ihr Blick wanderte zurück auf den Anger. Zurück auf das Schauspiel, das sich ihr darbot.
Von sechs Mann mit ihren Speeren umringt, die allesamt auf die Person in der Mitte gerichtet waren, führten sie ihn über den Platz. Ein spektakuläres Ereignis für alle Umstehenden, die mit ebenso fassungslosen Blicken das Geschehen verfolgten, wie sie. Bei ihnen stellte sich allerdings schneller eine Art Verständnis ein. Eine Erklärung, die sie sich vielleicht selbst gaben. Wie eine Vermutung, die sich bestätigt hatte.
Doch ihr fehlte jedes Verständnis für das, was sich vor ihr abspielte.
Wie sie ihn über den Platz zerrten… wie ein wildes Tier. Nicht nur, dass sie ihre Waffen auf ihn gerichtet hatten, sodass diese ihn fast berührten. Jeder der Männer hielt auch einen Strick in der Hand, die zu ihrem Gefangenen führten. Hinauf an die Kehle, wo die Stricke in Schlingen endeten. Wagte der Gefangene einen falschen Schritt, würden sich die Schlingen zuziehen, bis er erstickte. Würden sie ihn nicht vorher mit ihren Speeren erstechen.
„Hast du davon gewusst?“, donnerte Gerods Stimme erneut an sie heran. Und trotz seiner Lautstärke schaffte sie es kaum, sie wahrzunehmen.
Wie konnte das nur sein? Wie hatte sie nur…?
„Nein…“, brachte sie leise hervor. Wenn sie gewusst hätte… sie hätte doch niemals…
„Des Königs rechte Hand… ! Hier, mitten in unserer Heimat! Weißt du, was hätte alles passieren können? Was vielleicht schon passiert ist?“
Ja, Amea war es nur zu gut bewusst, welche Konsequenzen es bedeuten würde.
Ihre Brust war so schwer. Es fühlte sich so an, als bekäme sie nicht genug Luft.
Für einen Moment traf der Blick des Gefangenen auf sie. Nur für einen winzigen Moment.
In diesem Augenblick lernte sie, wie es sich anfühlte, wenn ein Herz brach.