„Und? Schmeckt’s?“, fragte Araz mit einem Seitenblick auf Rove.
Die junge Frau lehnte unter ihm an dem kleinen Brüstungsgemäuer am Rande des Daches und stocherte mit den Stäbchen durch den Karton mit den gebratenen Nudeln.
„Ja“, antwortete sie knapp, ohne zu ihm aufzublicken und schaufelte eine Ladung Nudeln in ihren Mund. Araz Blick verharrte noch einen Moment lang auf ihr. Doch offensichtlich stand ihr der Sinn nicht nach einem Gespräch. Also wandte er sich seufzend ab, sah hinunter auf die Stadt und sog die frische, kühle Nachtluft in seinen Lungen auf.
„Diese Leute, aus dem Laden, die kannten dich.“
Wollte sie doch reden?
Mit gehobenen Brauen wandte er sich um, diesmal ganz und sah zu ihr hinunter.
„Ja. Warum?“
„Sie hatten Angst vor dir.“
Wollte sie sich nun unterhalten? Oder einfach nur reden? Ihre kurzen Aussagen wirkten so willkürlich in den Raum geworfen, dass er wirklich nicht sagen konnte, ob sie darauf eine Reaktion erwartete oder nicht.
„Gut möglich“, antwortete er schließlich.
„Was hast du mit ihnen gemacht? Den Klischee-Gangster raushängen lassen?“
Also doch ein echtes Gespräch? Das Thema hätte ein anderes sein können. Und was sie über ihn zu denken schien, verletzte und empörte ihn zugleich. Wofür hielt sie ihn eigentlich? Oder… wollte sie ihn nur provozieren? Das wäre nicht das erste Mal, dass sie mit stichelnden Fragen und Kommentaren versuchte, eine Reaktion hervorzulocken.
„Ein bisschen, vielleicht.“
Gelogen war es nicht.
„Mhm.“
Sie rümpfte die Nase und strich sich eine vorwitzige Strähne ihres weißen Haars zurück hinter das Ohr. Irgendwie musste sie sich aus dem sonst streng gebundenen Knoten gelöst haben und mischte sich nun ungefragt zwischen den Pony auf ihrer Stirn, direkt vor ihre Nase.
„Und das üppige Trinkgeld war eine Art Wiedergutmachung für dein altes Verhalten?“
Bevor er antworten konnte, sog er einmal scharf die Luft ein, bedachte sie mit einem weiten Blick und gehobenen Brauen, bevor er den Blick abwandte und die Luft langsam ausstieß. Sie wollte ihn also provozieren. Warum sonst würde sie ihre Worte derart spitz wählen? Woher kam überhaupt dieser plötzliche Umschwung ihrer Stimmung? Bis vor einigen Augenblicken waren sie noch entspannt unterwegs gewesen, doch jetzt...? Was war es, das ihr durch den Kopf ging?
Mit einem weiteren Seufzen stand er von dem kleinen Gemäuer auf, vertrat sich mit ein paar Schritten die Beine. „Vielleicht, ein bisschen“, brummte er dabei.
„Und glaubst du, dass es hilft?“
Wieder schwieg sie. Wartete auf eine Antwort. Und immer noch sah sie ihn dabei nicht einmal an.
„Du weißt schon, dass Geld keine Wunden heilen kann“, ergänzte sie nach einer Weile, in der er ihr eine Antwort verwehrt hatte.
Ach was? Musste sie ihm das auch noch unter die Nase reiben?
Zähneknirschend trat er einige weitere Schritte umher, holte ein paar Mal Luft um zu sprechen, ließ es aber bleiben. Er sah Rove dabei zu, wie sie die Pappschachtel leerte und neben sich auf dem Boden abstellte. Was auch immer ihr durch den Kopf ging… es … ärgerte ihn.
Doch was nützte das schon? Natürlich ärgerte es ihn. Das sollte es auch. Und… auch wenn er es nicht hören wollte, er sah es ein.
Er trat wieder näher, ließ sich neben ihr gegen das kleine Gemäuer sinken.
„Deswegen bin ich ja hier.“
Jetzt erst wandte sie ihren Blick auf ihn. Und zu seiner Überraschung fand er in ihrem Gesicht ein Lächeln. Milde, ganz versteckt. Aber in ihren Augen, dort konnte er es erkennen. Und er wusste, dass er die Prüfung bestanden hatte, auch ohne, dass sie dafür reden musste.