William.
Rove atmete einmal tief durch, bevor sie sich zu ihm umwandte.
„Solltest du dich nicht besser noch ausruhen?“, fragte er, noch bevor sie grüßen konnte.
Rove presste ihre Lippen übereinander und schüttelte den Kopf. „Es geht mir gut genug, um aufstehen zu können.“
Ihr Kommandant seufzte und sah zur Kaffeemaschine. „Lässt du mir auch einen raus?“
Froh darüber, dass er auf dieselbe Predigt verzichtete, die sie sich sonst auch von Jonathan anhören musste, nickte sie und nahm eine zweite Tasse aus dem Hängeschrank über der Kaffeemaschine.
„Rove…“, setzte William langsam an. An seiner Stimme konnte sie schön hören, dass sie wohl doch nicht so leicht um die nächste Predigt herum kam.
„Wie geht es den anderen? Gibt es schon neue Informationen? Hat der Gefangene geredet?“, fragte sie, bevor er fortführen konnte. „Wie geht es James? Ich habe ihn nicht auf der Krankenstation gesehen.“
„James ist auch schon wieder auf den Beinen. Ashley und Rayya gehen die Aufnahmen durch und versuchen herauszufinden, ob unter den Angreifern dieselben Leute waren, wie auf Aolea. Es gibt zwar keine Hinweise darauf, dass jemand entkommen ist, aber das heißt nicht, dass es unmöglich ist. Araz versucht, Informationen aus dem Gefangenen zu holen.“
„Araz?“, fragte Rove mit gehobenen Brauen.
„Ja. Ich wollte zuerst Rayya bitten, aber… nach allem was passiert ist, will ich ihr das nicht zumuten. Sie ist keine Soldatin, das alles hier…“ William fuhr sich mit der Hand über den fast kahl geschorenen Kopf. „Als Dämon verfügt Araz über dieselben telepathischen Fähigkeiten. Ich hoffe, dass uns das schnell zu einem Ergebnis führt.“
Telepathische Fähigkeiten? Meinte er damit die manipulativen Fähigkeiten, die man Dämonen nachsagte?
„Vertraust du ihm?“, wollte Rove wissen.
William zuckte die Schultern und nahm die Tasse, die Rove ihm entgegen hielt.
„Er hat sich im Einsatz gut gemacht. Im Augenblick sehe ich keinen Grund darin, in anzuzweifeln. Und falls doch, ist Raveen in der Nähe.“
Rove nickte langsam und sah auf die schwarze Brühe in ihrer eigenen Tasse, die sie zwischen den Händen drehte.
„Wieso? Gibt es ein Problem mit ihm?“, hakte William nach, eine Braue fragend erhoben.
„Nein, nein. Ich denke, wir können ihm trauen“, antwortete Rove schnell. Was auch immer zwischen ihr und Araz vorgefallen war – und im Grunde war nicht einmal wirklich etwas vorgefallen – tat hierbei nichts zur Sache. Und trotzdem… an diesen Mann zu denken, wühlte noch mehr in ihr auf, als eh schon wütete.
Für einen Moment herrschte Stille.
„Rove…. Ist alles in Ordnung bei dir?“, fragte William schließlich vorsichtig. Rove hob den Blick und sah in seine besorgten Augen. Er nickte zu dem kleinen Tisch neben der Küchenzeile. Für einen Moment überlegte sie noch, nickte dann und setzte sich. William folgte ihr und setzt sich ihr gegenüber.
„Auf jeden Fall wissen wir jetzt, dass irgendjemand wirklich nicht möchte, dass du diesen Fall verfolgst. Und dass es auf Aolea keine einmalige Sache war“, begann Rove wieder, bevor William ansprechen konnte, was auch immer ihm durch den Kopf ging. So, wie er sie ansah, war es aber etwas persönliches. Etwas, mit Sorgen, über sie. Was auch immer es war, sie wollte es nicht hören.
William stieß ein kurzes Lachen auf ihren ersten Kommentar aus und wurde schnell wieder ernst, als sie fortgefahren hatte. „Ja“, stimmte er nickend zu und nippte an seinem Kaffee. „Nun kann keiner mehr behaupten, dass wir hier nur unsere Zeit verschwenden.“
Auch Roves Mundwinkel hoben sich für einen Moment zu einem schmalen Lächeln.
Wieder entstand danach eine kurze Stille.
„Rove, jetzt im Ernst. Ist alles gut bei dir?“, fragte William schließlich erneut. Diesmal lag nicht nur Sorge in seinem Blick. Dahinter lag auch eine gewisse Strenge. Rove wusste, dass sie sich nun nicht mehr aus dem Gespräch herauswinden könnte. Und irgendwie… vielleicht war es auch besser so.
Sie mochte es eigentlich, sich mit William zu unterhalten. Es war angenehm unter ihm zu arbeiten, doch wenn sie persönliche Gespräche führten… Es fühlte sich gut an. Er hatte etwas warmes, etwas vertrautes an sich, etwas, dass sie an ihren Bruder erinnerte. Ob es an Williams Blicken lag, an seiner Haltung oder der Art, wie er sprach… sicherlich nicht das Aussehen. Da hätten die beiden kaum unterschiedlicher sein können. Amon hätte sich seinen weißen Schopf nie so weit herunter rasieren lassen. Außerdem war er nicht so hoch gewachsen und obwohl Amon durchaus trainiert gewesen war, William hatte deutlich mehr Muskelmasse vorzuweisen. Aber in ihrem Auftreten, da hatten sie etwas gemein.
„Vielleicht solltest du dich doch noch etwas hinlegen und schlafen“, meinte William vorsichtig.
„Ich kann nicht schlafen“, entgegnete Rove sofort. „Oder den ganzen Tag liegen und nichts tun.“
Auch sie nippte an ihrem Kaffee. Und verzog das Gesicht. Sie hatte vergessen, Milch hinein zu geben. Ihn schwarz zu trinken ging auch, aber es war nicht das, was sie jetzt wollte. Doch sie begnügte sich damit. Noch einmal Aufstehen wollte sie noch weniger, als schwarzen Kaffee.
William seufzte tief und senkte den Blick. „Ich bin wirklich froh, dich dabei zu haben. Aber ich mache mir auch Sorgen, Rove. Ich kenne die Umstände, die dich zurückgehalten haben und… ich möchte nicht, dass …“
„Ich bin auch froh, hier zu sein“, unterbrach Rove. „Wirklich.“
Sie sah ihm in die Augen und hoffte, dass er erkannte, dass sie es ernst meinte. Auch wenn sie anfangs nicht wollte, sie war gerne hier. Eine letzte Mission. Ein letzter Beitrag. Dann könnte sie mit gutem Gewissen aufhören. Zumindest für eine Weile.
„Pass auf dich auf, ja?“, meinte William mit einem Nicken und einem sanften Lächeln auf den Lippen. Und dann runzelte er wieder die Stirn und schüttelte kurz den Kopf. „Trotzdem. Ich habe den Eindruck, dass dich etwas beschäftigt. Willst du darüber reden? Wenn nicht mit mir, vielleicht mit jemand anderem?“
Rove nickte stumm und sah dabei in ihre Tasse.
„Vielleicht… werde ich später mit Rayya reden.“