In kleiner Runde saßen sie um den kleinen Tisch vor der Küchenzeile. Rayya, die junge Nemis, stand vor der Herdplatte und briet Spiegeleier in der Pfanne, während Araz sich immer noch argwöhnisch zwischen Rove, Raveen und Ashley am Tisch umsah. Raveen und Ashley wirkten nicht weniger entspannt, wobei Raveen sich deutlich mehr Mühe gab, seinen Argwohn nicht allzu sehr zur Schau zu stellen.
„Ein Dämon, also“, brummte Raveens beeindruckend tiefe Stimme durch den Raum. Der Rakryn nahm in seiner Masse allein fast die halbe Sitzbank ein, auf der er saß. Ein Glück war die dunkelhaarige Frau neben ihm so schmal, dass ihr der eingeschränkte Platz nichts ausmachte. Obwohl Raveen allein durch sein Erscheinungsbild einschüchtern konnte, mit dem breiten, kahlen Kopf und den noch breiten Nacken und Schultern über seinem muskelbepackten Körper, galt Araz‘ primäre Sorge Ashley. Ihre schmalen, dunklen Augen wollten nicht von ihm weichen und ihre Mundwinkel hielten sich beinahe permanent nach unten geneigt. Neben Rove war die Nemis bisher die einzige, die Araz nicht mit geballtem Misstrauen begegnete. Im Gegenteil, sie wirke sehr entspannt. Doch es wunderte ihn nicht. Den Nemis sagte man schließlich nach, sie seien Dämonenliebhaber oder gar selbst welche.
Araz nickte auf Raveens Aussage langsam. Was sollte er dazu auch sagen?
„Aúnith“, erklang doch Rayyas Stimme. Mit dem gleichermaßen markanten, wie entzückenden Akzent der Nemis. Sie wandte sich für einen Moment der kleinen Gruppe zu, ein breites Lächeln auf dem dunklen Gesicht. Im Schatten ihrer Kapuze war es kaum zu erkennen, doch durch den Klang ihrer Stimme war es deutlich.
„Was soll das überhaupt bedeuten? Aunith?“, brummte Raveen weiter und ließ seine massigen Unterarme auf die Tischplatte gleiten, während er sich zu Araz und Rayya vorbeugte. Seine Aussprache des Namens war weniger entzückend als Rayyas.
„Es bedeutet, dass er ein Erster ist“, erläuterte Rayya, bevor Araz zu sprechen beginnen konnte.
Raveen war deutlich anzusehen, dass er mit Rayyas Antwort nicht viel anzufangen wusste. Auch Ashley wandte sich mit gehobenen Brauen der Nemis zu, während Rove entspannt zurückgelehnt auf ihr Tablet blickte.
„Das bedeutet“, setzte die Nemis langsam an und ließ ihren Blick vor dem Fortsetzen kurz über Araz gleiten, „dass er kein Besessener ist. Ein geborener Dämon. Ein Erster, eben.“
„Wenn er kein Besessener ist, dann…?“, wollte Ashley weiter wissen und musterte nun nicht nur Araz selbst, sondern auch Rayya mit scharfem Blick. Doch die junge Nemis verstummte, doch Araz entging nicht, wie sie ihre schmalen kleinen Hände zu Fäusten ballte. Er hatte schon geahnt, welche Richtung das Gespräch nehmen würde, kämen sie auf ihn, auf seine Art, zu sprechen.
„Ich kann andere besetzen. Ihnen meinen Willen aufzwingen“, sprach Araz aus, was Ashley durch den Kopf ging. Er seufzte scharf zwischen seinen Zähnen hindurch und ließ sich tiefer in die Lehne seines Stuhls sinken, während er auf die noch misstrauischeren Blicke von Raveen und Ashley wartete. Doch nur Ashley schien sich damit mehr anzuspannen, während Raveen eine einzelne, unbehaarte Braue hob und langsam, fast anerkennend, nickte.
„Großartig“, zischte Ashley und erhob sich von ihrem Platz, ließ dabei ihre Hände lautstark auf die Tischplatte schlagen. „Was hat sich William nur dabei gedacht…“, zischte sie leise, während sie sich aus der Küche begab.
Rayya blickte ihr etwas verunsichert hinterher, sah dann kurz wieder auf Araz, flüchtig über Raveen und Rove und wandte sich anschließend wieder ihrer Pfanne zu, um die fertigen Spiegeleier herauszuheben.
„Das heißt, wenn ich das richtig verstehe, dass du zu den gefährlichsten Dämonen gehörst?“, fragte Raveen, während er sich ein weiteres Stück nach vorne neigte.
Mit gehobener Braue nickte Araz langsam.
Ein breites Grinsen legte sich daraufhin über Raveens breiten Mund und er lachte kurz. „Wer hätte gedacht, dass hinter so einem schmächtigen Kerlchen so viel Power steckt.“ Immer noch lachend schüttelte er den Kopf und stupste Rove in die Schulter, sodass sie zu ihm aufsah. „Erinnert mich an dich, Kleine.“
Rove sah sich kurz nach Raveen, dann nach Araz um, nickte kurz mit einem „Mhm“ und sah wieder auf ihr Tablett. „Ich bin allerdings nur ein Mensch.“
Raveen lachte weiter. „Ein gefährliches kleines Biest, meine ich. Eines, das man leicht unterschätzt.“
Rove sah nicht wieder von ihrem Tablet auf, doch man erkannte sie stumm dahinter lächeln.
„Das Essen ist fertig!“, meldete sich Rayya wieder zum Gespräch und wandte sich mit zwei Tellern in der Hand wieder zu der übrigen Gruppe am Tisch um.
Raveen blickte freudig auf und zog seine Arme von der Tischplatte zurück, um den Platz für die Teller freizugeben. Einige Sandwiches türmten sich darauf und er griff sich direkt das erste herunter. „Sehr schön!“
„Eigentlich hatte ich für Ashley auch zwei gemacht, aber…“ Rayya sah kurz zur Tür und seufzte schließlich.
„Das macht nichts“, tönte plötzlich James‘ Stimme durch die Küche. Kurz darauf tauchte er in der Tür auf. „Was denn, kein richtiges Essen?“, fragte er nach einem enttäuschten Blick auf die Sandwiches auf den Tellern.
„Was erwartest du denn?“, fragte Rayya und verschränkte ihre Arme vor der Brust.
„Naja, etwas Richtiges eben“, meinte James mit einem Schulterzucken und griff sich ebenfalls ein Sandwich.
„Ich bin nicht eure Köchin“, schnaubte Rayya und ließ sich auf dem freien Stuhl neben Araz nieder. „Wenn du nicht zufrieden bist, koche selbst oder geh in die Kantine.“
Bei dem Vorschlag verzog James das Gesicht noch stärker, als bei seiner Reaktion auf die Sandwiches.
„Sei froh, dass sie sich die Mühe gemacht hat und hör auf zu jammern“, brummte Raveen, der das erste Sandwich mit nur zwei Bissen schon fast ganz verschlungen hatte. „Es ist allemal besser, als dieser widerliche Kantinenfraß.“
„Ich weiß, ich weiß“, stieß James mit einem Seufzen aus und drückte sich neben Raveen auf die Sitzbank. „Ich meine nur, du kannst so gut kochen Rayya. Da ist es ein bisschen schade, dass es nur Sandwiches sind…“
„Jetzt halt den Mund und iss“, schnitt Raveen ihm das Wort ab, woraufhin James mit einem letzten Murren verstummte und zu essen begann. Allerdings nur für kurz. Sein Blick wanderte zu Araz, die mit vor der Brust verschränkten Armen auf die Teller und über die anderen sah.
„Du bist also der Neue, ja? Dämon, richtig?“