Tatsächlich gelang es Felix nach einigem Wälzen betrüblicher sorgenvoller Gedanken um einen möglichen Ruin und dem damit einhergehenden Verfall in Armut und Not, doch noch durch sanfte Liebkosungen Antons in einen seichten Schlummer abzudriften. Ob es nun daran lag, dass die träge gezogenen Kreise seinen Arm hin zu seiner Schulter herauf und seine Brust hinab bis zu seinem Bauch und den Weg wieder zurück dies bewirkten, oder die leise geflüsterten Beruhigungen seines Partners.
Geweckt wurde er das nächste Mal wahrlich bewusst, als sein Kissen sich unter ihm rührte. Nun, nein, nicht sein Kissen, denn dieses hätte vermutlich nicht die Eigeninitiative ergriffen, so war es doch recht wahrscheinlicher, dass die bequeme Unterlage, die ihm hier so frech entzogen wurde, Antons herrlich weicher Bauch war, an den er sich mit Vorliebe kuschelte. Doch wie bedauerlich, ja geradezu unliebsam, war es ihm, diese Annehmlichkeit herzugeben. Felix griff beherzt hinüber und erwischte den Bildhauer gerade noch an seiner Boxershorts, bevor dieser ihm endgültig entschlüpfen konnte.
Das wenig männliche Aufquiken brachte den Jungkünstler zum belustigten Schmunzeln, passte es doch wenig zu dem großen, starken Kerl, der da hektisch versuchte, sein bloßes Hinterteil wieder mit Stoff zu bedecken.
"Nichts, was ich nicht schon gesehen hätte", neckte Felix, kroch näher und hauchte verspielt einen Kuss auf jedes Grübchen über den festen Pobacken seiner liebsten Nervensäge.
Anton wirbelte zu ihm herum, die Augen ein herrlich wirbelnder Sturm aus sich im Lichteinfall verändernden Grauschattierungen. Er wurde an den Oberarmen gepackt und an ihnen sanft aber bestimmt hinauf auf die Knie gezogen, Anton presste seine Lippen fordernd auf die seinen, eroberte ihn, rang ihn nieder. Der zärtliche Biss in die Unterlippe ließ Felix aukeuchen, ihm schwindelte und verzückt sank er gegen Antons Brust, als sein Partner nun seine starken Arme um ihn schloss, ihn so in eine schützende Umarmung zog.
"Warum bist du eigentlich aufgestanden?", murmelte der Maler an die gebräunte Haut seines Partners, "ich dachte, du hast mich genötigt, Urlaub zu machen."
Das zarte Beben, das Antons Körper durchlief zeigte ihm, dass dieser ihn doch tatsächlich gerade auslachte. Empört schlug Felix diesem wunderbar nervtötenden Mann blind gegen den Oberarm, löste sich jedoch nicht aus der Umklammerung.
"Was ist so witzig?", verlangte er zu wissen.
"Du."
Murrend tat Felix seinen Unmut kund. Das war nun wirklich keine befriedigende Antwort gewesen.
"Ich bin doch nicht aufgestanden, um zur Arbeit zu marschieren und um dich hier wie ein ausgesetztes Hündchen allein zu lassen, Jeger", lachte Anton milde weiter, schob ihn nun ein Stück von sich weg und sah ihm in die dunklen Augen, "ich wollte uns Frühstück machen."
Wie dumm er sich vorkam. Natürlich hatte Anton ihnen etwas zu essen zubereiten wollen. Warum hätte er sich auch heimlich davonstehlen sollen? Einfach gehen? Er war nicht wie sein Vater! Anton würde ihm sowas nicht antun.
Felix fühlte sich schrecklich, furchtbar, dass er seinem Partner insgeheim unterstellt hatte, ein ebenso großer elender Mistkerl mit unlauteren Absichten zu sein, wie Johann Jeger es war. Zu seinem Glück schien Anton nur halb so schlecht von ihm zu denken, was seine Vermutungen zu Felix' Befürchtungen anging, wie dieser von seinem Partner dachte.
"... du uns was machst?"
Erschrocken fuhr Felix aus seinen Gedanken auf. Nun hatte er doch glatt verpasst, was Anton zu ihm gesagt hatte.
"Mhm", antwortete er unbestimmt, hielt sich vage in der Hoffnung, der Interpretationsspielraum ließe es zu, eine plausible Reaktion geltend zu machen. Freudig sah der Bildhauer ihn an, drückte einen Kuss auf seine Stirn und verschwand im Bad. Nun gut, zumindest hatte Felix' wenig geistreiches Gebrummel nicht zu einem Streit geführt. Nur leider hatte er noch immer keinen blassen Schimmer, um was es eben gegangen sein könnte.
Er beschloss, dass es keinen großen Sinn hatte, über die unzähligen Möglichkeiten zu grübeln, die Antons Bitte beinhaltet haben könnte. Daher behielt er einfach seine sogenannte 'Arbeitskleidung' an, denn diese würde für einen Tag daheim ebenfalls ausreichen, und machte sich daran, ein spätes Frühstück zu bereiten, nachdem der werte Herr, der dies eigentlich hatte übernehmen wollen, ja plötzlich einfach entschwunden war, um eine ausgiebige Dusche zu nehmen.
Dem jungen Maler sollte es recht sein, denn nach verbranntem Toast mit Marmelade stand ihm nicht unbedingt der Sinn, auch, wenn Antons Kaffee zum Niederknien war. Ehre, wem Ehre gebührte.
Eines jedoch war Felix heilig und dies war Essen in allen Variationen! Kochen war seine Leidenschaft, eine Passion und ein liebgewonnener Ausgleich zu seinem zumeist doch in letzter Zeit zugeben etwas stressigen Alltag. Es störte ihn daher nicht, dass er es war, der zumeist vor dem Herd stand, schnippelte, pellte und abschmeckte, nein, für ihn gehörte auch das Abräumen und Abwaschen dazu. Vermutlich wäre er tödlich beleidigt, sollte Anton ihn eines Tages mit einem Candle-light-Dinner überraschen.
So stand er auch jetzt an der Arbeitsfläche, hackte rote Zwiebeln und Tomaten, sich fragend, warum er sich heute früh noch derartig Sorgen gemacht hatte, dass eine Auszeit ihn in eine Abwärtsspirale treiben könnte, wenn es doch offensichtlich war -
"Hmm", schnurrte Anton ihm ins Ohr, "sieht schon gut aus, Jeger. Danke, dass du zugestimmt hast. Ich hätte ja doch nicht viel mehr drauf gehabt, als Toast und Rührei."
Felix hätte sich selbst ohrfeigen können. Selbstredend hatte sein Partner ihn gebeten, zu kochen. Was hatte er denn erwartet? Dass Anton von ihm verlangt hatte, die Konten zusammen zu legen, damit der Bildhauer einfacher das Geld scheffeln und heimlich ins Ausland abhauen könnte? So erbärmlich war dieser warmherzige Mann mit den spontanen Anwandlungen nicht.
"Kein Problem, ich mach's gern", eilte er sich zu bestätigen, vermutete er doch, dass sein Partner sich über seine Wortkargheit langsam zu wundern begann.
"Wegen dem Urlaub müssten wir auch noch klären, ob das klar geht."
"Wegen des Urlaubs", korrigierte Felix automatisch, gab die gewürfelten Tomaten und Zwiebeln in eine mit Öl vorbereitete Pfanne und begann, Sellerie wie Petersilie zu hacken, "was sollen wir klären?"
Anton ließ sich mit dem Becken gegen die Arbeitsplatte sinken, beobachtete ihn eine Weile mit verschränkten Armen.
"Dr. Leuter und Herr Jakobi sollten zustimmen, meinst du nicht? Immerhin würde eine zweimonatige Reise auch acht Wochen Therapieausfall bedeuten. Oder bietet Jakobi so ein Online-Ding an?"
Das Messer glitt scharf in das zarte Fleisch, der rote Saft tropfte sogleich fröhlich in einem stetigen Strom, kontrastierte auf absurde Weise das leuchtende Grün der frischen Kräuter.
Mit einer faszinierenden Fixierung starrte Felix auf das Schauspiel, das sich ihm bot, vernahm dumpf Antons erschrockenen Ausruf, wie dieser ihn plötzlich packte und hinüber zum Spülbecken zerrte. Erst das Wasser, das auf seine Hand hernieder prasselte, in die Wunde geriet und sie zum brennen brachte, löste den Schock und der Jungkünstler kam mit einem entsetzten Keuchen wieder zu sich.
Zitternd stand er da, rang nach Atem, befürchtend, dass er es mit seiner vermaledeiten Unachtsamkeit doch noch geschafft haben sollte, seine Karriere zu ruinieren. Versemmelt, versiebt, vergeigt! Dabei war es doch so gut gelaufen, hatte er es geschafft, wieder Fuß zu fassen, aber nun war es doch noch -
"Drück das auf die Wunde", befahl Anton sanft, reichte ihm ein sauberes Geschirrtuch.
Ängstlich beobachtete der junge Maler, wie sich der weiße Stoff langsam rot färbte, bis sein Partner sich kurz darauf mit einem Erste-Hilfe-Kasten wieder zu ihm gesellte, das Tuch vorsichtig entfernte, um dann mit gekonnten Fingern einen sauberen Druckverband anzulegen.
"Der Schnitt ist nicht tief", teilte Anton ihm mit, strich ihm tröstend über die Wange, "aber wir sollten trotzdem zum Arzt fahren, damit der das checkt."
Nickend bestätigte Felix, ließ sich von seinem Partner zunächst aus der Küche führen und dann in die Jacke helfen.
Doch bevor sie gingen, rannte er zurück, kontrollierte den Herd, den Anton geistesgegenwärtig ausgeschaltet hatte. Sicher war sicher.