Einige Wochen später erzählte mir Paula, dass Sie gerne Fahrstunden nehmen und den Führerschein machen wolle. Sie brauche zwar derzeit kein eigenes Auto. Aber sie wolle gerne bei Bedarf ein Auto ausleihen und damit Fahrten unternehmen können.
„Du weißt aber, dass Du für den Führerschein einen Sehtest brauchst und ihn bei Deinen Werten nur mit Brille bestehen kannst“, sagte ich zu Paula.
„Ja, da-tss i-tss-t mir klar“, antwortete sie. „Daher habe ich auch nachgedacht. Ich habe mich entschlo-tss-en, mir nun doch eine Brille machen tss-u la-tss-en. Die werde ich dann aber nur tss-um Autofahren auf-tss-et-tss-en.“
„Der erste Schritt ist getan“, dachte ich. „Paula kriegt jetzt ihre Brille. Wenn sie die erst einmal hat, wird das mit dem regelmäßigen Tragen nur eine Frage der Zeit und meiner Überzeugungskünste sein.“
„Darf ich Dich zum Optiker begleiten, wenn Du die Brillenfassung aussuchst“, fragte ich Paula. „Ja, klar“, sagte sie. „Ich will ja, da-tss Du die Brille an mir nicht gar tss-o schrecklich finde-tss-t. Du kann-tss-t mich gerne beraten und mir meinen Entschlu-tss leichter machen!“
Am darauffolgenden Samstag hatte Paula dann vormittags den Termin beim Reutlinger Optiker bekommen. Empfangen wurden wir von der jungen bebrillten Angestellten, die bei uns schon den Sehtest gemacht hatte.
„Schön, dass Sie sich doch entschlossen haben, sich wegen einer Brille beraten zu lassen,“ sagte sie beim Empfang. „Sie werden es nicht bereuen, das verspreche ich Ihnen. Ich habe auch schon zwei Modelle im Auge. Die werden Ihnen bestimmt hervorragend gefallen und passen richtig gut zu Ihnen. Doch zuerst einmal machen wir einen weiteren Sehtest, um die endgültigen Werte für Ihre Brillengläser zu bestimmen.“
Es schloss sich eine längere Prozedur an, bei der Paula durch verschiedene Linsen schauen und die Zahlen und Buchstaben in verschiedenen Größen von einer Tafel vorlesen musste. Schließlich fasste die Optikerin zusammen: „Mit diesen Werten sehen Sie am klarsten. Sie sind sogar auf beiden Augen noch um 0,25 Dioptrien stärker als bei der Messung vor einigen Wochen. Das ist aber durchaus normal, dass der subjektive Seheindruck etwas abweicht.“
Danach führte uns die Optikerin an ein Tischchen, an dem wir zur Brillenanprobe Platz nahmen. Die Optikerin wählte aus den Hunderten ausgestellter Brillengestelle zwei Modelle aus. „Die beiden Brillengestelle würden zu Ihrem Gesicht und Ihrer Haarfarbe nach meiner Meinung optimal passen“, sagte die Optikerin.
Das eine Gestell war aus olivgrün gefärbtem Metall, wobei nur der obere Teil des Rahmens in Metall ausgeführt und der untere Teil randlos war. Ein sehr dezentes Modell, wie ich fand. Paula setzte die Brille auf ihre kurze, nach oben gebogene Nase. Wow, ich war begeistert! Sie stand ihr prächtig. Paula betrachtete mit kritischem Blick ihr Spiegelbild.
Dann setzte Paula das zweite Modell auf. Es war eine in Pinktönen gehaltene transparente Kunststofffassung, die von oben nach unten einen Farbverlauf aufwies und am unteren Rand nur noch ganz schwach pink schimmerte. Ich fand, dass dieses Gestell noch besser zu Paulas roten Haaren passte. Auch ihre pinkfarbenen Hörgeräte harmonierten gut mit den gleichfarbigen Brillenbügeln an ihren Ohren. Diese Brille war ein echtes Schmuckstück!
„Paula, das ist sie! Wie für Dich gemacht! Da passt wirklich alles. Du siehst wahnsinnig gut mit dieser Brille aus. Nimm dieses Modell und mache nicht mehr lange rum“, forderte ich Paula auf.
„I-tss-t okay!“, murrte Paula, „Dann nehme ich die tss-weite. Ich tss-et-tss-e tss-ie ja eh nur tss-um Autofahren auf. Da-tss pa-tss-t dann schon.“ Paula folgte den weiteren Vorschlägen der Optikerin zur Qualität der Gläser. „In zehn Tagen können Sie die fertige Brille hier abholen.“ Mit diesen Worten verabschiedete uns die Optikerin.
„Du glaubst gar nicht, wie ich mich freue, wenn die Brille fertig ist und Du sie trägst“, sagte ich vor dem Laden zu Paula. „Sie passt ausgezeichnet zu Dir. Sie ist ein echtes Schmuckstück auf Deiner Nase. Ich werde Deiner Schönheit mit der neuen Brille noch weniger widerstehen können“.
„Red nicht tss-o einen Quatsch“, entgegnete Paula. „Eine Brille i-tss-t ein blo-tss-e-tss Hilf-tss-mittel, um be-tss-er tss-u tss-ehen. Tss-ie i-tss-t tss-o wa-tss wie eine Krücke tss-um Tss-ehen. Tss-o wie mein Hörgerät eine Krücke tss-um Hören i-tss-t. Und mit der Tss-ahnspange und der In-tss-ulinpumpe i-tss-t e-tss ähnlich. Von Schmuck kann da nun wirklich keine Rede tss-ein.“
„Das sehe ich ganz anders“, widersprach ich. „Ich verbinde das Nützliche der Brille mit dem Schönen. Ich finde, dass eine gut ausgesuchte Brille eine Frau hübscher und anziehender macht. Die Brille ist ein Blickfang. Mit ihrer Farbe, ihrer Form und ihren Reflexen nimmt die Brille den Betrachter gefangen.“
„Würde Deine Argumentation dann auch für mein Hörgerät und meine Tss-ahnspange gelten? Gan-tss tss-icher nicht“, sagte Paula. „Medi-tss-inische Hilf-tss-mittel tss-ind Krücken und kein Schmuck! Da-tss i-tss-t doch völlig klar.“
„Für mich nicht“, wandte ich ein. Ich machte Paula ein Geständnis: „Ich gebe zu, dass mich schon ganz lange Mädchen mit Brille mehr anmachen als solche ohne Brille. Ich mag das Accessoire, wenn es mit Geschmack ausgewählt ist, einfach gerne an ihnen. Und Dich werde ich mit Brille noch mehr mögen!“
„Tss-ag mal, ha-tss-t Du einen Brillenfetisch?“, fragte mich Paula unvermittelt.
„Was meinst Du mit Fetisch?“, fragte ich zurück. Ich konnte mir nicht erklären, was Paula damit sagen wollte.
„Na, ein Fetisch bedeutet, da-tss eine Per-tss-on von einem Gegenstand tss-exuell aufgeladen wird.“ Paula machte eine kurze Pause und fuhr fort: „E-tss i-tss-t eine Art erotischer Voyeuri-tss-mu-tss. Nicht der Mensch, tss-ondern der Gegenstand, den er an tss-ich hat, wird tss-um Objekt der Begierde.“
Paula schaute mich mit ihren noch unbebrillten Augen durchdringend an: „Ich hoffe doch tss-ehr, da-tss Du nicht tss-o einen Fetisch ha-tss-t. Du tss-oll-tss-t mich mögen und nicht irgendwelche Tss-achen an mir.“
„Keine Angst, Paula“, entgegnete ich schnell. „Mir ist die Person natürlich das Wichtigste, und die Accessoires sind höchstens das Sahnehäubchen.“
„Na, da-tss will ich hoffen“, schloss Paula die Unterhaltung zum Thema Brille.
„Habe ich vielleicht doch einen Brillenfetisch?“, dachte ich bei mir. „Und wenn, müsste ich mich dann dafür schämen? Nein, denn ich stehe zu meiner Brillenliebe!“