Als ich am nächsten Morgen aufwachte, musste ich erst realisieren, was innerhalb eines Tages passiert war.
Neben mir lag die friedlich schlafende Alicia. Sie schien völlig entspannt zu sein. Ihre Gesichtszüge machten einen glücklichen Eindruck. Alicia war eine schöne Frau, wie ich es empfand. Ihre langen dunklen Haare waren im Schlaf ziemlich durcheinandergeraten und bedeckten Kissen und Bettdecke. Ihr Gesicht war ebenmäßig und hatte einen eher dunklen Teint. Die Nase wies einen leichten Höcker auf. Dort, wo sonst die starke Brille aufsaß, waren auch nach einer Nacht noch deutliche Abdrücke auf dem Nasenrücken zu erkennen. Alicia atmete gleichmäßig aus und ein.
Vor weniger als 12 Stunden war noch mein Plan gewesen, jetzt mit Paula nach Tuttlingen zu fahren, um mir meine Augen operieren zu lassen. Da bestand noch meine innige Hoffnung, mit diesem letzten Schritt endlich Paula voll und ganz für mich gewinnen zu können. Ich war so begierig darauf gewesen, mit Paula mein erstes Mal zu erleben. Das Mädchen hatte mich in einer Weise scharf auf sich gemacht, dass ich für sie alles geben wollte.
Und jetzt? Jetzt hatte ich vor wenigen Stunden mit Alicia traumhaften Sex gehabt. Alicia hatte mich einfach genommen, ohne Umschweife, bedingungslos. Alles war so einfach, so leicht, so unbeschwert, so schön, so sexy, ach, mir fehlten einfach die Worte. Was mich nicht weniger glücklich machte, war Alicias Liebesgeständnis. Es kam nun zwar drei Jahre später, als ich es damals erhofft hatte. Aber meine sexuellen Gefühle für Alicia, die ich ihr vor drei Jahren gestanden hatte, waren gestern sofort wieder lebendig. Mein Herz hatte Alicia wohl nie vergessen. Meine Liebe zu ihr war die Jahre über quasi nur auf Standby geschaltet gewesen. So jedenfalls empfand ich es in diesem Moment.
Den Deal mit Paula hatte ich spontan aufgekündigt. Mir wurde klar, dass es mit Paula damit jetzt aus und vorbei war. Ich hatte sie nicht verdient, wie sie es formulierte. Dabei wollte ich sie mir so gerne verdienen. Ja, ich wollte sie erobern. Ich wollte jeden Kampf gewinnen, den es bedurfte, ihr Vertrauen und ihre Liebe geschenkt zu bekommen.
Paula hatte mir mit ihrer Vorstellung von Solidarität eine extreme Hürde aufgebaut. Letztlich wollte Paula mir absichtlich ein körperliches Gebrechen zufügen, quasi als Kompensation für ihre eigenen körperlichen Gebrechen. Ich musste mir jetzt heute eingestehen, dass meine unbändige Lust auf Paula bei diesem Thema meinen Verstand ausgeschaltet hatte.
Ich fühlte in diesem Moment kein schlechtes Gewissen. Paula hatte mich auch nicht verdient. Mit ihrer Hürde hätte sie mir meine Würde genommen. Das hätte ich von vorneherein erkennen und zurückweisen müssen. Spätestens bei dem Termin bei Paulas Cousin in Tuttlingen hätte ich die Reißleine ziehen müssen. Aber Paula hatte mich in ihrem Kokon so fest eingewickelt, dass ich damals nicht die Kraft hatte auszusteigen. Denn Paula hatte mich buchstäblich gefesselt.
Gleichwohl: Es war ein großes Glück, dieses besondere Mädchen Paula kennengelernt zu haben. Das jähe Ende unserer Beziehung änderte für mich nichts daran, dass ich sie weiter für attraktiv und begehrenswert hielt. Was nun aber zwischen uns stand, waren ihre offenkundigen psychischen Probleme, deren Opfer ich geworden war. Sie tat mir deswegen durchaus leid. Sie brauchte, wie ich fand, dringend eine Psychotherapie.
In meinen Gedanken versunken, bemerkte ich, wie Alicia neben mir langsam wach wurde. Sie blinzelte mit ihren Augen und räkelte sich. „Guten Morgen, lieber Marcus“, sagte Alicia, „wie hast Du geschlafen? Auch so gut wie ich?“
„Ja, bestens“, antwortete ich. „Und ich bin so glücklich, Dich neben mir zu haben.“
„Das geht mir genauso, mein lieber Marcus. Ein Traum ist für mich in Erfüllung gegangen“, gestand Alicia.
„Dann lass uns doch unsere begonnene Traumreise von gestern Abend fortsetzen,“ schlug ich vor. „Wir haben doch noch so viele Traumziele vor uns.“
Ich schlug Alicias Bettdecke zurück. Alicia war nackt. Ich war elektrisiert vom Anblick ihres ebenmäßigen, nicht zu dünnen Körpers. Meine rechte Hand wanderte zur linken Brust Alicias. Sie war wohlgeformt und passte genau in meine Hand.
„Warte kurz“, sagte Alicia, „ich brauche meine Brille. Du weißt, ich kann Dich nur mit Brille sehen. Und ich weiß, Du willst mich nur mit Brille sehen.“
Dann übten wir weiter, was wir am Vorabend glückselig begonnen hatten.